Protokoll der Sitzung vom 22.06.2011

(Frau Klöckner: Herr Kühl, sprechen Sie am Schluss? – Staatsminister Dr. Kühl: Herr Schreiner wollte mich nicht vorlassen! – Frau Klöckner, CDU: Das stimmt überhaupt nicht!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schreiner musste anscheinend so ein bisschen argumentativ die Kohlen aus dem Feuer holen. So habe ich das zumindest verstanden, weil das, was Sie gesagt haben, und das, was Frau Klöckner gesagt hat, schon interessant ist. Bei Frau Klöckner war mein Notizzettel einfach leer. Wo waren die Vorschläge? Wo waren die Inhalte? Wo wollen Sie denn etwas in dieses Plenum einbringen?

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Außer Allgemeinfloskeln haben Sie nichts gebracht. Herr Schreiner, denken Sie einmal an die Haushaltsberatungen 2011 zurück. Ich bin jetzt schon ein paar Jahre im Haushalts- und Finanzausschuss. Da gab es immer unterschiedliche Vorschläge, dass wir sparen. Aber was war konkret? Inhalte? Wir haben immer festgestellt: Fehlanzeige. –

(Frau Klöckner, CDU: Neues Ministerium!)

Jetzt ging es los. Wir haben gedacht, Sie werden 2011 Inhalte bringen. Wieder nichts.

(Bracht, CDU: Lassen Sie doch Ihre Märchen endlich!)

Deshalb haben wir einfach einmal zusammengezählt, was Sie denn so gebracht haben: Globale Minderausgaben. – Sie haben dabei festgestellt, dass die Polizei, die Hochschulen, die Schulen,

(Baldauf, CDU: Lehrer!)

die Bildung allgemein, die Fachhochschulen, die Wasserschutzpolizei, und, und, und nicht beteiligt werden sollen. Sie haben den größten Teil des Landeshaushalts einfach ausgeklammert, aber laut getönt, es muss gespart werden.

(Glocke der Präsidentin – Frau Klöckner, CDU: Und Sie haben die Regierung ausgeklammert!)

So geht das nicht. Ich freue mich auf die Debatte zum Haushalt 2012, wenn es um Ihre konkreten Vorschläge geht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Herr Staatsminister Dr. Kühl das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will ein paar Anmerkungen machen. Ich muss mich nicht so ausführlich fassen, wie ich das vorhatte, weil vieles schon gesagt worden ist.

Ich kann Ihnen von der CDU-Fraktion eines dennoch nicht ersparen: Nachdem Herr Schreiner geredet hat, habe ich gedacht, es ist immer noch nicht verstanden, was Herr Hering und Herr Steinbach zur rechtlichen Situation bereits ausgeführt haben. Noch einmal:

Erstens ist ein Nachtragshaushalt verfassungsgemäß nicht erforderlich.

Zweitens wäre es verfassungsrechtlich nicht unproblematisch, wenn wir in dieser Situation einen Nachtragshaushalt vorlegen würden.

(Frau Klöckner, CDU: Ja, für Sie!)

Nach der Landeshaushaltsordnung hat die Regierung die Aufgabe, in ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, ob ein Nachtrag vorgelegt wird oder nicht. Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, wird mir der Jurist Baldauf jetzt sagen.

Das ist auch irgendwann dem Bundesverfassungsgericht aufgefallen. Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht – übrigens schon 1977, und seitdem gibt es eigentlich keinen Streit mehr darüber, außer bei der rheinland-pfälzischen CDU-Fraktion – folgende Konkretisierung formuliert:

Hat der Gesetzgeber den Haushaltsplan durch Haushaltsgesetz festgestellt, so darf die Regierung bei der Ausgabe von Haushaltsmitteln die Haushaltsansätze nicht überschreiten. Erweisen sie sich als zu gering, oder ergeben sich sachliche Bedürfnisse, die das Haushaltsgesetz überhaupt nicht berücksichtigt hat, dann besteht für die Regierung die verfassungsrechtliche Pflicht, eine Änderungsvorlage einzubringen. –

