Protokoll der Sitzung vom 15.06.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Justizminister, wir müssen feststellen, dass in diesem Fall ein Pferd von hinten aufgezäumt wird. Es gibt keine Bürgerbeteiligung. Ohne jegliche Vorwarnung oder ohne jegliche Sachprüfung wurde von oben herab diktiert, dass das OLG Koblenz nicht mehr existieren soll. Das ist entgegen all Ihrer Zusagen ein Schlag ins Gesicht der Justiz.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wäre schon eine ganze Menge. Dann kommt dazu, dass mit Schreiben vom 7. Juni 2011 der Justizminister der dritten Gewalt auch noch einen Maulkorb verpasst, indem er sagt, dass sich die Justiz in diesen Sachen nicht zu äußern hätte. Die Justiz folgt diesem glücklicherweise nicht.

(Beifall der CDU – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Am 9. Mai 2011 – Frau Brede-Hoffmann, ich nehme nur einige Dinge heraus, weil ich glaube, dass Sie es nicht gelesen haben – gibt es eine gemeinsame Erklärung von Richterrat, Präsidium und Personalrat. Zitat: Es ist nach wie vor nicht ein einziger tragfähiger und sachlicher Grund dafür zu erkennen, warum ausgerechnet die Schließung des großen und zentral gelegenen Oberlandesgerichts in Koblenz, die von den Koalitionsparteien ausdrücklich bekräftigte Bürgernähe sowie die Stärkung der Justiz als dritte Gewalt gewährleisten soll. Das Unverständnis und die Enttäuschung bei den Mitarbeitern über die völlig überraschende und bislang in keiner Weise überzeugend erläuterte politische Standortentscheidung sind nach wie vor riesengroß. –

Am 13. Mai 2011 findet – Herr Hartloff, zunächst waren Sie mehr im Pulk, Sie sind aber erkannt worden – eine Demonstration in Koblenz mit mehreren Tausend Beteiligten statt, und zwar erstmalig in meiner politischen Karriere auch unter Beteiligung derer, die es betrifft, die nämlich als Richter, Staatsanwälte und Justizangestellte arbeiten. Das war eine Demonstration gegen Ihre Ankündigung, ohne sachlichen Grund das OLG Koblenz infrage zu stellen.

Die Handwerkskammer sammelte über 400 Unterschriften. Es gibt Resolutionen aller Kreistage, Verbandsgemeinderäte und Stadträte. Eine Region macht mobil. Es entzündet sich eine bundesweite Solidarität. Ein Verein gründet sich, in dem auch ein Herr Schulte-Wissermann – bekanntlich nicht unserer Couleur –, ehemaliger Oberbürgermeister von Koblenz, den Vorsitz übernimmt, um insgesamt gegen diese Vorgehensweise vorzugehen. Warum?:

1. Koblenz gilt als traditionell alter Justizstandort.

2. Ministerpräsident Beck lobte diesen Justizstandort ausdrücklich, als er bei der Einweihung des neuen Justizzentrums von einer Stärkung der Justiz in Koblenz sprach.

3. Es ist schlichtweg den Menschen nicht zumutbar, alleine in Familiensachen, die in der zweiten Instanz dann in Zweibrücken verhandelt werden müssen, von Altenkirchen bis nach Zweibrücken zu fahren, um bürgernahe juristische Entscheidungen zu bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dagegen wehren wir uns.

(Zurufe von der SPD)

Jetzt kommt es. Der Schrei geht auf. Ich könnte noch zitieren, wer in Koblenz geredet hat. Das ist ganz inte

ressant. Es wurde nämlich keiner aus dem Justizbereich ausgenommen.

Dann wird in der „Rhein-Zeitung“ eine Überschrift gewählt, nachdem Herr Hartloff endlich erkannt hat, dass er einmal mit den Menschen dort reden müsse. Darin steht: Hartloff bewegt sich nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann er auch nicht, weil er nämlich gar kein Konzept hat. Er bewegt sich nicht, weil er kein Konzept hat und nicht weiß, was er will. Er kann nicht sagen, wie viele Stellen verändert werden sollen, wie eine bürgernahe Justiz, Herr Anwaltskollege, aussehen soll und überhaupt keine Grundlagen darlegen kann.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage mich als einer derjenigen, der auch in den letzten fünf Jahren diesem Hohen Hause angehört und so manches erlebt hat, was die rheinland-pfälzische Justiz bewegt hat: Warum wird eine solche Entscheidung über die Köpfe der Betroffenen und gegen jegliche Logik getroffen?

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Frau Brede-Hoffmann, ja, die hat sich bewegt.

Herr Ministerpräsident, ich sage Ihnen, was ich glaube, was es ist. Es wird ein Rückspiel betrieben. Ihnen hat es nicht gepasst, dass sich die rheinland-pfälzische Justiz gegen Sie aufgelehnt hat, als es um Personalentscheidungen ging, die falsch waren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der wirkliche Grund.

