Protokoll der Sitzung vom 28.08.2012

....................................................................................................................................... 1944 Abg. Frau Klöckner, CDU:................................................................................................................. 1923, 1930 Abg. Hering, SPD:............................................................................................................................. 1937, 1942 Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.................................................................................................. 1944 Präsident Mertes:................................................................................................. 1923, 1929, 1930, 1937, 1944 Vizepräsident Dr. Braun:............................................................................................................................. 1949 Vizepräsidentin Frau Klamm:............................................................................................................ 1942, 1944

31. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 28. August 2012

Die Sitzung wird um 13:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 31. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz und darf Sie herzlich begrüßen.

Frau Machalet und Herr Brandl werden mir als Sitzungsvorstand zur Seite stehen.

Herr Staatssekretär Dr. Griese und Frau Staatssekretärin Raab sind entschuldigt.

Eine erfreuliche Mitteilung gibt es bei dieser Sitzung auch. Herr Baldauf, Sie haben das 45. Lebensjahr erreicht. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Das hat auch Thorsten Wehner erreicht. Lieber Thorsten Wehner, ebenfalls herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Der Kollege Norbert Mittrücker hat heute Geburtstag. Er wird heute feiern. Wie immer herzlichen Glückwunsch und ein kleines Kistchen Wein für das Geburtstagskind an den Tagen, an denen Plenarsitzung ist!

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen eine Tagesordnung vorgelegt. Gibt es dazu Hinweise von Ihrer Seite? – Ich sehe das nicht. Damit ist sie angenommen.

Ich muss Sie bitten, mir bei den Mitteilungen des Präsidenten in aller Gelassenheit zuzuhören. Es gab im Protokoll der letzten Plenarsitzung zwei Begrifflichkeiten, die Sie bitte künftig nicht mehr erwähnen wollen. Das eine ist die Begrifflichkeit des Dolchstoßes. Sozialdemokraten und Zentrum mussten nach dem Ersten Weltkrieg das wegräumen, was ihnen die Aristokratie und die Monarchie geliefert hatten. Diejenigen, die „Dolchstoß“ damals zu den Sozialdemokraten und Christdemokraten gesagt haben, waren diejenigen, die den Humus für die zweite Weltkatastrophe im vergangen Jahrhundert gelegt haben. Ich bitte darum, es einfach nicht mehr zu machen.

Das Zweite ist das unbeabsichtigte, aber doch rhetorische Zusammenfallen von fünfter Abteilung und fünfter Kolonne. Das ist auch nachdenkenswert. Ich sage Ihnen das deshalb, weil in diesem Parlament einer gesessen hat, der im spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Republikaner mitgekämpft hat, der Abgeordnete Herbert Müller. Vielleicht wird jetzt noch irgendjemand sagen: Aber der war doch in der KPD. – Vielleicht war es 1949 ehrenhafter, in der KPD zu sein als in der NSDAP. Dieser Mann war im KZ. Dieser Mann war in Frankreich.

Dieser Mann war im Krieg in Spanien als spanischer Offizier. Der Krieg in Spanien ging zu Ende. Er wurde in Frankreich interniert. Für alle, die sich ein bisschen auskennen: in Gürs. – Dort ist er geflohen, bevor er die pfälzischen Juden hätte begrüßen können, die 1943 dort hingeschickt worden sind.

Mir geht es darum, einfach Irritationen zu vermeiden. Mehr will ich dazu nicht sagen. Ich habe es auch bewusst allgemein gehalten.

