Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

dazu: Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses – Drucksache 16/2243 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/2256 –

Zunächst wird Frau Abgeordnete Raue die Berichterstattung übernehmen.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Das Gesetz zur Weiterentwicklung von Justizvollzug, Sicherungsverwahrung und Datenschutz ist ein umfangreicher Gesetzentwurf, der den gesamten Vollzug von Strafhaft, Untersuchungshaft und Jugendstrafvollzug, den Vollzug der Sicherungsverwahrung sowie den dazugehörigen Datenschutz regelt.

Dieses Gesetzgebungsvorhaben unterliegt wegen der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben zur Siche

rungsverwahrung einem zeitlich sehr straffen und ambitionierten Verfahren.

Der Gesetzentwurf des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz wurde den Fraktionen Ende letzten Jahres zugeleitet. Der Landtag hat den Entwurf in seiner Plenarsitzung vom 31. Januar dieses Jahres an den Rechtsausschuss überwiesen. Dieser hat das Gesetz in vier Sitzungen im Januar, Februar, März und April beraten.

Die Sitzung vom 26. Februar war einem Anhörverfahren gewidmet. Zu diesem Verfahren waren auch die Mitglieder der Strafvollzugskommission eingeladen.

Am 19. März ist der Rechtsausschuss zusammengekommen, um eine Auswertung der Anhörung durchzuführen. Die abschließende Beratung hat der Rechtsausschuss dann in seiner 22. Sitzung am 18. April vorgenommen.

In dieser Sitzung haben sowohl die Fraktion der CDU als auch die regierungstragenden Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN umfangreiche Änderungsanträge vorgelegt. Im Ausschuss fand der Änderungsantrag der Fraktion der CDU keine Mehrheit.

(Pörksen, SPD: Gott sei Dank!)

Die von den regierungstragenden Fraktionen eingebrachten und beschlossenen 23 Änderungen der Regierungsvorlage finden Sie in der Beschlussempfehlung, die Ihnen als Drucksache 16/2243 vorliegt.

Wesentlicher Bestandteil der Änderungsvorschläge der Koalition ist die Neuregelung der Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge sowohl in Artikel 1, der sich mit dem Justizvollzug beschäftigt, als auch gleichlautend in Artikel 2, dem Vollzug der Sicherungsverwahrung.

Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Parlament mehrheitlich mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der CDU die Annahme des Gesetzentwurfs mit den von den Koalitionsfraktionen im Ausschuss beschlossenen Änderungen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank.

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Wilke das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 31. Januar fand die erste Lesung dieses Gesetzes statt, das wir heute

endgültig verabschieden wollen. Zum Einstieg meiner Rede möchte ich an eine Formulierung des Kollegen Heinisch anknüpfen; denn er sagte damals am Ende seiner Rede, ich zitiere: „Wir brauchen Gefangene, an deren Vollzugsende kein ‚Auf Wiedersehen!‘ steht, sondern Gefangene, denen wir sagen können ‚Lebt wohl!‘ und die es dann auch tun.“

Ja, genauso will die CDU das auch. Häftlinge, die nicht mehr rückfällig werden, sind der größte Gewinn für die Gesellschaft und nebenbei auch für den Finanzminister.

(Beifall der CDU und bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Strafvollzug muss eine Brücke in ein straffreies Leben bauen. Allerdings über den richtigen Weg, der dahin führt, sind wir auch nach den Ausschussberatungen noch unterschiedlicher Ansicht.

Ja, Ihr Änderungsantrag hat die Differenzen leider eher noch vertieft, als sie einzuebnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot und Grün. Die CDU bedauert im Übrigen, dass es keinerlei Bemühen der Koalition für einen Konsens gab; denn es wäre meines Erachtens eine Sache von Rot-Grün gewesen, auf uns zuzugehen, aber da ist nichts passiert.

Wie passt das zu der Ankündigung der Frau Ministerpräsidentin, die Opposition stärker einzubinden? Ich hätte sie gerne heute danach gefragt, aber leider ist sie wie bei der ersten Lesung des Gesetzes jetzt auch bei der zweiten Lesung wieder nicht im Hause.

Damit ist eine große Chance vertan; denn vielleicht hätte es doch einen Weg gegeben, zu einer Gemeinsamkeit zu kommen, wie es zum Beispiel im Saarland gelungen ist, sogar bei dem Reizthema „Arbeitspflicht“.

Zur Würdigung des Gesetzes im Einzelnen. Zuerst möchte ich auf die positiven Aspekte eingehen, deren Zahl gegenüber der ersten Lesung zumindest nicht weniger, allerdings auch nicht mehr geworden ist.