(Beifall der CDU)

Herr Hartloff, damit wir es rundmachen, darf ich am Ende noch die Kleine Anfrage des Kollegen Wilke zitieren, damit Sie nicht hinterher sagen, das sei alles schöngeredet.

Ich nehme nur den Schluss: „Die Beantwortung der Fragen 5 bis 7 ist maßgeblich abhängig von der konkreten Ausgestaltung der geplanten Zusammenführung. Diese wird sich an den Vorschlägen orientieren, die von der eingangs erwähnten Arbeitsgruppe erarbeitet werden, und dem Gang des parlamentarischen Verfahrens.“

(Frau Klöckner, CDU: Wo sind die Einsparungen? Keine Einsparungen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Offenbarungseid. Hier wird einfach etwas ohne Sinn und Logik beschlossen. Das lassen wir uns nicht gefallen.

(Beifall der CDU)

Herr Behnke, es gibt eine Stelle, die im Übrigen auch in Ihrem Koalitionsvertrag noch einmal ausdrücklich gelobt wird. Darin steht – ich zitiere –: „Der Landesrechnungshof ist ein wichtiger Ratgeber zur Umsetzung der Konsolidierung. Die Zusammenarbeit soll weiter intensiviert

werden. Die Landesregierung wird Möglichkeiten prüfen, die Expertise des Rechnungshofs verstärkt frühzeitig zu nutzen. Das Rechnungshofgesetz wollen wir fortentwickeln.“

Verehrter Herr Kollege Hartloff, verehrter Herr Ministerpräsident, wir reichen Ihnen hiermit ausdrücklich die Hand.

(Beifall der CDU)

Wir wollen, dass der Landesrechnungshof anhand von Fakten und von Grundlagen sowie von einem Konzept, Herr Hartloff, das ich heute an dieser Stelle von Ihnen erwarte, klar und deutlich durchdekliniert, was es den Menschen und der Justiz bringt, wenn wir hier eine Veränderung vornehmen.

Ich sage bewusst: Gegen eine Veränderung, die zielführend ist, war die Union noch nie. – Dies ist keine Veränderung, die zielführend ist. Dies ist blanker Populismus und eine Revanche gegen die Justiz in Koblenz. Das akzeptieren wir nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Hoch.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in der vergangenen Wahlperiode im Landtag mit den Stimmen aller Fraktionen einvernehmlich eine Schuldenbremse beschlossen. Ich glaube, wir sind auch einvernehmlich der Meinung, dass die Sanierung der öffentlichen Haushalte die vordringlichste Aufgabe ist, die wir haben, um die politischen Gestaltungsmöglichkeiten auch für die kommenden Generationen zu wahren.

Zur Konsolidierung werden alle Bereiche, auch die Justiz, ihren Beitrag leisten. Das wird überall schmerzhaft sein. Ich weiß auch aus eigener Betroffenheit, dass wegen der geringen Größe des Justizhaushalts und der besonders hohen Personalkostenquote dies dort als besonders schmerzlich empfunden werden wird.

Herr Baldauf, wenn Sie die öffentliche Wahrnehmung perpetuieren, dass in Koblenz ein Standort im Sinne einer Werksschließung geschlossen werden soll, ist das infam; denn Sie tun das wider besseres Wissen.

(Beifall der SPD)

Wenn Menschen das in Koblenz so empfinden, weil sie selbst betroffen sind, und aus einer Angst vor Arbeitsplatzverlust und -veränderung so agieren und vielleicht

etwas falsch verstehen, dann ist das noch nachvollziehbar.

(Licht, CDU: Falsch verstehen! Das müssen Sie den Juristen dort einmal erklären!)

Ich bedauere, dass in der öffentlichen Wahrnehmung ein solcher Eindruck entstanden ist, es gäbe künftig keinen Standort eines Oberlandesgerichts und einer Generalstaatsanwaltschaft mehr in Koblenz. Herr Baldauf, Sie wissen das, deswegen sagte ich „wider besseren Wissens“. Ich komme an anderer Stelle noch einmal darauf zurück.

(Licht, CDU: Ja! Ja!)

Ich sage deshalb für die SPD-Fraktion ganz deutlich, damit keine Missverständnisse aufkommen: Eine Schließung eines Standorts in Koblenz war und ist nicht beabsichtigt. Das ist es, was viele im Kern bewegt.

Sie haben selbst – auch das unseriöserweise – das Beispiel der Familiensenate gebracht, obwohl der Justizminister sich dazu gerade öffentlich geäußert hat. Deswegen geht dieses Beispiel besonders fehl. Wenn Sie es hier bringen, ist das kein besonderer Beweis von Seriosität.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dann sind Sie auf die Bürgernähe der Justiz in Rheinland-Pfalz eingegangen. Ich glaube schon, zwei Standorte eines Oberlandesgerichts können in einem kleinen Land wie Rheinland-Pfalz durchaus ein Ausweis von Bürgernähe sein. Wir haben uns klar dazu bekannt, die Justizstrukturen in der Fläche und damit eine bürgernahe Justiz zu erhalten.