Damals waren Sie dagegen und haben flammende Plädoyers gehalten. Heute sagen Sie, wir dürfen das nicht durch ein Gesetz ablösen, welches viele Verbesserungen für den Bereich bringt.
Zum Wegfall der Arbeitspflicht wurde bereits viel gesagt und geschrieben. Aber wenn wir damit Ernst machen wollen, die Gefangenen auf ein straffreies, selbstbestimmtes Leben in Freiheit vorzubereiten, dann können wir nicht auf Druck und Zwang setzen, sondern dann sind Motivation und Freiwilligkeit der richtige Weg, weil der Vollzug auf Freiwilligkeit und Freiheit abzielt.
Befremdlich empfanden wir den Vorschlag der CDU, eine unangekündigte Überwachung von Gesprächen und Telefonaten zu erlauben, und zwar auch mit Personen außerhalb des Vollzugs. Geradezu indiskutabel war der Änderungsantrag, die Kontrolle des Briefwechsels der Gefangenen mit ihren Strafverteidigerinnen und -verteidigern zumindest landesrechtlich möglich zu machen. Die grüne Landtagsfraktion lehnt solche Angriffe auf rechtsstaatliche Standards ab. Wir lehnen die Änderungsanträge der Fraktion der CDU ab.
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Dr. Wilke, Einigkeit in wichtigen Grundsätzen und engagierter Streit über wichtige Details – das ist gute parlamentarische Praxis.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Beratung des Gesetzes bei allen Fraktionen und will noch einmal auf einige Punkte eingehen.
Landesgesetz zur Weiterentwicklung von Justizvollzug, Sicherungsverwahrung und Datenschutz. Justizvollzug heißt dann Jugendstrafvollzug, Untersuchungshaft und Erwachsenenstrafvollzug. Das ist insgesamt ein anspruchsvolles Paket der Gesetzgebung für den Strafvollzug im Land Rheinland-Pfalz.
Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Dr. Wilke, bin ich mit den beiden letzten Vorrednern einer Meinung, dass das ein sinnvoller und mutiger Weg, ein ambitioniertes Vorhaben ist, die Regelungen des Strafvollzugs in Rheinland-Pfalz in einem Gesetz zusammenzufassen und das inhaltlich mit Vorschriften auszugestalten, die dem heutigen Stand entsprechen. Insofern glaube ich, ist die Landesregierung, sind wir mutiger in der Frage, wie man das gestaltet, als Sie mit Ihrem abweichenden Entwurf, der das nur aufteilen möchte. Ich halte diesen Weg für richtig und zukunftsweisend.
Lassen Sie mich zunächst das Ziel – ich glaube, da sind wir einig –, das in § 2 des Gesetzes festgeschrieben ist, wiederholen, damit wir wissen, über was wir reden. Ziel und Aufgabe des Vollzugs der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe sind dort formuliert: „Der Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe dient dem Ziel, die Strafgefangenen und die Jugendstrafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.“ Der Strafvollzug „hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.“ Das ist eine einfache und kurze Beschreibung für eine schwere Aufgabe. Das ist eine Aufgabe, die uns alle, die im Strafvollzug tätig sind, vor Herausforderungen stellt.
Ich will eines zu den Herausforderungen sagen. Herr Dr. Wilke, Sie haben das angesprochen, als es um die Frage von Mitwirkung ging. Manche Gefangene wollen nicht mitwirken, sind schwierig zu motivieren, haben eine sehr schwierige Vita hinter sich, verweigern sich jeglicher Maßnahme.
Die Gefahr im realen Vollzug ist doch für Gefangene im Vollzugsalltag, dass sie eigentlich nicht selbstständiger werden, sondern verunselbstständigt werden. Ich will Ihnen dieses komische Wort einmal nennen. Es wird aufgesperrt, es wird zugesperrt, es werden Zeiten zugeteilt, es wird ihnen gesagt, was sie machen müssen etc. Den gleichen Gefangenen – Sie haben Herrn Heinisch eingangs Ihrer Worte zitiert, Herr Dr. Wilke – wollen wir Lebewohl sagen und nicht auf Wiedersehen, wenn wir sie entlassen.
Das fordert aber, dass sie im Lebensalltag später selbstständig sind und sie selbstständig handeln können. Deshalb brauchen wir – daher haben wir das im Gesetz gemacht – eine Verbesserung des Übergangsmanagements. Das ist keine Frage. Wir brauchen dafür auch gesellschaftliche Ressourcen, damit das gelingen kann. Wir wissen gleichwohl, dass der Erfolg im Sinne von Sozialarbeit auch sein kann, dass die Rückfälligkeit vielleicht wegen eines geringer schweren Deliktes, vielleicht statt nach einem halben Jahr nach zwei Jahren oder nach drei Jahren ist.
