Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Mit dieser Besprechung hat sich der zweite Zwischenbericht der Enquete-Kommission 16/2 erledigt.
Opfer besser schützen – Verschärfung des StalkingParagraphen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksachen 16/1824/1844 –
Stalking effektiv bekämpfen – Opfer wirksam schützen Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/2551 –
Durch Beschluss des Landtags vom 13. Dezember 2012 ist der Antrag an den Rechtsausschuss – federführend – und an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung überwiesen worden.
Der Rechtsausschuss hat den Antrag in seiner 18. Sitzung am 24. Januar 2013, in seiner 20. Sitzung am 28. Februar 2013, in seiner 23. Sitzung am 21. Mai 2013, in seiner 24. Sitzung am 27. Juni 2013 und in seiner 25. Sitzung am 3. Juli 2013 beraten.
In seiner 23. Sitzung am 21. Mai 2013 hat der Rechtsausschuss ein Anhörverfahren durchgeführt, an dem auch die Mitglieder des Ausschusses für Gleichstellung und Frauenförderung mit beratender Stimme teilnehmen durften.
Da der federführende Rechtsausschuss die Ablehnung des Antrags empfohlen hat, fand eine Beratung in dem mitberatenden Ausschuss nicht statt.
Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Dr. Wilke das Wort.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut und richtig, dass sich der Landtag auf unsere Initiative hin mit dem Thema „Stalking“ intensiv befasst hat, und zwar nicht nur im Plenum, sondern, wie wir
gerade in dem Bericht von Herrn Ruland gehört haben, fünfmal im Rechtsausschuss. Ich denke, nicht vielen Anträgen wird es zuteil, dass sie so oft im Ausschuss beraten werden. Ich denke, das Thema hatte es auch verdient.
Wir haben auch eine Expertenanhörung durchgeführt. Diese hat nicht nur, wie man glasklar feststellen kann, unser Anliegen vollumfänglich bestätigt, sondern einige wichtige neue Erkenntnisse zur Bandbreite des Problems verschafft.
Deswegen bin ich dafür dankbar, dass sie stattgefunden hat. Sie hat uns ein großes Stück vorangebracht. Wir haben feststellen müssen, dass es bei dem Thema „Stalking“ ganz unterschiedliche Tat- und Täterphänomene gibt. Oft erwachsen diese Taten aus gescheiterten Beziehungen. So kann es vorkommen, dass ein Expartner, der sich eigentlich als Opfer sieht, zum Täter wird. Das sind aber nicht alle Fälle.
Es gibt noch ganz anders gelagerte Fälle, in denen jemand, ob prominent oder nur „jedermann und jederfrau“, zum Opfer von jemand anderem wird, der meint, er müsste den anderen in welcher Form auch immer mit Telefonanrufen, Zusendungen oder fingierten Anzeigen verfolgen. Der Fantasie der Täter ist oft keine Grenze gesetzt.
In der Anhörung wurde nochmals deutlich – das ist etwas, was unbedingt angesprochen werden muss –, dass die Folgen, die dabei für die Opfer entstehen, dramatisch sein können.
Der Sachverständige Hoffmann vom Institut Psychologie & Bedrohungsmanagement in Darmstadt hat uns das eindrucksvoll vor Augen geführt. Ich möchte drei Dinge aus seinem Bericht zitieren: Jedes fünfte Opfer denkt über Suizid nach. Die Hälfte der Opfer zeigt Merkmale einer dramatischen psychischen Belastungsstörung. Ein Drittel der Opfer von Stalkingtaten ist dauerhaft traumatisiert, also noch weit über die Zeit hinaus, in der die Tat geendet hat.
Der Sachverständige hat ein nachdrückliches Plädoyer für Opfer- und Täter-Therapieprogramme abgegeben. Auch für die CDU ist das ein wichtiger Ansatz in der Bekämpfung von Stalking.
Die Anhörung hat aber auch in seltener Einmütigkeit aller Sachverständigen gezeigt, dass dem Strafrecht eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Strafrecht ist bei der Bekämpfung von Stalking zwar nicht alles, aber ohne Strafrecht ist alles nichts.
Aus der Anhörung haben wir die klare Erkenntnis mitgenommen, dass es trotz einer großen Anzahl von Anzeigen nicht an der Strafverfolgungspraxis liegt, dass so wenige Taten am Ende zu einer Verurteilung führen. Ich
will an dieser Stelle auch einmal deutlich sagen – das haben die Sachverständigen und gerade auch der Psychologe attestiert –, dass die Polizei äußerst sensibel ist, was die Stalkingfälle angeht. Ich denke, wir schulden der Polizei einen Dank, dass sich in den letzten Jahren Vieles entwickelt hat und dann durchgegriffen wird, wenn Stalking-Taten angezeigt werden. Die Polizei bemüht sich immer, diese zu verfolgen.
