Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Das ist aus unserer Sicht der einzig vernünftige Weg. Darauf werde ich in der zweiten Runde gern noch einmal eingehen.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Dr. Machalet das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Thelen, Vieles von dem, was Sie vorhin zu den Hartz-Gesetzen gesagt haben, ist sicherlich richtig. Einen wesentlichen Punkt aber haben Sie vergessen, nämlich dass erst durch Hartz alle wieder in die Vermittlung gekommen sind. Das ist ein ganz wesentlicher Erfolg, den man nicht vergessen darf. Ansonsten, bei allem, was Sie kritisiert haben oder bei dem Sie gesagt haben, das habe alles die SPD gemacht, kann ich nur sagen, die CDU hat alles mit beschlossen.

(Zurufe von der CDU: Richtig!)

Wir waren die Ersten, die gesagt haben, es gibt Fehlentwicklungen, die es zu korrigieren gilt.

(Frau Klöckner, CDU: Wir stehen auch dazu!)

Wir stehen dazu, dass wir die Fehler, die gemacht worden sind, auch korrigieren wollen, weil es uns um die Menschen geht, die jeden Tag in prekären Situationen arbeiten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Ah!)

Ich komme darauf gleich noch einmal zurück.

Ihr Kollege Baldauf hat gestern – er ist leider nicht hier – gesagt

(Frau Klöckner, CDU: Herr Hering ist auch nicht da!)

ja gut, aber Herr Baldauf hat sich gestern zu dem Thema geäußert, Frau Klöckner –, naja, die Zunahme bei den atypischen Beschäftigungsverhältnissen ist nicht so schlimm, weil sie die normalen Arbeitsverhältnisse nicht verdrängt hat.

Es gibt durchaus Studien, die etwas anderes belegen. 1996 lag der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse in Deutschland bei 42 %, 2009 bei 39 %. Gleichzeitig ist der Anteil der atypischen Beschäftigung von 19 % im gleichen Zeitraum auf 28 % gestiegen. Man kann durchaus davon ausgehen, dass Normalarbeitsverhältnisse verdrängt wurden. Wir wissen auch – das hat die Ministerin heute Morgen deutlich gesagt –, nicht alles, was atypisch ist, ist auch prekär.

Das sehen wir, das stimmt. Aber auch nicht alles, was Normalarbeit ist, ist nicht prekär. Das muss man auch noch einmal deutlich sagen.

Für uns sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse diejenigen, bei denen es keine vernünftige soziale Absicherung gibt, die nicht existenzsichernd sind und bei denen vor allem Arbeitnehmerrechte nicht gewährt werden. Wenn es zum Beispiel um die 400-Euro-Jobs geht, welche Beschäftigte in 400-Euro-Jobs weiß beispielsweise, dass sie Anspruch auf Urlaub hat oder einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall? Das sagt kein Arbeitgeber dieser Beschäftigten.

Darum geht es. Es geht genau um diese Menschen, die tagtäglich zu schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten. Um die geht es uns.

Die Ministerin hat vorhin geschildert, was das Land alles an Initiativen über den Bundesrat auf den Weg gebracht hat und was alles an den CDU-geführten Regierungen gescheitert ist. Ich will das gar nicht alles wiederholen.

Herr Köbler hat vorhin im Prinzip eine Blockiererin vergessen, nämlich Frau Ministerin von der Leyen, die viel angekündigt hat und immer so tut, als sei alles sehr schlimm, und ihre Betroffenheit bekundet.

(Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die kann man auch einmal vergessen!)

Gerade die aktuelle Diskussion um die Altersarmut zeigt es erneut. Aber es gibt keine Handlungen. Wenn sie handelt, dann handelt sie im Prinzip nur ein bisschen. Das geht an den realen Problemen komplett vorbei.

Mit ist das Zitat von dem Kabarettisten Christoph Sieber wieder eingefallen, der neulich auf die Frage, was er von Frau Ursula von der Leyen halte, gesagt hat: Frau von der Leyen hat ein Kühlschrank bei sich im Büro. Dort geht sie jeden morgen zum Aufwärmen hinein.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Frau Klöckner, CDU: Das ist doch nicht Ihr Niveau!)

Ich finde, es wäre zum Lachen, wenn es im Kern nicht stimmen würde.