Der Verfassungsgesetzgeber sagt: Du m u s s t, wenn du Mehrausgaben hast, die über das sogenannte Notbewilligungsrecht – das ist im rheinland-pfälzischen Haushalt mit fünf Millionen Euro festgelegt – hinausgehen. – Er sagt auch: Du k a n n s t, wenn du Mindereinnahmen hast, einen Nachtragshaushalt machen, du s o l l s t es aber nicht, sondern du sollst gefälligst den Haushalt des Parlamentes vollziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Sie liegen definitiv nicht vor. Deswegen beabsichtige ich, mich verfassungskonform zu verhalten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Besonders interessant ist, dass Herr Schreiner noch nachgeschoben hat, dass er nicht nur mit einer nicht verfassungskonformen Anwendung des Nachtragshaushaltes hier agieren möchte, sondern darüber hinaus einen vermeintlich schon nicht verfassungsgemäßen Haushalt damit korrigieren will.

Dann bemühen Sie – auf mehr Füßen kann ein Vergleich nicht hinken – das Verfassungsgerichtsurteil in Nordrhein-Westfalen. Stichwort: Sie wissen, dort ist ein Nachtragshaushalt im Dezember beklagt worden, und er ist unter anderem deswegen beklagt worden, weil man sich gefragt hat, ob diese Mehrausgaben noch in das alte Haushaltsjahr gedrängt werden müssen.

Das ist eine völlig unvergleichbare Situation mit dem hypothetischen Konstrukt, das Sie hier versuchen aufzumachen. Aber wichtiger ist, Sie versuchen darzulegen, es gäbe keine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Das ist nicht ganz einfach, wenn man sich auf jemanden beruft. Da habe ich mir gedacht, dann berufe ich mich auf die Bundesregierung.

Die Bundesregierung hat im Frühjahr 2011, zu dem Zeitpunkt, als diese Steuerschätzung war – es werden 350 Millionen Euro Steuermehreinnahmen für Rheinland-Pfalz erwartet –, festgestellt, dass die Unterauslastung des Produktionspotenzials in Deutschland 21 Milliarden Euro – das sind 0,9 % des Bruttoinlandsprodukts – beträgt.

Jeder weiß, Indikator für eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist die Frage der Auslastung oder Unterauslastung des Produktionspotenzials. Ich stütze mich hierbei gerne auf die Bundesregierung.

Im Übrigen empfehle ich Ihnen, die fünf Seiten nachzulesen. Wir haben bei der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes – steht in der Begründung unter A. – dargelegt, wie wir mit diesem Haushalt dieser Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts entgegenwirken wollen.

(Frau Klöckner, CDU: Ich empfehle den Rechnungshofbericht!)

Der Kollege Hering und der Kollege Steinbach haben sehr deutlich darauf hingewiesen – ich muss das hier nicht wiederholen –, dass keinerlei Vorschläge der CDUFraktion vorliegen, was Einsparungen oder Mehreinnahmen für den Haushalt angeht.

Es gibt einen Vorschlag aus dem letzten Haushaltsverfahren. Auf den komme ich gern zurück. Das ist das Spezialgebiet von Ihnen, Herrn Schreiner. Das wissen wir. Sie haben hier aber etwas anderes in Ihrem Antrag vorgeschlagen. Sie haben gesagt: Lasst uns doch hingehen und konsumtive in investive Ausgaben verwandeln. Das ist zunächst kein ungeschickter Vorschlag,

(Frau Klöckner, CDU: Ach!)

weil sich die Verfassungsgrenze an den Investitionen orientiert. Dann hätte ich von Ihnen aber gern gewusst, was Sie sich darunter vorstellen. Was schwebt Ihnen vor? Es hätte mich schon interessiert – Sie können es sich vielleicht überlegen –, was Sie sich vorgestellt haben, wenn Sie gesagt haben, weg von konsumtiven hin zu investiven Ausgaben.

Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele jeweils aus einem Politikbereich. Haben Sie sich überlegt, dass wir entgegen unserer Absicht, das Landesblindengeld im Landeshaushalt nicht anzugreifen, dies doch tun, also konsumtive Ausgaben abschaffen und dafür die EDVAusstattung beim Landesamt für Jugend und Soziales verbessern? Das wäre ein Wandel von konsumtiv zu investiv. Denken Sie an so etwas, oder denken Sie daran, die Personalausstattung der Polizei unter die vom Landtag verabredete Zielzahl von 9.014 Polizistinnen und Polizisten zu stellen?