Meine Damen und Herren, wir haben eben eine Tagesordnung beschlossen. Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnung auf:

Erneutes Scheitern des Nürburgring-Projektes und Verantwortung des Ministerpräsidenten Antrag der Abgeordneten Julia Klöckner und 38 weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU gemäß Artikel 83 Abs. 3 der Verfassung für Rheinland-Pfalz i.V.m. § 21 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtags Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 16/1519 –

dazu: Misstrauensantrag gegen den Ministerpräsidenten Antrag der Abgeordneten Julia Klöckner und 38 weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU gemäß Artikel 99 der Verfassung für Rheinland-Pfalz i.V.m. § 50 der Ge- schäftsordnung des Landtags – Drucksache 16/1520 –

Frau Klöckner, ich gehe davon aus, Sie werden begründen. – Dann erteile ich Ihnen das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Ministerpräsident und sehr geehrter Herr Präsident! Artikel 99 unserer Landesverfassung sagt:

„(1) Der Ministerpräsident, die Landesregierung und die Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags.

(2) Sie müssen zurücktreten, wenn ihnen der Landtag mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl das Vertrauen entzieht.“

Was bedeutet Vertrauen? – Vertrauen ist eine Leitwährung in der Politik. Demokratie funktioniert nie ohne Vertrauen. Jede Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institutionen des Staates, in die Regierung, in die Parlamente und in die Justiz. Vertrauen ist also eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Zivilgesellschaft.

Ohne Vertrauen im Parlament finden Gesetze und parlamentarische Entscheidungen keine Akzeptanz. Nur weil der Wähler zunächst seinem direkt gewählten Abgeordneten oder seiner direkt gewählten Abgeordneten

oder der Partei sein Vertrauen in Vorschuss gegeben hat, können in einer parlamentarischen Demokratie überhaupt erst Entscheidungen getroffen werden, die auch akzeptiert sind.

Nur wenn der Bürger der gewählten Regierung trauen kann, ist er langfristig bereit, Vertrauen auch entgegenzubringen und die getroffenen Entscheidungen zu akzeptieren. Politisches Vertrauen zeigt sich darin, dass wir die Regeln, auf deren Grundlage politische und ökonomische Entscheidungen getroffen werden, kennen und gleichzeitig davon ausgehen, dass sich tatsächlich alle an diese Regeln halten. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir davon ausgehen können, dass diese Regeln auf Dauer angelegt sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses politische Vertrauen, das die Verhältnisse zwischen Staat und Bürgern, aber auch in der Gesellschaft untereinander prägt, wird infrage gestellt, wenn Regierungsvertreter Entscheidungen vor sich herschieben, ungelöst lassen oder offenkundig falsch entscheiden und dies dann noch nicht einmal wahrhaben wollen, verschleiern und schönreden, bis es dann nicht mehr geht.

Es muss auch ein Mindestmaß an Vertrauen im Parlament selbst herrschen. Das gilt für den Umgang der Fraktionen untereinander.

(Zurufe von der SPD)

Das gilt aber auch für den Umgang zwischen Regierung und Parlament. Das Parlament sind nicht nur die Regierungsfraktionen, das Parlament sind wir alle, die Regierungsfraktionen und die Opposition.

(Beifall der CDU)

Herr Ministerpräsident, wenn sich Ihr Verständnis der Zusammenarbeit aber ausschließlich auf die Mehrheitsfraktionen der SPD und der GRÜNEN bezieht, dann ignorieren Sie, wie Demokratie funktioniert. Die parlamentarische Opposition gehört zur Demokratie immer dazu. Ohne parlamentarische Opposition gibt es keine Demokratie. Die Opposition ist der Regierung nicht untergeordnet, die Opposition hat Verfassungsstatus.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns die Entscheidung, den Misstrauensantrag gegen Sie, Herr Ministerpräsident, einzubringen, nicht leicht gemacht. Seit 60 Jahren hat es in der Geschichte dieses Landes keinen Misstrauensantrag mehr gegen einen Ministerpräsidenten gegeben. Einem amtierenden Ministerpräsidenten das Vertrauen zu entziehen, das bedarf guter Gründe. Diese guten Gründe haben wir.

