Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann scheinen Sie das unsinnige, sozialpolitisch und bildungspolitisch absolut unsinnige Betreuungsgeld ad acta gelegt zu haben, oder? – Dazu haben Sie jetzt gar nichts gesagt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Einerseits Kinder zu Hause betreuen zu wollen, andererseits den Kindertagesstättenausbau zu fordern, da müssen Sie schon einmal Farbe bekennen, in welche Richtung Sie gehen wollen. Wir wollen den Ausbau der Kindertagesstätten vorantreiben.

Dann möchte ich etwas zu dem sagen, dass Sie der Landesregierung Versäumnisse vorgeworfen haben. Das ist absolut unsinnig. Sie verkennen vollkommen, was in den letzten Jahren geschaffen worden ist.

In Rheinland-Pfalz wird Kinder- und Familienfreundlichkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Chancengleichheit in der Bildung und soziale Gerechtigkeit gelebt. Wir waren das erste Land, das sich über das Landesprogramm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ mit dem U 3-Ausbau beschäftigt hat.

Wir waren das erste Land, das einen Rechtsanspruch für Kinder ab zwei Jahren festgeschrieben hat. Wir waren das erste Land mit einem beitragsfreien Kindergartenjahr. Wir sind das einzige Land mit einer komplett beitragsfrei finanzierten Kindertagesstätte ab zwei Jahre.

(Beifall der SPD – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Sie waren dagegen!)

Das muss man auch einmal festhalten.

Bei all diesen Maßnahmen ist das Prinzip der Konnexität eingehalten worden. Hier gilt, wer bestellt, der bezahlt. Vielleicht muss man da mit dem Bund noch einmal ein bisschen nachverhandeln.

(Beifall der SPD – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Ich entnehme Ihrem Wortbeitrag von eben, dass Sie im Grunde genommen die Kommunen beschimpft haben, sie hätten nicht genügend Plätze im Rahmen des U 3Ausbaus geschaffen. Das empfinde ich gegenüber den Kommunen und den engagierten Erzieherinnen und Erziehern in unseren Kindertagesstätten als unverschämt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Über die von der Landesseite her in den vergangenen Jahren geschaffenen Anreizsysteme sind so viele Plätze im Zuge des U 3-Ausbaus geschaffen worden, dass Rheinland-Pfalz zu den Ländern gehört, in denen U 3Plätze am dynamistischen ausgebaut worden sind. Das ist den großen Anstrengungen der Träger der Kindertagesstätten zu verdanken. Die Trägerschaft für Kindertagesstätten und die Bedarfsplanung für Kindertagesstätten sind immer noch Pflichtaufgaben der kommunalen Selbstverwaltung. Ich weiß, diese nehmen die Kommunen sehr, sehr gerne wahr, weil sie wissen, wie wichtig die Infrastruktureinrichtung Kindertagesstätte für ihre Kommunen ist und wie wichtig es ist, diese vorzuhalten und entsprechende Plätze anbieten zu können, damit junge Familien gerne in unseren Kommunen leben.

Ja, der Krippengipfel von 2007 und der darin vereinbarte Rechtsanspruch für Einjährige wird im Land RheinlandPfalz ebenso umgesetzt wie der Rechtsanspruch für Zweijährige. Das Land war in diesem Fall auch wieder das erste Land, das die vom Bund zur Verfügung gestellten 103 Millionen Euro in einem Vertrag mit den kommunalen Spitzenverbänden an die Kommunen ver

teilt hat. Über klare Kriterien ist geregelt, welche Förderungen möglich und nötig sind.

Im Kindertagesstättengesetz ist darüber hinaus geregelt, welche Personalkostenzuschüsse und Betreuungsboni es für geschaffene Plätze für Kinder unter drei Jahren und für Kindertagesstätten insgesamt gibt. Das muss man in einem Gesamtpaket sehen.

Wenn das alles so schlecht wäre, wie Sie sagen, frage ich mich, warum gerade in Rheinland-Pfalz der Ausbau schon so weit fortgeschritten ist und wir die geplante Betreuungsquote von 35 % im nächsten Jahr sicher erreichen werden.

(Frau Huth-Haage, CDU: Darum geht es doch gar nicht!)

Nach einer neueren Studie des Deutschen Jugendinstituts wissen wir, dass das nicht ausreichen wird. Darin wird mit ungefähr 39 % gerechnet. Auch dafür haben wir Vorsorge getroffen. Es ist in Rheinland-Pfalz immer gesagt worden, dass wir erst die Bundesmittel und erst danach, wenn diese ausgeschöpft sind, die Landesmittel einsetzen werden.

(Frau Huth-Haage, CDU: Macht das Sinn?)

Dafür ist Vorsorge im Haushalt getroffen worden. Dafür sind Mittel eingestellt worden. Dafür sind Verpflichtungsermächtigungen eingestellt worden.

(Frau Ebli, SPD: Wollt ihr das nicht tun?)

Das ist auch keine rheinland-pfälzische Spezialität.

(Frau Huth-Haage, CDU: Doch!)

Nein, das wird in anderen Ländern genauso gehandhabt.

Wir haben vorausschauend und verantwortungsvoll gehandelt. Das werden wir in diesem Fall auch weiter tun.

