Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir bleiben bei dem Thema „Kinder“, und wir bleiben dabei, dass Eltern das Familienwahlrecht brauchen, ein Recht auf freie Entscheidung, ein Recht für Kinder, das auch die UN festgeschrieben haben, ein Recht, das sie nicht vom allgemeinen Schulwesen ausgeschlossen werden dürfen. Kinder haben dieses Recht, und wir – insbesondere wir, die wir Politik gestalten – haben Pflichten. Wir haben die Pflicht, gute Rahmenbedingungen zu setzen. Wir haben die Pflicht, das Kindeswohl immer, bei allen Entscheidungen, vorrangig zu berücksichtigen.
Ja, wir müssen auf dem Weg, allen Kindern diese Rechte einzuräumen, noch einige Schritte gehen. Wir müssen uns aber auch darüber bewusst sein, dass der richtige Weg für jedes Kind ein anderer ist. Das kann sowohl das Lernen in einer Förderschule als auch das Lernen an einer allgemeinen Schule sein. Da wir befürchten, dass der Weg in eine andere Richtung geht, pocht die CDU schon seit Jahren auf den Erhalt eben dieser Förderschulen.
Bis jetzt wurde uns dazu immer wieder gesagt: Ihr seht Gespenster. – Die SPD hat bis zur Landtagswahl in jeder Rede – zumindest in den offiziellen Reden –
(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Was soll denn das für eine Unterstellung sein? Das nehmen Sie aber gleich wieder zurück!)
mitgeteilt: Wir wollen keine Förderschulen schließen, und in der Regel ist dies auch heute noch die offizielle Sprachregelung.
Die GRÜNEN haben diesbezüglich zugegebenermaßen einen anderen Duktus. Ich zitiere aus der Regierungserklärung vom 26. Mai 2011 von Herrn Köbler,
(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir wussten gar nicht, dass Herr Köbler Regierungserklärungen abgibt!)
der von vollständiger und gleichwertiger Inklusion in fünf Jahren sprach. Sozusagen keine Sonderregelung wollte er mehr brauchen, wie er in der Aussprache zur Regierungserklärung sagte.
Tja, keine Sonderregelung, und nun liegt die KlemmStudie vor. Frau Ministerin, für die Inklusion sollen in den kommenden fünf Jahren 200 zusätzliche Stellen geschaffen werden, und seitdem diese Zahl bekannt geworden ist, fragt man sich landauf, landab, woher denn die Zahl 200 kommt. – Wir haben immer wieder nachgefragt, und wir haben immer wieder keine Antwort erhalten – bis zum letzten Bildungsausschuss. Darin haben Sie aufgeklärt, die Grundlage für diese Zahl sei eine Studie der Bertelsmann Stiftung, ebenfalls von Herrn Professor Klemm.
Frau Ministerin, wir haben nun ein ernsthaftes Problem. Bisher haben Sie suggeriert, all das, was Sie beschreiben, und all das, was Sie zitieren, auch intensiv gelesen zu haben. Es wurde von uns auch immer anerkannt, dass Sie das getan haben. Bis heute haben Sie alle beruhigt mit dem Satz: Die Förderschulen bleiben erhalten. – Frau Ministerin, aber entweder haben Sie die Grundlage Ihrer eigenen Studie nicht gelesen – dann müssten wir Ihnen heute Unwissenheit unterstellen, und Ihr Bild würde einen gehörigen Sprung bekommen –, oder aber, Sie haben es gewusst, dann haben Sie allen Menschen im Land bewusst Sand in die Augen gestreut. – Wider besseres Wissen, Frau Ministerin?
Herr Professor Klemm nennt als Grundlage für die Bertelsmann-Studie in Rheinland-Pfalz wesentliche Merkmale der Berechnung. Warum brauchen wir nur 200 Förderlehrer? Diese wesentlichen – für uns wirklich wesentlichen – Merkmale sind ganz klar, dass er sagt, die Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“, „Sprache“ und „Sozialemotionale Entwicklung“ sollen zu 100 % abgeschafft werden. Es geht also um die 100 %ige Abschaffung dieser Förderschularten, und die übrigen Förderschwerpunkte wollen Sie halbieren.
Ja, das ist für die Parteien von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nichts Neues. Dies sehen wir gerade in Bremen, und wir sehen es in Hamburg, wo Sie den Weg der Abschaffung der Förderschulen gegangen sind. Wir hören die Brandrufe aus diesen Ländern. Wir hören die GEW, die sagt, um Himmelswillen, das ist politischer Sprengstoff.
Aber nein, auch in Rheinland-Pfalz ist die Grundlage Ihrer Planung die 100 %ige Abschaffung der Förderschulen im Bereich „Lernen“, „Sozialemotionale Entwicklung“ und „Sprache“.