Erstens – das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt –: Das Übergangsmanagement wird gestärkt. – Ich wiederhole mich und will das ausdrücklich auch heute noch einmal betonen: Keine Partei hat in diesem Landtag so früh und intensiv das Thema „Übergangsmanagement“ beackert, wie es die CDU-Fraktion getan hat.

(Beifall der CDU)

In allen Haushaltsdebatten der letzten Jahre war uns das ein zentrales Anliegen. Wir müssen Strukturen schaffen, die gewährleisten, dass nicht an der heikelsten Stelle, nämlich der Zeit unmittelbar nach der Entlassung des Gefangenen, er in Freiheit in alte Gewohnheiten oder in das alte Umfeld abrutscht und alle Mühe im Vollzug am Ende umsonst war.

Das Gesetz schafft hierfür eine sehr ordentliche Grundlage, die nun aber mit Leben erfüllt werden muss, heißt auch – da wende ich mich an den Herrn Finanzminister,

der aber leider auch nicht anwesend ist –, dass es uns etwas kosten wird.

(Pörksen, SPD: Sie treiben sie alle aus dem Saal!)

Das zeigt, wie hochwertig dieses Thema von der Landesregierung angesehen wird.

(Pörksen, SPD: Seien Sie etwas vorsichtig!)

Zweitens: Der Langzeitausgang oder Hafturlaub für die lebenslänglich Verurteilten wird künftig wie bisher erst nach zehn Jahren möglich sein. Herr Minister Hartloff, Sie haben damals, letztes Jahr im Frühjahr, mit der Idee Ihres brandenburgischen Kollegen der Linkspartei geflirtet, das schon nach fünf Jahren zuzulassen.

(Pörksen, SPD: So etwas auch noch!)

Darüber waren Opferverbände und die Öffentlichkeit zu Recht empört. Auch wir haben damals erklärt, nicht mit uns. Jetzt steht es nicht mehr im Gesetz. Das finden wir gut.

(Beifall der CDU)

Drittens: Neben dem Drogenmissbrauch, zu dem ich später komme, ist das Einschmuggeln und das Benutzen von Mobiltelefonen im Strafvollzug ein großes Problem. Hierfür schafft das neue Gesetz eine vernünftige Rechtsgrundlage, das effektiv zu bekämpfen. Wir hatten das von der CDU schon 2008 in Form eines Gesetzentwurfes eingebracht. Die SPD-Mehrheit hat es damals abgelehnt. Jetzt haben wir diese Regelung doch. Damit sind wir sehr zufrieden.

So viel jetzt einmal zum Positiven.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Herr Pörksen, dass Sie jetzt mit solchen Aussagen kommen, ist mir klar, das ist logisch.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Lieber Herr Pörksen, liebe Kolleginnen und Kollegen, viel länger ist aber die Mängelliste, erst recht nach dem, was die Koalition als Änderungsantrag in den Rechtsausschuss eingebracht hat und danach im Ausschuss dazu gesagt hat.

Mein erster Punkt ist: Die Zusammenfassung von Erwachsenen-, Jugendstrafvollzug und U-Haftvollzug in einem Gesetz ist überflüssig und kontraproduktiv. In der Anhörung im Ausschuss hat sich gezeigt, sowohl Wissenschaftler wie auch Vollzugspraktiker lehnen das ab. Was sagen die Praktiker? – Sie sagen, das Gesetz wird dadurch unübersichtlicher und schwerer zu handhaben. – Was sagt der Wissenschaftler, der meines Wissens von der SPD-Fraktion benannt worden war? – Für den Jugendstrafvollzug bringt das eine deutliche Verschlechterung mit sich.

Sie von Rot-Grün haben natürlich nun versucht, in Ihrem Änderungsantrag das eine oder andere nachzubessern, aber ob damit wirklich allen Bedenken von Herrn Profes

sor Bock Rechnung getragen worden ist, kann ich nicht beurteilen. Das ist eine nach wie vor offene Frage. Hätten wir mehr Zeit für die Beratung gehabt, hätte man das genauer untersuchen können.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann hätte man auch eine vernünftige Evaluation des Jugendstrafvollzugs machen und deren Ergebnisse einfließen lassen können. Aber, verehrte Kollegen – ich habe es schon in der ersten Lesung gesagt –, Ihre Gesetzgebung im Schweinsgalopp hat das unmöglich gemacht. Es reicht nämlich nicht aus, im Februar auf den letzten Drücker einen Bericht zur Evaluation vorzulegen, ohne dass wir die Möglichkeit haben, ihn auch mit Experten zu diskutieren.