Es ist klar und erkennbar, dass es in Städten große Herausforderungen gibt. Das wissen wir. Diesen Herausforderungen stellen sich alle gemeinsam. Das kommt auch daher, weil wir besondere pädagogische Ansprüche an unsere Kindertagesstätten haben und es in Städten nicht so einfach ist, einen x-beliebigen Raum irgendwo anzumieten oder auf nicht vorhandenen freien Flächen zu bauen.

(Frau Huth-Haage, CDU: Ja, eben!)

Das ist nicht einfach. Diese Herausforderungen werden angegangen. (Glocke der Präsidentin)

Diesen Herausforderungen stellt sich jeder.

Mehr dazu in der zweiten Runde.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Bröskamp das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsident, liebe Abgeordnete! Da muss ich erst einmal tief Luft holen. Ich habe einen Kommentar vom 31. Mai 2012 aus der „Allgemeinen Zeitung“ ausgegraben, den Sie alle bekommen haben. Darin steht: „Pflichtvergessen – Wofür haben wir eigentlich eine Familienministerin? Was hat Kristina Schröder in den vergangenen zweieinhalb Jahren gemacht, damit der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige im August 2013 tatsächlich greifen kann? So wenig, dass man schon von Pflichtvergessenheit sprechen muss.“

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie können das gerne selbst nachlesen. Er stand am 31. Mai 2012 im „Pressespiegel“.

Die Bedarfserhebung, die gemacht worden ist oder die vielmehr hätte gemacht werden sollen, die angeblich die 35 % ergeben haben soll, ist nie erfolgt. Das heißt, im Vorfeld hat man den Bedarf überhaupt nicht abgefragt. Das ist irgendwie eine fiktive Zahl, die jeglicher Grundlage entbehrt. Ich meine, dass wir ganz genau hinhören müssen, welchen Bedarf Eltern und Familien haben. Diese Aufgabe müssen wir gemeinsam schultern. Ohne uns alle werden wir das nicht hinbekommen. Das ist sicherlich eine Aufgabe für Bund, Land und Kommunen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Ich möchte Ihnen gerne ein Beispiel aus meiner ehemaligen Verbandsgemeinde nennen. Ich meine, ich habe dieses Beispiel schon einmal genannt. 2008 fehlten dort im Hinblick auf den Rechtsanspruch der dreijährigen Kinder über 50 Kindergartenplätze. Der Rechtsanspruch – das wird Ihnen bekannt sein – galt ab 1998. Man kann bei dieser Verbandsgemeinde und auch bei der Ortsgemeinde nicht davon sprechen, dass es sich um eine arme Kommune handelt. Sie befindet sich im Speckgürtel des Kreises Neuwied. Das bedeutet, dass sie finanziell sicherlich auf einem guten Weg war. Prägnant ist aber – es ist vielleicht nicht unerheblich, das zu erwähnen –, dass dort seit 45 Jahren die CDU regiert. Vielleicht sollte man sich die Frage stellen, ob hier die Prioritäten anders gesetzt worden sind, als wir uns das als GRÜNE und sicher auch als SPD gewünscht hätten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sicherlich steht Rheinland-Pfalz beim Ausbau der U 3Plätze im Vergleich der westlichen Bundesländer sehr gut da. Sicherlich ist es so, dass wir alle wissen, dass derzeit nicht individuell dem Bedarf bis auf die letzte Familie nachgekommen werden kann, weil das für uns

alle eine große Herausforderung ist. Ich meine aber, dass wir deutlich machen, dass es unser Ziel ist, den Bedarf zu decken, und dass wir damit den Eltern helfen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

Es ist sicherlich auch nicht richtig, dass sich das Land gar nicht beteiligt. Frau Huth-Haage, schauen Sie einmal auf die Personalkosten. An den Personalkosten für die Krippengruppen beteiligt sich das Land mit nicht unerheblichen 45 %. Das muss man ehrlichkeitshalber auch einmal sagen dürfen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die sonstigen Kindergärten und Ganztagskindergärten sind es immerhin zwischen 30 % und 32 %. Die Personalkosten für geöffnete Kindertagesgruppen übernimmt das Land zu 100 %. Auch bei den Hortgruppen beteiligt sich das Land mit 35 % an den Personalkosten. Aufs ganze Land gerechnet sind das erhebliche Summen.

Die Kinderbetreuung ist ein harter Standortfaktor. Im ländlichen Raum – das Land ist eben von ländlichen Gebieten geprägt – müssen wir darauf achten, dass wohnortnah die Betreuung für die U 3-Kinder sichergestellt ist; denn in diesem Fall ist gerade das Alter der Kinder zu berücksichtigen. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass man nicht 10, 20 oder 30 km fahren muss, um die Kinder betreuen lassen zu können.

Ich meine, das Familienministerium und auch unsere Fraktion arbeiten daran mit Hochdruck. Wir nehmen dieses Thema sehr ernst. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass das für uns ein Herzensanliegen ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ehrlichkeitshalber muss man allerdings sagen, dass von der Bundesseite her das Geld, das für das Betreuungsgeld zur Seite geschoben wird – das habe ich schon mehrfach gesagt –, sicherlich sinnvoller in die Kinderbetreuung institutioneller Art geschossen werden sollte. Eine neue Pressemitteilung vom 29. August unter „spiegel-online“ zeigt, dass Ihre eigenen Ex-Ministerinnen Protest laufen und nicht damit einverstanden sind.