Protokoll der Sitzung vom 03.07.2013

(Zurufe von der CDU)

Ja, Sie können sich aufregen, aber den Tatsachen müssen Sie schon ins Auge sehen.

Dann die nächste Frage. Wovon wollen Sie es finanzieren? – Sie nehmen die Beiträge aus der Rentenversicherung.

Sie haben von Helmut Kohl gesprochen. Da war Norbert Blüm mit dabei. Der hat dafür gesorgt, dass es einen Zuschuss zur Rente gab, und zwar einen Steuerzuschuss.

Dann sprechen Sie einmal mit dem heutigen Finanzminister, Herrn Schäuble, ob er Ihnen den Steuerzuschuss gibt. Der gibt Ihnen den nämlich nicht.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Sie wollen das aus Beiträgen und aus Rücklagen finanzieren. Wenn Sie das tun, belasten Sie nur die Beitragszahler, die abhängig beschäftigt sind, und auch die Arbeitgeber, die die Hälfte davon zu bezahlen haben, aber nicht die Menschen, die Aktiengewinne und Wertpapiergewinne haben. Die belasten Sie nicht.

Sie belasten auch nicht diejenigen, die in der gesetzlichen Rentenversicherung gar nicht beitragspflichtig sind, sondern nur diejenigen, die abhängig und sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, und deren Arbeitgeber. Das ist kein vernünftiges Konzept.

Wenn Sie uns ein Finanzierungskonzept vorlegen würden, das ehrlich ist und tatsächlich die Konsolidierung des Bundeshaushalts nicht auf Kosten der Sozialkassen betreibt, dann kann man über so etwas durchaus spre

chen. Kein Mensch in dieser Republik wird sagen, wir wollen nicht, dass Mütter für die Zeiten, in denen sie ihre Erwerbsarbeit reduziert haben, einen Ausgleich bekommen. Wir wollen das übrigens auch nicht für Väter. Deswegen wollen wir das Wort „Mütterrente“ am besten schon einmal verlassen.

(Frau Elsner, SPD: Genau!)

Aber dann legen Sie doch bitte ein Finanzierungskonzept vor, das ehrlich ist. Sie können hier nicht den Kuchen verkaufen, für den Sie das Mehl vorher nicht bezahlt haben.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich erteile Herrn Minister Schweitzer das Wort, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zuerst einmal herzlichen Dank für diese Gelegenheit der Aktuellen Stunde, dass wir uns austauschen können. Ich fand die allermeisten Beiträge sehr hilfreich.

Ich möchte zunächst einmal auf das hinweisen, was Herr Fraktionsvorsitzender Hering gesagt hat. Es ist tatsächlich so, wer über Rente spricht, darf über prekäre Beschäftigung, über Befristung, über Mini- und Midijobs und über unterbrochene Erwerbsbiografien, insbesondere bei Frauen, nicht schweigen. Das haben Sie aber leider getan, liebe Frau Thelen. Sie haben darüber geschwiegen. Insofern ist Ihr Ansatz ein zu kurz gesprungener. Ich muss Ihnen das in aller Offenheit sagen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Alle Experten sind sich einig, es hätte wirklich im Bereich der Rentenversicherung viel zu tun gegeben. Die jetzt zu Ende gehende Regierungszeit von Frau Dr. Merkel war eine verlorene Zeit für eine gute Reform am Rentenmarkt.

(Heiterkeit bei der CDU)

Demografiefest, Altersarmut verhindern und vermeiden und Frauen tatsächlich mit eigenen Ansprüchen in der Rentenversicherung auszustatten – all das hat man nicht gemacht.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Warum reden wir heute Anfang Juli im rheinlandpfälzischen Landtag über einen solchen Vorschlag? – Meine Damen und Herren, weil das gilt, was mir meine Mutter immer schon zu Schulzeiten gesagt hat: Lieber

Alexander, der Faule wird am Abend fleißig. So ist es auch bei der CDU, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Jetzt, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, kommen Sie mit einem Vorschlag, der so durchsichtig ist, nicht finanziert ist und auch nicht nachhaltig wirkt.

(Zuruf des Abg. Zehfuß, CDU)

Den nehmen Ihnen weder die Mütter, die vor 1992, noch die Mütter, die nach 1992 Mütter geworden sind, ab; denn eines haben sie gelernt: zu rechnen, zu schauen und kritisch zu hinterfragen, was ihnen präsentiert wird.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Liebe Frau Thelen, Ihnen persönlich nehme ich die Empathie ab, aber Ihrer Partei insgesamt glaube ich es nicht. Sie haben alle Chancen, diese Regierungszeit zu nutzen, verpasst. Sie kommen jetzt mit einem solchen Vorschlag. Sie können nicht ernst genommen werden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es ist das Notwendige zur Frage dieser ungerechten Systematik gesagt worden. Es hat etwas mit einem Stück selbstkritischer Vergangenheitsbewältigung zu tun, dass Sie jetzt ans Mikrofon treten und sagen, es war tatsächlich so, wir haben damals diese Stichtagsregelung eingeführt, sozusagen diese Ungerechtigkeit zum System gemacht. Das ist unter CDU und FDP unter dem, zumindest von Ihnen, hochgelobten Helmut Kohl geschehen.

Es ist tatsächlich so, da ist Ungerechtigkeit in das System eingeführt worden. Nehmen Sie mich beim Wort: Wenn wir gemeinsam an diese Frage herangehen wollen, dass wir für die Mütter, die vor 1992 Mütter geworden sind, tatsächlich und wirksam etwas organisieren und erreichen wollen, werden wir auf Grundlage eines seriösen und finanzierbaren Vorschlags immer Lösungen finden, aber nicht auf dieser Grundlage, die Sie heute hier präsentiert haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn man sich den Rentenversicherungsbericht 2012 anschaut, wird deutlich, dass eine strategische Entscheidung, wie Sie sie vorgenommen haben, nämlich den Beitragssatz auf 18,9 % zu senken, verheerend wirkt, was die Nachhaltigkeitsreserve im Rentenversicherungsbereich angeht, meine Damen und Herren.

Wir werden von heute 29,4 Milliarden Euro Rücklage in den Rentenkassen – diese Zahl stammt von Ende 2012 – schon in wenigen Jahren bis 2016 auf 19,3 Milliarden Euro heruntergehen.

Wenn ich jetzt noch Ihre Rechnung mit 28 Euro brutto pro Frau nehme,

(Frau Thelen, CDU: Und Kind!)

dann sind das hochgerechnet 6 Milliarden Euro im Jahr. Sie haben selbst gesagt – ich nehme Sie beim Wort –, Sie wollen perspektivisch eine vollständige Gleichstellung. Das bedeutet 56 Euro pro Monat und 12 Milliarden Euro bis 13 Milliarden Euro im Jahr – nicht finanziert. Meine Damen und Herren, das ist eine Politik, die mit dem Begriff „nachhaltige Finanzpolitik“, wie Sie es in der letzten Zeit gern im Mund führen, gar nichts zu tun hat.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Deshalb brauchen wir einen breiteren Ansatz, eine vernünftige Arbeitsmarktpolitik, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine echte Teilzeit, Rückkehransprüche für Frauen und die Möglichkeit, dort, wo sich Tarife schon lange aus der Realität verabschiedet haben, einen allgemeinen und gesetzlichen Mindestlohn auf den Weg zu bringen, damit wir diese Grundsicherungsmarke einführen, und wir brauchen vor allem eines, meine Damen und Herren: Wir brauchen das Betreuungsgeld nicht; denn das ist widersprüchlich hoch zehn.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen das noch einmal: Wenn es Ihnen mit dem Vorschlag ernst ist, dann machen Sie einen Vorschlag, den man auch bewerten kann.

Genauso hat sich auch Andrea Nahles geäußert. Sie hat vorgeschlagen: Machen Sie einen Gesetzentwurf und legen Sie ihn auf den Tisch. – Auf den warten wir alle zusammen noch heute. Nicht wirklich dringlich, aber wir warten darauf. Er ist noch nicht da. Er wird auch bis zum 22. September nicht mehr kommen, weil es hier um etwas ganz anderes geht.

Hier geht es darum, dass man Überschriften für ein Wahlprogramm der CDU findet. Wie ernsthaft Ihr Vorschlag ist, muss Ihnen nicht unbedingt ein sozialdemokratischer Sozialminister erklären, da genügt es auch, wenn man zum CDU-Finanzminister im Bund schaut, meine Damen und Herren.

Wolfgang Schäuble ist ein erfahrener Politiker, der mit allen Wassern gewaschen ist und schon so manchen Kampf ausgefochten hat, wie wir wissen.

Den hat offensichtlich das Manöver von Frau von der Leyen, damit sie wieder einmal eine Günther-JauchSendung übersteht, richtig genervt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Er hat auf die Frage „Wie wollt ihr das finanzieren?“ gesagt, ein bisschen Spielraum sei in der Rentenkasse gegeben. Dann ist er gefragt worden: Für diese Runde ja, aber ist das für 2014 auch noch drin? – Wolfang Schäuble hat gesagt: Da müssen Sie die Arbeitsministerin fragen. –

(Heiterkeit bei der SPD)