Wir sind natürlich froh, wenn es gelingt, jemanden so zu resozialisieren, dass er Boden unter die Füße bekommt, weil er unsere Sprache gelernt hat, weil er einen Abschluss im Gefängnis gemacht hat, weil er eine Arbeit hat, weil er oder sie in einer Arbeitsstelle unterkommt. Gefangene sind aber zumeist männlich. Bei über 3.000 in Rheinland-Pfalz sind keine 10 % Frauen.
Da nur nebenher der kleine Satz: Ich verstehe nicht die Aufregung über die Frage, dass man gesagt hat, sowohl bei Frauen als auch bei Männern kann es im Ausnahmefall möglich sein, dass Kinder bis zu drei Jahren mit den Eltern bzw. mit dem Elternteil zusammenbleiben kön- nen. – Das ist die absolute Ausnahme. Das muss das Jugendamt gut finden, andere müssen das gut finden, und es muss die Möglichkeit geben. Warum sollen wir dann nicht Mann und Frau gleich behandeln?
Vorkommen wird das ohnehin ganz selten. Niemand von uns will, dass Kinder im Strafvollzug sind. Das ist doch überhaupt keine Frage, also behandeln Sie das bitte nicht anders, als es ist – ein ganz kleiner minimaler Ausschnitt, über den wir uns auch im Zusammenhang mit Strafvollzug unterhalten.
(Frau Huth-Haage, CDU: Das ist eine Frage des Kindeswohls und nicht der Gleichstellung! – Genau. Es ist eine Frage des Kindeswohls, und genau nach diesem Kindeswohl wird das im Einzelfall ent- schieden, und nicht nach einer anderen Frage. (Starker Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
(Pörksen, SPD: Das ist doch eine reaktionäre Verhaltensweise! Das ist ja schrecklich! – Frau Schmitt, SPD: Wundert dich das? – Pörksen, SPD: Nein!)
Lassen Sie mich auf Punkte kommen, die vielleicht in dem Gesamtkontext auch deutlich wichtiger sind als die Frage: Gibt es eine Arbeitspflicht oder nicht? – Ich will den Kollegen Heinisch und Sippel ausdrücklich zu den Abwägungen zustimmen, die Sie da gemacht haben und die uns bewogen haben zu sagen, nein, man muss das nicht gesetzlich normieren.
Ja, das Land wird sich nach wie vor intensiv darum bemühen, dass vernünftige Arbeitsmöglichkeiten in den Gefängnissen vorhanden sind, im Rahmen der Eigenbetriebe, im Rahmen von Fremdbetrieben. Wir investieren darin, dass wir vernünftige Arbeitsbedingungen haben in Wittlich, in Zweibrücken, aber auch in den Bereichen, in denen wir erst einmal anlernen, in denen wir Ausbildung machen oder in denen die Mitarbeit für den Vollzug selbst notwendig ist, beispielsweise in den Küchen, bei der Geländepflege oder anderen Fragen.
Das ist selbstverständlich. Das wird selbstverständlich sein. Die Gefangenen wollen das auch, weil es den Tag strukturiert, weil man Geld verdienen kann und es eine Aufgabe im Vollzug ist – aber eben neben der Therapie. Wichtig ist das Vollzugsziel.
(Frau Thelen, CDU: Warum hören Sie nicht denen zu, die im Dienst stehen und Ihnen sagen, was ihnen wichtig ist?)
Ich habe mit denen sehr wohl diskutiert und auch zugehört. Nur nicht alles, was die an geprägtem Bild von früher mitbringen, muss richtig sein.
Nicht nur manchen Bediensteten zuliebe kann man die gesetzliche Normierung von der Pflicht der Arbeit machen, sondern weil wir das gesellschaftlich definieren.
Was ist denn auf der Höhe der Zeit? Bloß weil es immer so war, oder wie entwickeln wir Strafvollzug nach heutigen Ansprüchen? Da steht eben Arbeit als e i n Element da, und ansonsten müssen wir probieren, mit den Strafgefangenen so zu arbeiten, dass das Ziel der Resozialisierung möglichst erreicht wird, nicht mehr und nicht weniger.
Meine Damen und Herren, und das im Übrigen bei der Ausrichtung, wie ich kriminalpolitisch erreichen kann, dass möglichst wenige wieder rückfällig werden, und wie ich die Ressourcen, die knapp sind, die ich dafür habe, möglichst zielgerichtet einsetzen kann: bei der Polizei, im Strafvollzug, bei der Resozialisierung, bei der Bewährungshilfe, bei dem Übergangsmanagement, in allen Bereichen. – Da sollte man sich nicht – da ist die Arbeitspflicht ein Teil – ideologiemäßig bewegen, sondern man sollte sich ideologiefrei anschauen, was vernünftig ist. Dann schauen wir einmal, wie sich das in der Bundesrepublik und in Europa auch nach europäischen Grundsätzen entwickelt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind mit unserer Gesetzesgrundlage hier auf dem richtigen Weg. Wir sind auf dem richtigen Weg, dass wir Opferschutz in etlichen Paragrafen deutlich mehr in den Mittelpunkt der Betrachtungsweise gerückt haben, als das früher in den gesetzlichen Grundlagen der Fall war.
