Protokoll der Sitzung vom 15.06.2011

Ich erteile Frau Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich will in der gebotenen Kürze der vorgegebenen Zeit auf vier Punkte eingehen.

1. Was haben wir getan?

2. Warum haben wir es getan?

3. Was haben wir nicht getan?

4. Was werden wir noch tun?

Was haben wir getan? Wir haben mit Schreiben vom 12. April 2011 an die Schulaufsicht verfügt, dass der weitere Abschluss von Vertretungsverträgen vorübergehend durch das Ministerium genehmigt werden muss. Die meisten bestehenden Vertretungsverträge waren von dieser Überprüfung nicht betroffen; denn allein rund 1.600 Vertretungsverträge laufen über die Schulferien hinweg und, sofern erforderlich, auch sechs Wochen nach den Schulferien. Daran haben wir nichts geändert. Wir haben genauso wenig etwas an dem Projekt Erweiterte Selbstständigkeit geändert, bei dem die Schulen selbst die Vertretungsverträge abschließen.

In dieser Zeit der Überprüfung sind uns 120 Fälle vorgelegt worden. Diese haben nicht wochenlang im Ministerium gelegen. Den, der nach 36 Stunden nicht entschieden war, müssten Sie mir noch zeigen. Von diesen 120, die uns vorgelegt worden sind, sind 60 % genehmigt worden. Das haben wir getan, nicht mehr und nicht weniger.

Warum haben wir das gemacht? Wir haben es gemacht, weil die Vertretungsmittel seit dem Jahr 2007 unablässig ansteigen. Es ist von mehreren darauf hingewiesen worden. Sie sind um rund 10 Millionen Euro im Jahr gestiegen. Dies geschieht scheinbar unabhängig davon, wie die strukturelle Unterrichtsversorgung ist. Das galt es aus unserer Sicht zu überprüfen, weil der Bildungsbereich in diesem Land mit steigender Tendenz in den letzten Jahren 50 % des Landespersonals verantwortet und 40 % der Ausgaben dieses Landes. Spätestens an dieser Stelle wird die Argumentation der Opposition mehr als unglaubwürdig.

Wenn abstrakt immer gesagt wird, das Land soll noch mehr einsparen, dann ist das nicht realistisch, wenn man nicht bereit ist, im Bildungsbereich hinzuschauen, ob das Geld vernünftig ausgegeben wird. Das haben wir an dieser Stelle getan.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es kam ein weiterer Vorwurf, nämlich dass wir das nach der Landtagswahl machen. Ja, das mache ich nach der Landtagswahl, weil ich nämlich soeben beauftragt worden bin, diesen Bereich in den nächsten fünf Jahren zu verantworten. Selbstverständlich heißt für mich verantworten in der Schule, zeitgemäße Antworten zu finden. Die Vorzeichen für manche Antworten haben sich verändert.

Wir werden in diesen fünf Jahren erleben, dass die Schülerzahlen zurückgehen.

(Frau Thelen, CDU: Auf einmal haben sie sich verändert?)

Wir werden neue Aufgaben hinzubekommen. Ich nenne nur den weiteren Ausbau der Ganztagsschulen. Ich nenne das große Thema der Inklusion. Wir wollen pädagogische Verbesserungen umsetzen, mit kleinen Klassen insbesondere in den Grundschulen. Der Lehrerarbeitsmarkt wird sich sukzessive verändern. Das zeichnet sich ab. Wir wollen die Unterrichtskontinuität und die Einstellungsbedingungen verbessern. Auch die Schuldenbremse verpflichtet uns dazu, besonders sorgfältig zu prüfen, wie wir das Geld ausgeben. Das sind die veränderten Vorzeichen.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Was sind denn das für andere Vorzeichen?)

Die muss man am Anfang einer Legislaturperiode auf den Tisch legen. Die muss man neu gewichten. Dann muss man auch bereit sein, neue Antworten zu finden. Das tun wir an dieser Stelle.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Was also nicht stimmt und was wir nicht getan haben, ist, es gab keinen Stopp für Vertretungsverträge. Es ist niemandem gekündigt worden oder ein Vertrag vorzeitig beendet worden. In der Tat sind Vertretungsverträge aber befristet. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch einmal etwas sagen, wenn Sie hier die soziale Dimension ansprechen, Frau Dickes, auf die ich noch einmal zurückkomme.