Die Anhörung hat gezeigt, dass es nicht an der Strafverfolgungspraxis, sondern an der Strafrechtsnorm selbst liegt. Derzeit ist es so – wir hatten das in der ersten Lesung schon thematisiert –, dass sich nur der strafbar macht, der bei dem Opfer, das er verfolgt, eine erhebliche Änderung seiner Lebensführung verursacht. Nur wenn z. B. das Opfer umzieht oder seinen Arbeitsplatz wechselt, ist eine Strafbarkeit eingetreten.
Schlafstörungen, Panikattacken, Magen-Darm-Störungen und ein Tinnitus als Folge genügen nicht, dass sich jemand wegen Stalking strafbar macht. Das hat der BGH – auch das haben wir aus der Anhörung mitgenommen – im Dezember 2012 so entschieden. Das zeigte die ganze Dramatik des Sachverhaltes auf. Wenn solche dramatischen Störungen der Gesundheit nicht dazu führen, dass sich jemand wegen Stalking strafbar gemacht hat, zeigt dies, dass ein erheblicher Reformbedarf zu konstatieren ist. (Beifall der CDU)
Mehrere Sachverständige haben uns deutlich vor Augen geführt, dass man oft gerade den Opfern nicht helfen kann, die die Hilfe am nötigsten haben, Opfer, die erheblich leiden, aber nicht in der Lage sind, ihre Lebensführung ändern zu können, um den Taten, einer weiteren Nachstellung, zu entgehen. Das ist gerade das, wo Strafrecht eingreifen muss, damit die, die aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, sich zu entziehen, nicht auch noch vom Strafrecht im Stich gelassen werden.
Das hat eine doppelte Dramatik zur Folge: Die Opfer verzweifeln auf der einen Seite am Rechtsstaat, und auf der anderen Seite sagen die Täter noch – auch das wurde in der Anhörung thematisiert –, jetzt habe ich einen Freibrief, jetzt kann ich machen, was ich will, ich bin freigesprochen oder das Verfahren gegen mich ist eingestellt worden.
Deswegen unser Antrag, den wir letztes Jahr im November eingebracht haben; denn es gibt einen Weg, diesem Missverhältnis von nur 711 Verteilungen bei 20.492 Tatverdächtigen – das sind die Zahlen aus 2011 – abzuhelfen, und diese Maßnahme, die notwendig und möglich wäre und das bewirken würden, was wir wollen, wäre eine Änderung des § 238 StGB. Der muss in ein Eignungsdelikt umgestaltet werden, und zwar so schnell wie möglich.
Jedes Täterhandeln, das geeignet ist, aber nicht dazu führen muss, beim Opfer eine nachhaltige Änderung
seiner Lebensführung, seiner Lebenssituation, herbeizuführen, wäre danach strafbar. – Dass die Strafrechtspraxis damit umgehen könnte, haben die beiden Generalstaatsanwälte, die wir als Sachverständige in der Anhörung hatten, hinlänglich bewiesen. Sie haben gesagt, kein Problem, wir können damit umgehen. So sind wir willens, dass das Gesetz entsprechend geändert wird. Den Bestimmtheitsgrundsatz sehen wir als gewahrt an.
Es gibt eine Justizministerkonferenzinitiative, hier heranzugehen. Die Bayern haben das erfreulicherweise angestoßen. Die Justizministerkonferenz hat es aufgegriffen. Dort liegt es jetzt.
Wir sollten von hier aus ein klares Signal aussenden, dass es geschieht. Ich rede ganz bewusst von einem klaren Signal und nicht von einem so verwässerten Antrag, wie Sie ihn von Rot-Grün jetzt vorgelegt haben.
Ich könnte, wenn die Zeit noch ein bisschen reichlicher vorhanden wäre, auch noch etwas zu dem Stil sagen, wie ich es empfunden habe, wenn ein Antrag, den wir vor sieben Monaten eingebracht haben, dann dazu führt, dass Sie uns nicht einmal eine halbe Stunde vor der entscheidenden Ausschusssitzung einen Alternativantrag vorlegen und fragen: Könnten wir nicht noch etwas Gemeinsames machen? – Das ist kein guter parlamentarischer Stil.
Auch inhaltlich kann ich diesem Antrag von Ihnen nicht zustimmen, wenn drinsteht, es würden noch Zweifel bestehen, ob § 238 ausreicht. Nein, diese Zweifel bestehen nicht mehr.
Was wir brauchen, ist ein klares Bekenntnis – so, wie es die Sachverständigen uns mitgegeben haben –, das Gesetz muss geändert werden. Deswegen unser Antrag als klares Bekenntnis zur Umwandlung in ein Eignungsdelikt. Das sollte die Botschaft dieses Landtages sein, und nicht so ein verwässerter Antrag, wie Sie ihn vorgelegt haben. Deswegen bitten wir um Unterstützung für unseren Antrag.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Mitglieder des GRÜNENKreisverbandes Neuwied sowie Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis Neuwied. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag in Mainz!