Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Sie wollen sechs Tage Bildungsfreistellung in der gesamten Ausbildung. Das ist schön, dass Sie jetzt auch die Erkenntnis haben, dass etwas gemacht werden muss und eine Ausweitung erfolgen sollte. Vielleicht liegt es daran, dass Ihre Fraktionsvorsitzende Frau Klöckner vor einigen Wochen ein Gespräch mit dem Landesjugendring hatte. Davon hat sie ein schönes Foto getwittert. Man sieht, es ist ein bisschen mehr als „leere Flaschen“ hängengeblieben.

Wir aber bleiben dabei, wir wollen fünf Tage pro Ausbildungsjahr und nähern uns damit anderen Bundesländern an. Sie wissen, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben den Freistellungsanspruch von fünf Tagen pro Ausbildungsjahr. Man kann nicht sagen, dass das alles sozialdemokratisch regierte Bundesländer sind.

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Ganster, CDU)

Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, die Wartefrist, bis man die Bildungsfreistellung in Anspruch nehmen kann, nicht von 12 auf sechs Monate zu verkürzen, begründen Sie damit, dass die Arbeitnehmer und die Auszubildenden erst einmal in ihrem Betrieb ankommen müssen.

Ich habe immer gedacht, zum Ankommen in dem Betrieb gibt es die Probezeit. Die beträgt nach meiner Information meistens sechs Monate, bei Auszubildenden etwas weniger. Es ist nicht nachvollziehbar, warum man

dann nicht auch den Anspruch auf Bildungsfreistellung nach sechs Monaten realisieren können sollte.

Wir bleiben dabei, wir wollen die fünf Tage pro Ausbildungsjahr, und wir wollen die Verkürzung auf sechs Monate Wartezeit.

Ich gehe davon aus, dass wir das heute so beschließen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank.

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Mitglieder der Alterswehr der Freiwilligen Feuerwehr Unkel sowie Damen aus dem Mentoring-Projekt „Mehr Frauen in die Kommunalpolitik“ im Landkreis Bad Dürkheim und der Stadt Neustadt. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Herr Kollege Heinisch hat das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute den seit einiger Zeit vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Bildungsfreistellungsgesetzes beschließen, dann erreichen wir mehrere positive Effekte.

Das Gesetz bringt eine Ausweitung des Anspruchs auf Weiterbildung für Auszubildende und damit eine Angleichung an den Anspruch, den alle übrigen Beschäftigten schon seit 1993 durch das Bildungsfreistellungsgesetz bekommen. Grundsätzlich können wir feststellen, dass sich das Bildungsfreistellungsgesetz in seinen jetzt beinahe zehn Jahren seit Inkrafttreten bewährt hat.

Es hat sich bewährt, dass Beschäftigte bis zu fünf Tage pro Jahr für die Weiterbildung verwenden können und dafür auch einen Anspruch auf den sogenannten Bildungsurlaub geltend machen können. Gerade auch den Betrieben nützt es, wenn sich Beschäftigte weiterbilden, wenn sie über den Tellerrand hinausschauen, wenn sie neue Qualifikationen erwerben und auf dem Laufenden bleiben. Das gilt auch für diejenigen, die sich für eine duale Berufsausbildung entscheiden.

Wenn wir über die Gleichwertigkeit beruflicher Bildung reden, ist es nur gerecht, wenn Auszubildende auch die Möglichkeit erhalten, Bildungsfreistellung in Anspruch zu nehmen; denn damit haben sie größere Möglichkeiten, auch darauf Einfluss zu nehmen, was sie in ihrer Ausbildungszeit lernen. Es führt auch – dies wurde soeben auch schon angesprochen – zu einer Stärkung der At

traktivität dualer und anderer Berufsausbildungsgänge, wenn wir diese Möglichkeit ausweiten.

Die erweiterten Möglichkeiten für die Bildungsfreistellung sind auch eine Chance für ehrenamtliches Engagement. Nicht zuletzt hat sich der Landesjugendring mit seinen Mitgliedsverbänden vehement dafür eingesetzt, dass wir diese Ausweitung hinbekommen, und zwar mit Jugendverbänden aus dem gewerkschaftlichen und kirchlichen Bereich, mit sozialer, sozialistischer, ökologischer, proeuropäischer und musischer Orientierung, Pfadfinderinnen und Pfadfindern, Jugendfeuerwehren oder der DLRG-Jugend. – Dies zeigt schon, wie breit dieses Spektrum ist, das im Landesjugendring organisiert ist und sich deutlich dafür ausgesprochen hat.