Wir sind auf dem richtigen Weg, dass wir dem Datenschutz hier ein ganzes Kapitel gewidmet, ihn erstmalig aufgenommen und ein Regelwerk zugrunde gelegt haben, das Anwendung finden kann.
Herr Dr. Wilke, wenn Sie bei einem ganz kleinen Teilaspekt, nämlich der Frage, wann man bei lebenslangen Häftlingen eventuell eine Frage der Beurlaubung oder des Freigangs möglich machen kann, meinen sagen zu müssen, da hat der Minister mit seinem Kollegen in Brandenburg geflirtet, weil da eine rot-rote Koalition das macht und der Minister bei der LINKEN ist, es wurde damals der sogenannte Zehner-Entwurf vorgestellt. Zehn Länder haben da mitgearbeitet. In dem Entwurf war das vorhanden. Ich habe gesagt: Lassen Sie uns
einmal darüber wertfrei sprechen, und ich schaue, was wir in unserem Gesetzentwurf machen. – Ich habe in unserem Gesetzentwurf das nicht übernommen und habe eine andere Regelung vorgeschlagen. Aber dass alle Justizministerinnen und Justizminister sich ernsthaft hierüber Gedanken machen und dann Regelungen übernehmen oder nicht übernehmen, wie sie sie für sinnvoller halten, das ist Gott sei Dank an der Sache orientiert, und dann macht zur gleichen Zeit im Saarland eine Koalition aus SPD und CDU einen Gesetzesbeschluss, der die Arbeitspflicht abschafft, so wie zur gleichen Zeit in Brandenburg der Gesetzentwurf diskutiert wird – Herr Sippel hat darauf hingewiesen –, in Mecklenburg-Vorpommern auch und wo dann ein größeres Paket ähnlich dem unseren verabschiedet wird.
So falsch können die Überlegungen auch von anderen nicht erachtet werden, die da umgesetzt werden. Herr Dr. Wilke, Sie haben das auch in etlichen Punkten gesagt.
Ich will die Debatte nicht zu sehr in die Länge ziehen, obwohl mir noch manches auf der Zunge liegen würde, das sich zu vertiefen lohnt. Ich will herausstellen, für die Sicherungsverwahrung in Rheinland-Pfalz stellen wir mit diesem Gesetz den Rechtsrahmen dar, nachdem uns im letzten Jahr erst im Dezember auf der Bundesebene die entsprechende Gesetzesgrundlage zur Verfügung gestellt wurde. Wir können im Sommer mit der neuen Anstalt in Diez dann auch die ordnungsgemäße Aufnahme der Behandlung in der Sicherungsverwahrung entsprechend vollziehen.
Wenn Sie vorhin Freiburg und eine Zelle mit 14 Quadratmetern angesprochen haben, ja, ich glaube, dass auch 14 Quadratmeter in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts verfassungskonform sein können. Das ist überhaupt keine Frage, weil ich davon ausgehe, es kommt auf das Gesamtkonzept an, wie Sicherungsverwahrung vollstreckt wird.
In diesem Kontext – vielleicht haben Sie es nicht verstanden, obwohl wir es dreimal gesagt haben – halte ich es gerade für sinnvoll, dass wir in Rheinland-Pfalz 15 Quadratmeter normieren, weil der Neubau in Diez über größere Zellenräume verfügt und wir diese Ansprüche damit rechtssicherer machen, als sie ohne eine solche Definition im Gesetz wären. Denn Sie wissen auch, dass es in der Bundesrepublik Gerichte gibt, die selbst definieren wollen, wie groß Zellen sein müssen oder welche Mindestanforderungen zu stellen sind. Hätten wir den Neubau nicht, würden wir es vielleicht anders machen. So ist es aber wesentlich sinnvoller, dies im Gesetz festzuschreiben, um nach Möglichkeit rechtssicheres Terrain zu haben. Diesen Ansprüchen stellen wir uns im Vollzugsalltag.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, Ihnen für die Diskussion zu danken. Ich glaube, dass die Vorschläge, die die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterbreitet haben, wie das Gesetz noch ergänzt und verändert werden kann, dem Gesetz und den Möglichkeiten, die wir darin haben, gut tun. Auch will ich meinen Mitarbeitern für die Vorbereitung danken und nenne stellvertretend Herrn Abteilungsleiter Meiborg.
Natürlich ist mit einem neuen Gesetzespaket für alle, die sich neu einlesen müssen, ein gewisses Maß an Arbeit verbunden. Aber es ist der Maßstab, der für die nächsten Jahre maßgeblich sein wird, damit der Strafvollzug in Rheinland-Pfalz so weiterentwickelt werden kann, wie es hier gute Tradition ist, nämlich fortschrittlich. Das waren wir in Rheinland-Pfalz im Strafvollzug schon vor hundert Jahren. Das wollen wir auch heute sein.