Protokoll der Sitzung vom 06.06.2013

Herr Kollege Schweitzer, ich habe mich im Übrigen darüber gefreut, dass Sie den Bautarifvertrag genannt haben. Wir betreiben doch immer das Spiel: Wer ist nun derjenige, der es erfunden hat? – Dieser Tarifvertrag ist einmal unter einer schwarz-gelben Regierung entstanden, damals noch mit einer Allgemeinverbindlichkeit. Dass dieser Tarifvertrag für alle gilt, ist doch gut. Darüber sind wir doch froh, und darüber sind wir alle einer Meinung. Wir sind auch der Meinung, dass man es entsprechend bestrafen muss, wenn sich jemand nicht daran hält.

Lieber Herr Kollege Schweitzer, fraglich ist allerdings, ob ich jemanden bestrafen muss, der sich an einer Ausschreibung beteiligt, der diese Ausschreibung auch noch gewinnt und der danach merkt – solche soll es schließlich auch geben –, dass er es selbst gar nicht schafft. Wenn er daraufhin einen Nachunternehmer sucht, der das ausführt, was in der Regel vielleicht auch noch völlig in Ordnung ist, ist es doch nicht sinnvoll, dass ich ihn in die Haftung ziehe und ihn dafür verantwortlich mache, was hintendran passiert, obwohl er es doch eigentlich gar nicht kontrollieren kann. – Entschuldigung, das halte ich für einen Irrsinn. Deshalb müssen wir dort schon ein größeres Vertrauen in Unternehmerinnen und Unternehmer setzen, die auch saubere Angebote abgeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht bei diesen Ausschreibungen eben nicht immer darum, dass man den billigsten Anbieter nimmt, sondern im Gesetz steht, dass man den auskömmlichsten nimmt. Der Auskömmlichste ist der, der auch eine gewisse Erfahrung hat, der schon einmal etwas geleistet hat und bei dem man weiß, dass man sich darauf verlassen kann. Da hat sich vieles verschoben.

Faire Chancen am Arbeitsmarkt wollen wir auch, das haben Sie angeführt. Ich meine aber, faire Chancen am Arbeitsmarkt sind nicht dadurch zu regeln – vielleicht ergibt sich aus der Anhörung etwas anderes; ich sehe es aber im Moment nicht –, dass ich demjenigen Kleinunternehmer, der ein Angebot abgibt, vorher noch eine riesige Bürokratisierungswelle aufbürde, dass er mit 20 Dokumenten herumläuft, und wehe, er setzt an der einen oder anderen Stelle ein Kreuzchen falsch – das bekommen wir bei den Ausschreibungen alles mit –, dann ist er aus dem Rennen heraus. Das kann es nicht sein.

Von daher müssen wir doch schauen, dass wir es den Interessenten, die öffentliche Aufträge erhalten wollen, vereinfachen, sich zu bewerben, auch denjenigen, die nicht alle BWL studiert haben oder in irgendeiner Form schon einmal das Vergaberecht durchgezogen haben. Wir müssen es verbreitern, wir müssen es vereinfachen, vielleicht auch Hilfestellungen geben. Aber vom Gesetzlichen her halten wir es mit einem Tarifgesetz so, wie Sie

es gern möchten, für nicht zielführend. Sie dürfen uns aber gern in der Anhörung überzeugen.

(Beifall der CDU)

Wir sind die Letzten, die etwas dagegen hätten, wenn die Aufträge an diejenigen erteilt werden, die auch in unserer unmittelbaren Nähe sind, aber ein bisschen an Recht und Gesetz müssen wir uns schon halten. Das ist eben nicht europarechtskonform, das wissen Sie auch, und von daher müssen wir es so machen, dass es auch passt.

In diesem Sinne bin ich auf die Diskussion und die Anhörung gespannt. Lassen Sie es uns bitte in Rechtssicherheit klären und bitte auch ohne Bürokratie. Dann kann man über vieles reden, aber so bitte nicht!

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Es gibt einen Überweisungsvorschlag an den Wirtschaftsausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss. Wer dem zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen! – Damit ist dies einstimmig beschlossen.