Unter dem Motto „Bildung braucht Freiräume“ hat sich in Rheinland-Pfalz ein Bündnis gebildet, das sich auch dafür einsetzt, dass entsprechende Freistellungsmöglichkeiten ausgeweitet werden, einerseits um die außerschulische Bildung, aber andererseits auch, um das ehrenamtliche Engagement zu stärken. Dazu gehört auch die Aktivierung durch politische Bildung, was gerade in der Enquete-Kommission „Aktive Bürgerbeteiligung für eine starke Demokratie“ eine wichtige Rolle gespielt hat, und es sollte uns auch ein wichtiges Anliegen sein, diese Möglichkeiten zu verbessern. Wir können außerdem feststellen, dass die Bildungsfreistellung derzeit zu großen Anteilen für Sprachkurse genutzt wird. Das heißt, die Ausweitung der Möglichkeiten in dem Bereich ist auch ein Beitrag, um junge Menschen fit zu machen für eine Arbeitswelt, die zunehmend durch internationale Kooperation und internationalen Austausch geprägt wird.

Werte Kolleginnen und Kollegen, der Vollständigkeit halber möchte ich auch noch kurz auf den vorgelegten Änderungsantrag der CDU eingehen. Wir haben ein parlamentarisches Verfahren mit einer ersten Beratung im Plenum, mit Beratungen im Ausschuss und dann mit einer abschließenden Beratung im Plenum und einer Beschlussfassung. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus dürftig, dass wir erst heute, am Tag der abschließenden Beratung und Abstimmung, Ihren Änderungsantrag auf den Tisch gelegt bekommen;

(Bracht, CDU: Noch rechtzeitig zur Abstimmung!)

denn der Antrag zur Gesetzesänderung von der Landesregierung liegt schon seit Langem vor. Wir hatten die Beratungsmöglichkeiten, und Sie haben sie nicht genutzt. Insofern möchte ich durchaus kritisieren, dass wir wiederum so einen Last-Minute-Antrag präsentiert bekommen. Dies möchte ich vor allem vor dem Hintergrund kritisieren, dass der vorgelegte Gesetzentwurf durchaus überschaubar und in seiner Tragweite problemlos abschätzbar ist; es ist also kein großes und kompliziertes Gesetzgebungsverfahren, sondern letztlich eine sehr klare Vorlage mit einer sehr eindeutigen Stoßrichtung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Ganster, ich habe mir zur Vorbereitung der heutigen Beratungen noch einmal Ihre abwägenden Worte aus der ersten Beratung durchgelesen. Es gab ein ge

wisses Hin und Her, und im Ausschuss kam von Ihnen wenig Inhaltliches, Sie haben sich der Stimme enthalten, und heute kommt dieser Änderungsantrag, der vorher so noch gar nicht im Gespräch war. Inhaltlich spricht gegen den Änderungsantrag, dass er die Gleichbehandlung der Auszubildenden nicht erreicht, die wir als Koalition beabsichtigen und die so auch von der Regierung eingebracht wurde, und dass er hinter dem zurückbleibt, was wir vorschlagen. Insofern können wir dem inhaltlich auch nicht folgen.

Abschließend möchte ich festhalten, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen weiteren Schritt tun, um mehr politische und gesellschaftliche Teilhabe für junge Menschen zu erreichen. Davon wird uns auch nicht abbringen, dass die Opposition in diesem Haus nicht bereit ist, diesen Schritt mit uns zu gehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich darf weitere Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt aus Monsheim. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die Landesregierung hat nun Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte mich zunächst einmal sehr herzlich bedanken, dass – bei aller Unterschiedlichkeit in der Debatte – dennoch eine grundsätzliche Übereinstimmung spürbar ist, dass wir mehr tun müssen, um bei jungen Menschen die Bereitschaft für gesellschaftspolitische Weiterbildung zu stärken.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Bracht.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU – Ministerpräsident Beck: Das war dummes Zeug, das lohnt nicht!)

Leider ist es akustisch bei mir immer noch nicht richtig angekommen, Herr Bracht, aber wenn Sie sich jetzt schon erschrecken, wenn ich von „grundsätzlicher Übereinstimmung“ spreche, dann irritiert mich das ein wenig. – Ich habe soeben deutlich gemacht, ich bin zumindest bis eben von einer grundsätzlichen Übereinstimmung ausgegangen.