Das wäre ein Abbau konsumtiver Ausgaben, um beispielsweise im gleichen Maße die Anschaffung von Polizeifahrzeugen zu erhöhen.

Denken Sie daran, Bedarfssätze und Freibeträge beim BAföG abzusenken? Das wäre ein Abbau von konsumtiven Ausgaben, um dafür beispielsweise die Laborein

richtungen zu verbessern. Sie müssen das schon sagen; so abstrakt ist das willfährig. Im Übrigen ist es problematisch, sich am kameralen Investitionsbegriff entlangzuhangeln.

Es gibt von Ihnen einen sehr konkreten Vorschlag. Sie sagen, etatisiert die Zuführungen zum Pensionsfonds nicht mehr in der Hauptgruppe 8, sondern als Zuschuss in der Hauptgruppe 6. Sie haben dieses Thema meines Wissens zum Ende der Legislaturperiode in fast jeder Plenarsitzung aufgegriffen.

(Baldauf, CDU: Weil Sie es nicht verstanden haben!)

Ich habe einmal nachgesehen: In der 105., in der 106., in der 109. und in der 110. Plenarsitzung, und damit war das allein im Januar und Februar viermal der Fall. Ihre Vorschläge – meistens von Herrn Schreiner vorgetragen – gingen in die unterschiedlichsten Richtungen. Einmal – wie jetzt auch – weg von der Hauptgruppe 8 hin zur Hauptgruppe 6. Ein anderes Mal haben Sie gefordert, setzt den Pensionsfonds aus, oder nehmt nur noch dann Zuführungen zum Pensionsfonds vor, wenn ihr keine Nettokreditaufnahme habt. Das widerspricht natürlich völlig dem Gesamtdeckungsprinzip von Einnahmen im Haushalt. Dann haben Sie vorgeschlagen, wir sollten keine Schuldscheindarlehen beim Pensionsfonds vom Land aus aufnehmen, sondern offensichtlich lieber in riskante Finanzmarktspekulationen gehen.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Das war ein einziges Tohuwabohu. Meines Wissens haben Sie im Dezember bei den Haushaltsberatungen vorgeschlagen – das war Ihr einziger konkreter Gegenfinanzierungsvorschlag –, den Pensionsfonds abzuschaffen.

Ich sage Ihnen noch einmal: Ihre Vorschläge sind entweder wohlfeil oder sie bringen fiskalisch überhaupt nichts. Da, wo Sie sich ein Stück weit bewegen müssten, wo sie ein Stück weit Flagge zeigen müssten und wo Sie ein Stück weit den Bürgerinnen und Bürgern erzählen müssten, wo Sie die Belastungen eines Konsolidierungsprozesses sehen, versagen Sie völlig.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich komme zum vorletzten Punkt, zu den Steuereinnahmen. Wir haben in diesem Haus schon mehrfach versucht, das zu erklären, aber wenn man es nicht verstehen will, versteht man es natürlich nicht. Die Steuereinnahmen des Landes Rheinland-Pfalz werden trotz verbesserter Steuerschätzung vom Mai 2011 am Ende des Jahres 2011 noch immer unter den Steuereinnahmen des Jahres 2008 liegen. Das ist kein singuläres Ereignis im Land Rheinland-Pfalz, sondern das passiert so auch in anderen Bundesländern und beim Bund.

Das bedeutet, dass die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise, die Rezession auf der Einnahmeseite noch massiv zu spüren sind. Das durchschnittliche Einnahmewachstum – die Durchschnittsbildung können Sie selbst vornehmen – lag in den vergangenen Jahren immer bei ca.

3 %. Es fehlen uns 10 % Steuereinnahmen. Diese 10 % Steuereinnahmen machen ungefähr 1 Milliarde Euro aus.

Eine andere Größe ist noch interessanter: Die von der schwarz-gelben Koalition verursachten Steuersenkungen der vergangenen Jahre haben im rheinlandpfälzischen Landeshaushalt im Schnitt zu Mindereinnahmen von 580 Millionen Euro und interessanterweise im Jahr 2011 von 663 Millionen Euro geführt.