An Ihren Worten – alles ist gut in Rheinland-Pfalz –, oder an Ihren Taten, an Ihren Planungen für die Abschaffung der Förderschulen?
Bleiben Sie bei Ihrer Planung von 200 Stellen mehr und der damit festgeschriebenen Abschaffung der Förderschulen? Oder war es von Ihnen nur eine Schlamperei, und Sie haben die Grundlage Ihrer eigenen Studie nicht gelesen?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dickes, wenn es nicht so traurig gewesen wäre, dann müsste man jetzt über das, was Sie gesagt haben, ganz laut lachen.
Sie sind nun seit sechs Jahren im Parlament und verfolgen – ebenso wie ich – seit sechs Jahren die Debatte, genau so lange, wie ich auch diese Debatte verfolge, und Sie haben uns anscheinend niemals zugehört. Was wir als Regierungskoalition wollen, ist, den Eltern ein Wahlrecht einzuräumen. Was bedeutet ein Wahlrecht? – Ein Wahlrecht bedeutet, die Eltern sollen wählen können. Damit sie wählen können, muss man ein flächendeckendes Netz an Schwerpunktschulen aufbauen. Das ist unser System, um die Inklusion darzustellen.
(Schreiner, CDU: Also keine Förderschulen mehr! Sie wollen die Abschaffung der Förderschulen, heißt das!)
Herr Schreiner, wenn Sie mich einmal ausreden lassen würden, würde ich es Ihnen erklären. Wir haben doch niemals davon geredet, die Förderschulen abzuschaffen.
Wir haben auch noch niemals davon geredet, dass wir die Förderschulen im Bereich „Lernen“ oder die anderen Förderschulen abschaffen wollen. Wir wollen ein Wahlrecht für die Eltern schaffen, und Wahlrecht bedeutet, wählen zu können. Welche Förderschule infrage kommt, wenn sich Eltern für eine Förderschule entscheiden, das bestimmt die Art des festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs.
Diese Unterstellung allein ist wieder die typische Masche der CDU: Panikmache, unterschwellig Ängste schüren und sich nicht an sachlicher Debatte beteiligen.
(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Klöckner, CDU: Heute Morgen war doch nichts anderes als Unterstellung!)
Um sich inhaltlich und sachlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Herr Pörksen hat das zu Ihnen, zu Ihrer Fraktion gesagt. Das möchte ich bitte einmal darstellen.
(Frau Klöckner, CDU: Diese Übersetzung finde ich prima! – Pörksen, SPD: Ich habe etwas anderes gesagt, aber das wiederhole ich nicht! – Weitere Zurufe von der CDU)
Ich war vielleicht etwas vornehmer. Ich finde, wir sollten uns sachlich mit dem Thema auseinandersetzen. Da ist eigentlich die Überschrift Ihrer Aktuellen Stunde schon eine Frechheit. Was bitte schön ist eine „rot-grüne Inklusion“? Das muss man sich einmal fragen. Was ist das eigentlich für eine Aussage? Haben Sie überhaupt nicht verstanden, um was es hier geht?
Wir sind in der Bundesrepublik Deutschland der UNBehindertenrechtskonvention verpflichtet und haben uns dieser verschrieben. Wir haben sie ratifiziert und wollen sie umsetzen. Da geht es nicht darum, irgendwelche Systeme neu zu erfinden, sondern es geht darum, die Systeme den Bedürfnissen der behinderten Menschen anzupassen und nicht andersherum.
Ich habe so ein bisschen das Gefühl, als wollten Sie das Wort „Inklusion“ so ein bisschen als Bedrohung darstellen.
Dann würde ich einmal sagen, Sie haben in dieser Debatte, die wir seit Jahren führen, nichts gelernt. Das finde ich sehr traurig und sehr schade, weil wir uns nämlich gemeinsam an einen Tisch setzen, uns diesem sensiblen Thema widmen und gemeinsam sehen sollten, wie man in verantwortlicher Art und Weise die Inklusion in Rheinland-Pfalz, die es übrigens seit zehn Jahren mit dem System der Schwerpunktschulen gibt, weiterentwickelt und nicht alte Zöpfe in den Raum stellt und sagt, wir wollen Förderschulen abschaffen. Davon war nie die Rede.
Wir werden sehen, wie wir dieses Thema weiterentwickeln. Natürlich muss es in Zeiten des demografischen Wandels im Land irgendwann hier und dort Veränderun
gen geben. Wie diese Veränderungen gestaltet werden müssen, müssen wir einmal sehen. Hier geht es aber nicht um Abschaffung, ganz im Gegenteil. Ich glaube, Sie haben vergessen, dass wir 2010 einen Antrag zur Weiterentwicklung der Inklusion in dieses Parlament eingebracht haben. Leider haben Sie sich diesem Antrag entzogen und nicht mitgestimmt, was ich immer noch sehr schade finde.