(Baldauf, CDU: Ja bitte!)

Wann entsteht ein Vertretungsbedarf? Ein Vertretungsbedarf entsteht, wenn eine Lehrkraft krank wird – bedauerlich –, wenn eine Lehrkraft schwanger wird – erfreulich –, wenn sich Lehrerinnen und Lehrer Elternzeit teilen – erfreulich – und wenn Lehrerinnen und Lehrer von den großzügigen Beurlaubungsregelungen im öffentlichen Dienst Gebrauch machen, um Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Dann entsteht Vertretungsbedarf.

Eines muss hier doch auch völlig unbestritten sein. Wenn diese Menschen aus der Krankheit oder aus der Beurlaubung zurückkommen, dann haben sie ein Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst, möglichst an die Schule, an der sie vorher waren, mindestens aber an eine nahe Schule. Das kann man nur gewährleisten, wenn Verträge befristet sind. Man muss immer die bei

den Seiten sehen: die Situation der Vertretungskräfte, aber auch die Situation der festangestellten Lehrerinnen und Lehrer, die ein Recht darauf haben, nach Rückkehr wieder adäquat eingesetzt zu werden. Das ist der Befristungsgrund.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Baldauf, CDU: Das stimmt aber doch nicht!)

Dann will ich noch ein Zweites hinzufügen, weil auch da völlig falsche Dinge behauptet wurden. In RheinlandPfalz wird der Großteil der Verträge über die Sommerferien und bis sechs Wochen nach den Sommerferien abgeschlossen. Wir haben hier vor einigen Jahren eine Regelung im Sinne der Betroffenen gefunden. Unser Durchbezahlen der Sommerferien ist übrigens im Bundesländervergleich eine vorbildliche Regelung. In Baden-Württemberg gab es bisher überhaupt keine, und in Hessen und im Saarland sind sie deutlich schlechter als bei uns. Auch das gehört zur Wahrheit. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn wir überprüfen, dann gibt es auch Betroffene, die Sorge haben, ob sie noch einmal einen Vertrag bekommen werden. Ich komme darauf gleich noch einmal zurück. Ich will Ihnen aber eines in aller Deutlichkeit sagen, weil mich das schon während des Wahlkampfes sehr geärgert hat. Mir vorzuhalten, ich solle mich um die Betroffenen kümmern, wo ich Jahr und Tag hier stehe und gegen Ihre pauschalen Angriffe die Vertretungslehrerinnen und -lehrer verteidigt habe, das finde ich schon bemerkenswert. Wenn Sie den Beleg wollen, noch am 8. Dezember 2010 sagte Frau Klöckner in einer Presseerklärung, ein großer Teil des Vertretungsunterrichts werde von rund 4.000 nicht ausreichend qualifizierten Vertretungskräften gehalten. So viel zu Ihrer Einstellung zur wertvollen pädagogischen Arbeit der Vertretungskräfte.

(Starker Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Frau Klöckner, gestern die Leute auf völlig unqualifizierte Art und Weise zu diskreditieren und heute die Hüterin der Interessen von Vertretungslehrerinnen und Vertretungslehrern sein zu wollen, das geht nicht zusammen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das gehört zu diesen Themen, bei denen ich Ihnen schon beim letzten Mal gesagt habe, wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Was werden wir tun?

(Baldauf, CDU: Sie hat sich sehr bemüht!)

Wir haben von Anfang an gesagt, so schnell wie möglich soll die Zuständigkeit für die Vertretungsverträge wieder

zur Schulaufsicht, zur ADD, zurück. Dort ist sie seit 6. Juni. Die ADD kann für das kommende Schuljahr in vollem Umfang planen. Sie hat dafür auch klare Planungsgrößen. Wir haben ihr für den Zeitraum nach den Schulferien 30 Millionen Euro für Vertretungsverträge zur Verfügung gestellt. 12 Millionen Euro sind bereits gebunden. 18 Millionen Euro stehen für den Abschluss neuer Verträge zur Verfügung.