Als die SPD-Fraktion 1952 einen Misstrauensantrag stellte, warf sie der damaligen CDU-Regierung vor, den Schulfrieden des Landes zu gefährden. Der damalige Ministerpräsident Altmeier wollte an der damaligen, in der Verfassung festgelegten Trennung der Schulen nach Konfessionen festhalten, während sich die SPD für die christliche Gemeinschaftsschule in Rheinhessen stark machte. Eine Mehrheit für das Misstrauensvotum war

nicht absehbar und war am Ende auch nicht gegeben. Man kann durchaus darüber streiten, ob eine Debatte über eine Schulstruktur ein Misstrauensvotum gerechtfertigt hat. Wenn damals aber ein Misstrauensvotum in den Augen der SPD wegen einer Schulstrukturfrage berechtigt war, dann ist es unter den Umständen der Nürburgring-Katastrophe, für die der Ministerpräsident die Gesamtverantwortung trägt, heute mehr als berechtigt, diesen Misstrauensantrag zu stellen.

(Starker Beifall der CDU)

Herr Ministerpräsident, es gab viele Situationen in den 18 Jahren Ihrer Regierungszeit, in denen wir Ihre Politik nicht geteilt haben und explizit auch anderer Meinung waren. Das hat in unseren Augen aber niemals einen Misstrauensantrag gerechtfertigt. Wir kämen niemals auf die Idee, wegen Schulstrukturfragen einen solchen Antrag zu stellen. In der jetzigen Situation lassen Sie uns aber keine andere Wahl, weil Sie, Herr Ministerpräsident, für sich selbst ganz neue Maßstäbe beanspruchen, die Sie aber anderen nicht zugestehen. Sie trennen für Ihre Person die politische Verantwortung von der politischen Haftung und von Konsequenzen. Sie sind für die Misere am Nürburgring verantwortlich, Folgen soll das für Sie persönlich aber nicht haben. Für andere hat das Folgen.

Warum soll das eigentlich just für Sie keine Folgen oder Konsequenzen haben? – Verantwortung, die keine Konsequenzen kennt, ist nur ein leeres Wort. Ihr Angebot an uns in der vergangenen Sondersitzung, die Gesamtverantwortung zu übernehmen, ist ein wertloses Angebot. Politische Verantwortung und politische Haftung müssen aber zwei Seiten einer einzigen Medaille sein.

Nur so lässt sich der Vertrauensvorschuss bei Wahlen rechtfertigen. Ob man aus politischer Verantwortung politische Haftung ableitet, ist nicht davon abhängig, Herr Ministerpräsident, ob man die Mehrheit hinter sich hat, sondern das ist eine Frage des Anstands.

(Beifall der CDU)

Sie, Herr Ministerpräsident, sagen zwar, Sie übernehmen die Gesamtverantwortung, wollen jedoch genauso weitermachen wie bisher. Wir akzeptieren das als CDUFraktion nicht. Denn die Übernahme der Gesamtverantwortung in der Nürburgring-Affäre, die Sie verkündet haben, ist überhaupt nichts Neues. Sie haben sowieso die Gesamtverantwortung als Ministerpräsident qua Amt.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Verantwortung heißt Einstehen für das eigene Handeln. Wer diesen Zusammenhang von Verantwortung und Konsequenz auflöst, der lässt Verantwortung schlichtweg zur Phrase verkommen, der glaubt, mit dem Aussitzen nach der Sommerpause sei alles vergessen.

Herr Ministerpräsident, Sie sind einfach zur politischen Tagesordnung übergegangen. Vor wenigen Tagen stand eine Journalistenreise durch Rheinhessen in Ihrem Veranstaltungskalender. Sie ließen es sich – so war zu

lesen – gut gehen bei Wildkräutersalat, Rinderschmorbraten und Pflaumenparfait.

(Zurufe der Abg. Hering und Pörksen, SPD)

Haben Sie eigentlich kein Gespür mehr für die Stimmung im Land? In diesen Tagen gehört der für das Nürburgring-Desaster verantwortliche Ministerpräsident nicht in den rheinhessischen Gourmethimmel,

(Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD)