Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Ich darf in dem Zusammenhang auch erwähnen, dass heute in Potsdam und in Schwerin über die Vollzugsgesetzgebung beraten wird. Beide Länder sind im Verbund auch mit Rheinland-Pfalz, was eine Regelung in einem Gesamtpaket anbelangt.

Meine Damen und Herren, schon die Reform des Strafvollzugs Ende der 60er-Jahre und in den 70er-Jahren hat eine Prämisse klargemacht: Wegsperren alleine genügt nicht. – Ich freue mich deshalb, dass wir uns in dem Ziel einig sind, dass wir den Strafvollzug so ausrichten müssen, Gefangene zu befähigen, nach ihrer Haft ein straffreies Leben zu führen, und ihnen die Chance zu geben, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Deshalb ist Resozialisierung, ist Behandlung und Therapie, frühe Vorbereitung auf das Leben nach der Haft so eminent wichtig.

Es ist auch Kernbestandteil des neuen Gesetzes, dass wir die Therapie, die Behandlung und das Übergangsmanagement für die Zeit nach der Haft neu regeln. Hier schafft das Gesetz verbesserte Voraussetzungen, um die Maßnahmen, die es in der Anstalt gibt, die natürlich auch etwas kosten, noch effektiver auf den Bedarf und auf das Ziel der Resozialisierung abzustimmen.

Ich nenne hier das Diagnoseverfahren. Es wird sehr intensiv festgestellt, was die Ursachen und Umstände einer Straftat sind. Es geht um die Persönlichkeit des Gefangenen und um die Lebensverhältnisse. Es geht in der Vollzugs- und Eingliederungsplanung auch um die Frage, welche Maßnahmen sinnvoll sind, damit sich am Ende der Haft ein Resozialisierungserfolg einstellen kann.

Es gilt, Gefangene zu motivieren, zu fördern und auch herauszufordern, sich der Behandlung zu stellen. Wir wissen, dass nur dann, wenn es uns gelingt, die Haftzeit zu nutzen, um in der Arbeit mit den Gefangenen beispielsweise die Suchtproblematik zu bekämpfen, um Verhaltensänderungen durch Einsicht in das begangene Unrecht oder durch soziale und Psychotherapie zu bewirken, soziale Kompetenz zu trainieren, für Arbeit zu qualifizieren und auf die Arbeitswelt vorzubereiten, bes

sere Chancen bestehen – das zeigt die Praxis ganz deutlich –, Rückfalltaten zu vermeiden.

Der Staat hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Eine konsequente Resozialisierung dient dem Opferschutz in hohem Maße.

Meine Damen und Herren, wir stehen zum Wegfall der Arbeitspflicht, nicht, weil wir den Gefangenen ein angenehmes Leben in den Justizvollzugsanstalten ermöglichen wollen, sondern aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitspflicht schlicht und ergreifend ins Leere geht. Die Arbeitspflicht besteht de facto schon heute nicht mehr.

Gefangene wollen arbeiten, zum einen, weil sie damit ein Stück weit der Langeweile in den Anstalten begegnen, zum anderen, weil sie sich ein bisschen was für den Einkauf in der Anstalt hinzuverdienen können.

Schon heute reichen die Arbeitsmöglichkeiten in den Anstalten nicht aus, um alle Bedarfe zu decken. Wir haben es neulich wieder im Petitionsausschuss erlebt. Es treten Gefangene an den Bürgerbeauftragten heran, die uns deutlich machen, dass sie schon längere Zeit Arbeit beantragt haben und es nicht genügend Arbeitsmöglichkeiten in den Einrichtungen gibt. Meine Damen und Herren, das ist die Realität.

Das sehen wir auch darin, dass in der Untersuchungshaft überhaupt keine Arbeitspflicht besteht. Dennoch wollen Untersuchungsgefangene arbeiten, um ihren Tagesablauf zu strukturieren.

Ich meine, deshalb ist die Sorge der Strafvollzugsbediensteten unbegründet, dass wir bei einem Wegfall der Arbeitspflicht die Betriebe reduzieren würden, dass wir den Werkdienst reduzieren. Diese Sorge halte ich für unbegründet. Das Gegenteil ist der Fall. Wir brauchen Arbeitsmöglichkeiten in den Einrichtungen. Wir brauchen Arbeitstherapie und Arbeitstraining für die, die erst noch befähigt werden müssen, wieder zu arbeiten, die lange arbeitslos waren, die eine Suchtproblematik haben. Da brauchen wir entsprechende Möglichkeiten und deshalb auch Betriebe und Werkstätten in den Einrichtungen.

Wer Arbeit allerdings als Strafe versteht, steht im Widerspruch zu den europäischen Strafvollzugsgrundsätzen, im Widerspruch auch zu unserer Rechtsprechung. Die Strafe des Gefangenen liegt allein im Freiheitsentzug.

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das ist die gerechte und verdiente Strafe. Aber sie beschränkt sich eben auf den Freiheitsentzug. Deshalb verzichtet das Gesetz auf eine vielleicht populäre – das mag sein – Pflicht zum Arbeiten. Wir verzichten bewusst darauf, weil diese Pflicht nicht relevant ist. Sie ist schlicht und ergreifend nicht notwendig, weil Gefangene arbeiten wollen.

Meine Damen und Herren, von ungemein hoher Bedeutung für einen Resozialisierungserfolg des Gefangenen ist es, wie wir ihn auf die Zeit danach vorbereiten. Ich möchte noch einmal ausdrücklich unterstreichen, dass das Übergangsmanagement, die frühe Einbindung der

Bewährungshilfe, der Führungsaufsicht in die Vollzugsgestaltung äußerst sinnvoll ist und von uns unterstützt wird.

Wenn sich Gefängnistore öffnen, beginnt zwar die Freiheit, vielfach aber auch die Problematik, wohin, zu wem soll ich gehen. Mit welchen Mitteln kann ich meinen Alltag bestreiten? Deshalb ist es wirklich sinnvoll, früh damit anzufangen, die Zeit danach zu organisieren.

Wir wissen auch, dass die Zeit in der Haft bedeutend ist, was gerade die sozialen Kontakte zum eigenen Umfeld anbelangt. Da muss es unsere Aufgabe sein, dass ein Gefangener sein soziales Umfeld, seine sozialen Kontakte zur Familie erhalten kann. Deshalb haben wir den Änderungsvorschlag vorgelegt, um die Besuchszeiten gerade für Kinder und Jugendliche von Gefangenen um zwei Stunden zu erweitern. Das war bisher für Kinder bis 14 Jahren geregelt. Das wollen wir aufstocken für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren, also zwei weitere Stunden im Monat.

Wir wollen es auch Vätern ermöglichen, in Einzelfällen mit ihren Kindern bis zu drei Jahren in einer Anstalt gemeinsam untergebracht zu werden. Das hat mediales Interesse gefunden.

(Zurufe der Abg. Frau Huth-Haage und Meurer, CDU)

Es ist dennoch wichtig zu sagen, es geht um ganz wenige Einzelfälle, wenn das Kind keine andere Bezugsperson mehr hat, wenn es keine Sicherheitsbedenken gibt, wenn die baulichen Gegebenheiten es zulassen, wenn der Aufenthaltsbestimmungsberechtigte dem zustimmt, wenn das Jugendamt keine Bedenken hat. Meine Damen und Herren, das sind wirklich Einzelfälle. Wir haben ganz wenige Mütter, für die das zutrifft, die auch außerhalb von Rheinland-Pfalz in Einrichtungen sind.

Was für Mütter gilt, kann und soll auch für Väter gelten. Das ist jedenfalls unser Rollenverständnis.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Fazit darf ich feststellen: Die Föderalismusreform und die Gesetzgebungskompetenz in den Ländern hat sich bewährt. Es hat eben nicht zu einem Wettbewerb der Schäbigkeiten geführt. Wir können mit unserem Gesetz wirklich sagen, dass wir unsere Hausaufgabe gemacht haben. Wir haben das Abstandsgebot zwischen Sicherungsverwahrung und Strafhaft beachtet. Wir haben die Zwangsmaßnahmen mit unserem Änderungsantrag noch einmal an die geltende Rechtsprechung angepasst.

(Glocke des Präsidenten)

Es besteht deshalb Grund, diesem zukunftsweisenden Gesetz zuzustimmen. Das werden wir gerne tun.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Kollegen Heinisch das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein modernes Gesetz für den Strafvollzug, den Jugendstrafvollzug und den Vollzug der Untersuchungshaft, das wir heute beschließen werden.

Das neue Justizvollzugsgesetz setzt konsequent auf die Wiedereingliederung der Gefangenen. Ziel des Vollzugs ist die Befähigung zu einem Leben ohne weitere Straftaten. Der entscheidende Fortschritt dieses Gesetzentwurfs sind die vielen Bestimmungen, die genau auf dieses Ziel hinweisen, beispielsweise die Aufnahme- und Diagnoseverfahren, differenzierte Vollzugs- und Eingliederungsplanungen, aber auch ein geregeltes Übergangsmanagement.

Diese und weitere positive Neuerungen waren bereits Thema, als wir den vorliegenden Regierungsentwurf im Januar im Plenum zum ersten Mal beraten haben. Mit den Änderungen, auf die sich die rot-grünen Fraktionen der Koalition verständigt haben, erreichen wir einige sinnvolle Weiterentwicklungen dieser Regierungsvorlage.

Dazu gehört auch, dass die Gefangenen ein Wahlrecht haben, wenn für die Erreichung des Vollzugsziels mehrere gleich gut geeignete Maßnahmen zur Verfügung stehen. Das bedeutet eine weitere Ausgestaltung des Grundsatzes, dass die Vollzugspläne gemeinsam mit den Gefangenen entwickelt und nicht verordnet werden sollen.