Wir haben einen Vertretungspool von 200 Planstellen auf den Weg gebracht. Auch ich sage, das ist ein kleiner Einstieg, aber ich sage Ihnen eines – auch an die Adresse der GRÜNEN –: Wissen Sie, was wir erleben werden? – Dieser Vertretungspool funktioniert nur, und nur dann können wir den Vertretungskräften bessere Konditionen anbieten, wenn bei den Betroffenen die Bereitschaft besteht, innerhalb von drei Jahren mehrfach die Schule zu wechseln – davon gehe ich aus –, aber auch nur dann, wenn die Schulgemeinschaft bereit ist, das mitzutragen, dass zu wechseln ist. Auch davon gehe ich noch aus. Dann muss noch hinzukommen, dass die CDU-Opposition nicht jeden Einzelfall, in dem eine Lehrkraft wechseln muss, skandalisiert; denn dann funktioniert der Vertretungspool nicht mehr. Wir werden genau das noch erleben. Ich prognostiziere es Ihnen schon heute.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dennoch gehen wir an das Thema heran, weil es einen Beitrag dazu leisten kann, dass tatsächlich mehr Kontinuität in das Vertretungsgeschäft kommt und es für die Betroffenen auch bessere Konditionen sind.

Noch einmal: Ich sehe auch wirklich die Situation der Vertretungslehrerinnen und Vertretungslehrer, ich sage aber auch dazu, es gibt Perspektiven in diesem Land. Es gibt in der Tat die Vertretungslehrerinnen und -lehrer, die uns jetzt geholfen haben, die noch kein Zweites Staatsexamen hatten. Das ist immer stark gegeißelt worden. Sie werden in der Regel eine Chance im Referendariat haben, weil wir hier die Kapazitäten ausgeweitet haben. Es gibt die, die eine pädagogische Tätigkeit ein Jahr lang wahrgenommen haben. Die bekommen einen Bonus von 0,2, damit sie bessere Einstellungschancen auf Planstellen haben. Es gibt seit neuestem den Vertretungspool, und es gibt auch in Zukunft eine Vielzahl von Vertretungsverträgen im Umfang von 30 Millionen Euro.

Die Wahrheit ist auch – die Situation der Betroffenen wirklich sehend –, auch vor dem letzten Schuljahresbeginn wussten die Leute acht Wochen vorher noch nicht alle, ob sie Verträge bekommen, was damit zusammenhängt, dass wir bis heute noch gar nicht wissen, ob wirklich alle Lehrerinnen und Lehrer, die wir eingeplant haben, am ersten Schultag auch erscheinen werden, weil es Krankheit gibt, weil es auch andere Tatbestände gibt und weil es immer im Laufe der Sommerferien noch Veränderungen gegeben hat.

Eines ist klar, die Schulaufsicht hat die Handlungsmöglichkeiten. Ich will an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen – auch das ist etwas Neues –, die CDU lobt die Schulaufsicht. Wie oft habe ich mich hier rechtfertigen

müssen, wenn ein Vertretungsvertrag nicht rechtzeitig verschickt worden ist, was das für ein Laden wäre. Wenn das Ergebnis dieser Debatte ist, dass die CDUOpposition in Zukunft die Arbeit der Schulaufsicht und von Vertretungslehrkräften mehr wertschätzt als bisher, wäre wenigstens das ein positives Ergebnis.

(Starker Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Kollegin Dickes. Sie haben anstatt zwei Minuten drei Minuten Redezeit.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Danke. Kein Beifall. Das ist die Geschäftsordnung.

Das erleichtert das Reden ungeheuerlich.

Herr Ministerpräsident, haben wir Sie richtig verstanden, dass Sie in Ihrem Zwischenruf sagten, wer solche Briefe wie die verzweifelte Witwe schreibt, sollte nicht an unseren Schulen unterrichten? Ich hoffe nicht.

(Ministerpräsident Beck: Ich habe keinen Zwischenruf gemacht!)

Frau Ministerin, auf Ihre Argumentationen und Unterstellungen einzugehen, hieße Fakten und auch Menschen zu ignorieren. Sie haben unzählige Behauptungen aufgestellt, was wir wann wie gesagt und gemeint hätten, wen wir gelobt und wen wir beschimpft hätten. Ich mag sie gar nicht alle aufzählen, weil sie einfach nicht stimmen.