Wir kommen nun zu Punkt 17 der Tagesordnung:

Mehr Selbstverantwortung an rheinland-pfälzischen Schulen Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1858 –

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung – Drucksache 16/2295 –

Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/2415 –

Zur Berichterstattung erteile ich dem Kollegen Marc Ruland das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch Beschluss des Landtags vom 13. Dezember 2012 ist der Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Mehr Selbstverantwortung an rheinland-pfälzischen Schulen“ – Drucksache 16/1858 – an den Ausschuss für Bildung überwiesen worden. Der Ausschuss für Bildung hat den Antrag in seiner 15. Sitzung am 10. Januar 2013, in seiner 17 Sitzung am 14. März 2013 und in seiner 18. Sitzung am 2. Mai 2013 beraten. In seiner 17. Sitzung am 14. März 2013 hat der Ausschuss für Bildung ein Anhörungsverfahren durchgeführt.

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet: Der Antrag wird angenommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Ruland.

Wir haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Frau Kollegin Brück von der SPD-Fraktion hat das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass unser Antrag heute nach einem halben Jahr intensiver parlamentarischer Behandlung beschlossen wird und der von uns beantragte Modellversuch dann ausgearbeitet werden und im Schuljahr 2014/2015 starten kann. – Es gibt schon Schulen, die darauf warten.

Die erste Beratung fand im Dezember-Plenum statt. Es gab eine interessante Anhörung und Auswertung, die uns in unserer Auffassung bestätigt. Wir sind gespannt, wie die CDU heute abstimmen wird, nachdem Frau Schneid gestern die Bedeutung von individueller Förderung aus unserer Sicht zu Recht besonders hervorhob.

Wir sehen das Thema der individuellen Förderung als ein zentrales Thema in der Bildungspolitik an. Deshalb ist es für uns auch so wichtig, einen Modellversuch zu etablieren, um in der Schulorganisation und in der Schulverwaltung, in der Methodik und Didaktik Dinge auszuprobieren, für die Freiräume wichtig sind. Dabei ist individuelle Förderung nichts Neues, sondern die originäre Aufgabe einer jeden Lehrkraft.

Unterrichtsqualität und neue Lehr- und Lernmethoden bzw. Lernprozesse entwickeln sich aber stetig weiter, und deshalb ist es wichtig und richtig, dass wir einen Modellversuch zum selbstverantwortlichen Arbeiten bieten, der diesen Weg der Selbstständigkeit auch vorbereitet. Wir wollen nämlich echte neue Wege der individuellen Förderung gehen und keine vermeintlichen Nachhilfeinstitute in den Schulen errichten, die als individuelle Förderung getarnt sind, wie es leider allzu oft mit den Budgets im Nachbarland getan wird.

Für uns bedeutet dies, dass wir an den Kompetenzen eines jeden Kindes anknüpfen, an dem, was ein Schüler bzw. eine Schülerin kann. Wir wollen alle Schülerinnen und Schüler zum bestmöglichen Abschluss führen und überhaupt zu einem Abschluss führen; denn auch die Schulabbrecherquote muss absolut reduziert werden. Deshalb hat es auch nichts mit Gleichmacherei oder mit Relativierung von Bildungsniveaus zu tun, wenn wir einen Modellversuch etablieren wollen, der die Noten durch Entwicklungsberichte ergänzt. Dies hat im Übrigen auch überhaupt nichts damit zu tun, dass wir erneut die Debatte um Kompetenzstufenzeugnisse führen; denn dies sind grundlegend unterschiedliche Dinge. Es ist

wichtig, einen Modellversuch zu etablieren, der das Sitzenbleiben und Abschulen durch individuelle Förderung überflüssig macht. Das ist keine bildungspolitische Sozialromantik oder Kuschelpädagogik, wie wir in den letzten Monaten oft von unseren neuen Ideen hören mussten, sondern Erfolge aus PISA-Siegerländern wie beispielsweise Kanada zeigen, dass das der richtige Weg ist.

In unserem Änderungsantrag haben wir auch die Schülerinnen und Schüler bei der Zustimmung für den Modellversuch mit aufgenommen, weil dies nur folgerichtig ist. Wenn wir im zweiten Punkt des Antrages mehr demokratische Beteiligungsmöglichkeiten bieten wollen, dann sollten wir die Schülerinnen und Schüler auch ernst nehmen und dies bei der Etablierung des Modellversuchs mit aufnehmen. Das haben die Schüler in der Anhörung berechtigterweise vorgebracht, und wir nehmen es gern auf. Wir nehmen nämlich unsere Schülerinnen und Schüler wirklich ernst.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Frage nach mehr Budgetverantwortung für die Schulen hat in der Diskussion gestern schon eine große Rolle gespielt. Dies ist ein wirklich wichtiger Punkt, und wir wissen aus dem vorangegangenen Schulentwicklungsprojekt „Selbstverantwortliche Schule“, dass dies auch ein zentraler Punkt ist, weshalb wir es in diesem neuen Modellversuch noch einmal etablieren wollen und die Schulen auf dem Weg zu mehr Selbstverantwortung auch für die Budgetverantwortung mit vorbereiten möchten. Es ist aber nicht der einzige Punkt; deswegen haben wir ihn auch mit vielen inhaltlichen Details unterfüttert.

Ein Modellversuch bietet aber auch bei der Budgetverantwortung die Möglichkeit, neue Wege auszuloten und eine verstärkte Mitsprache bei der Personalauswahl, zum Beispiel über neue Formen der schulscharfen Ausschreibung, einzuführen und die Schulen darauf vorzubereiten.

Zur individuellen Förderung gehört für uns selbstverständlich auch inklusiver Unterricht und die gruppenspezifische Förderung wie die geschlechtssensible Förderung von Jungen und Mädchen mit hinzu.

Es sind natürlich viele weitere Felder individueller Förderung denkbar und möglich.

Wir sind überzeugt, dass die hervorragende Arbeit in unseren Schulen durch den Modellversuch noch bessere Qualitätsstandards in heterogenen Lerngruppen hervorbringen kann, die wir dann für alle Schulen ausbauen können.

Jetzt ist für uns genug geredet. Jetzt sollten wir endlich anfangen!

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Schmitt, SPD: Das ist gut! Prima!)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Schneid das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Gerne gehe ich auf Ihren Antrag noch einmal ein, Noten durch Lernentwicklungsberichte zu ersetzen. Festzustellen ist – da haben wir die Zustimmung vieler Grundschullehrerinnen und -lehrer –, dass schon das Verbalzeugnis in der Grundschule ein enormer Zeitaufwand und Mehraufwand ohne angemessenen Mehrnutzen für Eltern und Kinder darstellt. Da frage ich mich, warum wir jetzt in der Sekundarstufe I so etwas einführen sollen, wenn es im Grundschulbereich bereits wieder abgesetzt wird.

(Beifall der CDU – Frau Schmitt, SPD: Sie gehen von falschen Voraussetzungen aus!)

Sitzenbleiben überflüssig machen. – Klassenwiederholung bietet die Chance, Versäumtes aufzuholen, breite Wissenslücken zu beheben und den Anschluss an das Leistungsniveau wiederherzustellen. Letztendlich nützt es niemandem, wenn man immer so durchrutscht oder mitgeschleift wird und dann im Berufsalltag merkt, dass man Defizite hat, die man so einfach nicht wieder ausgleichen kann.

Aufgabe von Politik und Schule ist es, möglichst individuell zu fördern und die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Trotzdem muss die Möglichkeit der Klassenwiederholung gegeben bleiben. Es ist ein Trend, dass Leistung nicht mehr zählt, Fleiß gering geschätzt und Engagement bestraft wird.

(Frau Schmitt, SPD: Quatsch! Das Gegenteil ist der Fall bei individueller Förderung!)

Das sind Werte, die für die CDU wichtig sind und wichtig bleiben.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Frau Brück, SPD)

Auf Abschulung verzichten. – Mit dem Begriff der Abschulung wird eine ganze Schulform, nämlich die der Realschule plus, samt Lehrerschaft, Schülerschaft und Eltern abgewertet. Unser Ziel ist es, Schüler und Schülerinnen nach ihren Begabungen zu fördern und keine Wertigkeit in den angestrebten Abschluss zu legen.

(Beifall bei der CDU)

Dann komme ich zu dem Punkt, demokratische Beteiligungsmöglichkeiten von Schülerinnen und Schülern zu stärken. Warum hat das Bildungsministerium das Fach Sozialkunde geschwächt, z. B. in MSS Erdkunde-Leistungskurs mit Geschichte und gänzlich ohne Sozialkunde?

(Frau Brück, SPD: Was? – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Haben Sie schon ein- mal das Wort Kultusministerkonferenz gehört?)