Ich will noch einmal deutlich zu dem Stellung nehmen, was Sie gesagt haben. Wir haben in Rheinland-Pfalz im letzten Jahr, also seit ich im Landtag bin, oft über das Thema diskutiert. Da ging es zum Beispiel um die Paketzusteller und darum, bessere Arbeitsbedingungen für sie herzustellen. Das haben Sie abgelehnt. Mindestlohn bei den Werkverträgen – alles abgelehnt. Sie haben auch das Landestariftreuegesetz abgelehnt.

Was mich gestern bedenklich gestimmt hat, war die Aussage Ihres Fraktionskollegen Herrn Baldauf. Er hat gesagt: Wir sorgen für die, die Leistung bringen. – Was heißt das? Wenn Sie denen helfen, die Leistung bringen, dann ist zu fragen, ob der Paketzusteller, der Ihnen das Paket bringt, keine Leistung bringt. Die Schleckerfrauen? Auch sie haben keine Leistung gebracht. Die Friseurin hat keine Leistung gebracht, und der Hilfsarbeiter, der mit an der Schule baut, bringt auch keine Leistung.

(Frau Elsner, SPD: Genau!)

Ich glaube, Sie müssen mit solchen Aussagen aufpassen, dass Sie nicht in die gleiche Ecke gestellt werden, in die sich Romney katapultiert hat, der gesagt hat, 47 % der US-Amerikaner seien Opfer oder Schmarotzer.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau! Da sind Sie schon längst angekommen!)

Ich halte das für sehr gefährlich.

(Frau Klöckner, CDU: Ich auch!)

Sie haben hier die Gelegenheit, das richtigzustellen.

Wir jedenfalls stehen für gute Arbeit. Wir stehen für Korrekturen an den Fehlentwicklungen, die es in den letzten Jahren auf dem Arbeitsmarkt gegeben hat. Wir hoffen, dass wir sie dann ab September 2013 mit anderen Mehrheiten im Bund wieder durchsetzen können.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich mache es kurz. Ich will eigentlich nur zwei Punkte aufnehmen, die angesprochen worden sind. Frau Thelen, das eine ist, ich bin dafür, dass Sie bei der ganzen Wahrheit bleiben. Der erste Teil ist absolut korrekt. Natürlich wurden die Hartz-Gesetze unter Rot-Grün mit breiter Basis mit der CDU und der FDP zusammen beschlossen.

(Frau Klöckner, CDU: Ja! Wir haben nicht blockiert!)

Ich finde ehrlich gesagt, es ist kein Verdienst, zehn Jahre später zu sagen, wir stehen dazu, Frau Klöckner. Die Welt hat sich verändert.

(Frau Klöckner, CDU: Ja, eben!)

Damals hatten wir 5 Millionen Arbeitslose. Damals war vielleicht Vieles, was wir für richtig erachtet haben, sogar richtig.

(Zuruf des Abg. Weiner, CDU)

Aber heute ist es eben nicht mehr richtig. Politik ist auch dafür da, Verantwortung zu übernehmen, wenn man sieht, dass es Fehlentwicklungen in einem bestimmten Bereich gibt und sie korrigiert.

(Frau Klöckner, CDU: Das ist doch auch gelaufen, aber die Rolle rückwärts ist falsch!)

Es kann nicht immer und ewig die Leier gefahren werden: „Wir stehen aber noch dazu im Gegensatz zu RotGrün“. – Wir stehen zur damaligen Reform. Aber wir sehen, was sich inzwischen verändert hat. Wir verstehen unseren politischen Gestaltungsspielraum darin, die Dinge so zu ändern, dass sie der heutigen gesellschaftlichen Situation angepasst sind.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Richtig!)

Deshalb fordern wir zum Beispiel flächendeckend gesetzliche Mindestlöhne. Wenn Sie auf einen Zwischenruf von Herrn Köbler hin sagen, das sei nicht so einfach, wie Sie das sagen, dann muss ich sagen, natürlich ist es innerhalb der Bundesregierung nicht einfach. Das sehe ich auch, Frau Klöckner.

Aber Sie haben auch einen CDU-Parteitagsbeschluss zu den Mindestlöhnen gefasst. Ihre Mindestlöhne sind nicht unsere Mindestlöhne.

(Frau Klöckner, CDU: Darauf lege ich großen Wert! – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Darauf sind Sie auch noch stolz!)

Wir sagen, wir brauchen einen gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohn und keinen branchenbezogenen Mindestlohn in Deutschland. Ich will Ihnen auch erklären, warum.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)