Frau Dr. Ganster, Sie führen als Kritik an, es sei eine noch nicht befriedigende Inanspruchnahme, und ich nehme an, dass Sie – so wie andere auch – sicherlich

das Gespräch mit den Betroffenen gesucht und gehört haben, dass zum Beispiel der Landesjugendring sagt, dass genau diese Ausweitung des Anspruchs ein Beitrag dazu ist, die Maßnahmen der gesellschaftspolitischen Bildung attraktiver zu machen. Insofern gehen wir heute einen Schritt hin zu einer Attraktivitätssteigerung und damit hoffentlich auch hin zu einer erhöhten Inanspruchnahme.

Ich möchte dies gern an einem Punkt verdeutlichen. Natürlich geht es auch um die Unterstützung von Jugendlichen in unseren Schulen, auch in der berufsbildenden Schule, zum Beispiel durch den Wirtschaftskunde- oder den Sozialkundeunterricht. Aber jeder, der in seiner eigenen Biografie irgendwann einmal eine gesellschaftspolitische Maßnahme wahrgenommen hat, der weiß, dass man es nicht vergleichen kann, ob es in der Woche ein oder zwei Stunden Sozialkunde gibt oder ob man den Jugendlichen ganz andere Formate ermöglicht, um sich komplexe Themen anzueignen; denn genau dies ist eben die Aufgabe dieser gesellschaftspolitischen Freistellung, und deswegen brauchen wir sie aus meiner Sicht, um jungen Menschen diese motivierenden Angebote machen zu können.

Es kommt noch eines hinzu, und dazu stehe ich, und deshalb muss man bei Inanspruchnahmen auch immer Relationen bilden: Es fördert gerade die jungen Menschen, die ehrenamtlich aktiv sind, die in der Gewerkschaftsjugend tätig sind, in einem Umweltverband, in einem kirchlichen Verband oder in einem caritativen Verband, da ihnen diese gesellschaftspolitische Freistellung ermöglicht, ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten zu reflektieren.

Wenn wir diese Gruppe der besonders Engagierten mit diesem Gesetz unterstützen, dann wäre es im Übrigen das allein schon wert, es auf den Weg zu bringen.

Wenn schließlich befürchtet wird, es könnte ein Problem für die Ausbildung sein, dann weise ich darauf hin, die Arbeitgeberseite ist sich an dieser Stelle in der Tat nicht so einig. Es gibt durchaus auch Arbeitgebervertreter, die zur Kenntnis nehmen, dass, wenn solche Ansprüche im allgemeinbildenden System viel besser realisiert werden können, es auch ein Beitrag zur Attraktivitätssteigerung der dualen Ausbildung sein kann, wenn entsprechende Freistellungsansprüche in diesem Gesetz verankert werden.

Ich sage Ihnen noch einmal, wir bewegen uns mit dem Umfang und mit der Wartezeit vollständig im Rahmen dessen, was andere Länder an dieser Stelle gestaltet haben.

Sie haben danach gefragt, welche Maßnahmen wir betreiben werden, um die Inanspruchnahme zu erhöhen. Ich habe Ihnen gesagt, schon die Ausgestaltung des Angebotes wird eine solche Maßnahme sein, aber wir wollen vor allen Dingen jetzt, wenn das Gesetz verabschiedet ist – davon gehe ich aus, und darüber würde ich mich auch sehr freuen –, zusammen mit dem Landesjugendring, zusammen mit den anerkannten Trägern der Weiterbildung, zusammen mit den Verbänden, die es ganz besonders betrifft, eine Öffentlichkeitsarbeit leisten, in der wir auf diese neuen Chancen hinweisen,

und auch dies wird aus meiner Sicht zu einer erhöhten Inanspruchnahme führen.

Aber ich sage Ihnen noch einmal, der Erfolg dieses Gesetzes bemisst sich nicht allein in Quoten der Inanspruchnahme, sondern er bemisst sich vor allen Dingen daran, dass es neue, attraktive Angebote der gesellschaftspolitischen Weiterbildung gibt, und dies ist vor allem für diejenigen jungen Menschen ein ganz besonders wichtiges Signal, die diese Angebote wünschen und die sich schon heute besonders engagieren. Deswegen bitte ich noch einmal sehr herzlich um Ihre Unterstützung.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Somit kommen wir zur Abstimmung. Zuerst stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/1893 – ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Vielen Dank. Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.