Eine Stärkung der Mitwirkung erreichen wir auch, wenn wir vorsehen, dass die Interessenvertretungen der Gefangenen einbezogen werden sollen, wenn Hausordnungen erlassen oder geändert werden. Wir wissen aus dem Petitionswesen, welche Bedeutung diese Bestimmungen in den Hausordnungen für den Alltag im Vollzug haben.

Unsere besondere Aufmerksamkeit verdient die Situation, wenn Eltern zu Gefangenen werden. Die Koalitionsfraktionen haben sich darauf verständigt, nicht nur für die unter 14-Jährigen, sondern für alle Minderjährigen erweiterte Besuchszeiten vorzusehen.

Bereits nach der bestehenden Rechtslage ist es möglich, unter 3-jährige Kinder gemeinsam mit ihren Müttern in einer Vollzugsanstalt unterzubringen. Dazu möchte ich grundsätzlich klarstellen, dass niemandem daran gelegen sein kann, Kinder in Justizvollzugsanstalten unterzubringen. Es sollte vielmehr im Gegenteil versucht werden, alles daran zu setzen, solche Konstellationen zu vermeiden. Das sollten wir auf jeden Fall so einfordern.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kann aber auch Fälle geben, in denen die Inhaftierung mit einer Trennung von der wichtigsten Bezugsperson verbunden wäre. Unter diesen Voraussetzungen soll

künftig auch die Möglichkeit bestehen, kleinste Kinder gemeinsam mit ihren Vätern unterzubringen.

(Frau Schäfer, CDU: Sie widersprechen sich!)

Bei diesen Entscheidungen steht immer eine Abwägung an. Das Wohl des Kindes steht im Mittelpunkt.

Zwei weitere Änderungen sehen Übernahmen von Bestimmungen aus dem bestehenden Jugendstrafvollzugsgesetz vor, die künftig für alle Gefangenen gelten sollen. Das bezieht sich einerseits auf die Möglichkeit, Waren über den Versandhandel zu beziehen, und andererseits übernehmen wir eine Bestimmung, wonach kulturelle Angebote und Freizeitangebote auch an Wochenenden angeboten werden sollen.

Damit haben wir darauf geachtet und alles dafür getan, dass die bestehenden Bestimmungen des Jugendstrafvollzuggesetzes nicht zum Nachteil der Gefangenen verändert werden. Im Gegenteil, auch für den Jugendstrafvollzug sieht das neue Gesetz sinnvolle und gute Änderungen vor, die für den bestehenden Jugendstrafvollzug noch nicht geregelt sind. Wir dehnen sinnvolle Bestimmungen auf alle Vollzugsformen aus.

Das Ergebnis der Beratungen ist eine Bestätigung des Entwurfs der Landesregierung in seinen Grundlinien und mit den darin enthaltenen zentralen Neuerungen. Ergebnis ist aber auch eine sinnvolle Ergänzung und Weiterentwicklung, worauf sich die Koalitionsfraktionen verständigt haben.

Abschließend möchte ich noch auf die Kritik und die Änderungswünsche der Fraktion der CDU eingehen. Sie sagen, wir hätten Sie nicht entsprechend eingebunden, und wir wären nicht auf Sie zugekommen. Wir haben Ihnen vor der Beratung im Rechtsausschuss unsere Änderungsanträge zugestellt. Wir haben sie Ihnen zukommen lassen. Ihre Änderungsanträge haben wir über eine Presseinformation erhalten. Das war auch nur so, weil wir zufällig die Möglichkeit hatten, an diese Informationen zu kommen. Das ist eine Frage des Dialogs, wendet man sich unmittelbar mit den Vorschlägen, die man hat, aneinander oder kommuniziert man über die Presse.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zudem möchte ich noch auf die Frage der Zusammenfassung der Gesetze für unterschiedliche Vollzugsformen eingehen. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass man den Jugendstrafvollzug, den Vollzug der Untersuchungshaft und den Erwachsenenvollzug in einem Gesetz regeln kann, wenn wir die Bestimmungen entsprechend differenzieren und wenn für die jeweiligen Bereiche die passenden Regelungen gelten. Wir müssen dann nicht unbedingt drei Gesetze haben, sondern dann ist es gut möglich, das in einem Gesetz zusammenzufassen. Wie gesagt, wir haben in jedem Fall darauf geachtet, dass es keine Veränderungen zum Nachteil irgendwelcher Gefangener gibt.

Ich kann keinen einleuchtenden Grund erkennen, warum Sie heute unbedingt an dem bestehenden Jugendstrafvollzugsgesetz festhalten wollen, gegen das Sie 2007

gestimmt haben, wie ich den Protokollen des Landtags entnehmen konnte.