Protokoll der Sitzung vom 04.07.2013

Selbst wenn wir die Versicherungsleistungen geklärt bekommen und selbst wenn wir es finanziell hinbekom

men, wird das nicht reichen, weil der Euro keine Hände hat.

(Dröscher, SPD: Unglaublich! – Pörksen, SPD: Schwindel!)

Wir brauchen aber die Hände in der Pflege. Gerade deshalb werden wir uns schwertun.

(Beifall der CDU)

Herr Minister Schweitzer, liebe Kollegin Anklam-Trapp, natürlich sind auch wir Verfechter der Möglichkeit eines möglichst langen selbstbestimmten Lebens zu Hause. Ambulant vor stationär gilt natürlich. Jeder will am liebsten bis zuletzt zu Hause bleiben. Das wissen wir alle. Das respektieren wir, aber dafür benötigen wir die richtigen Rahmenbedingungen.

(Pörksen, SPD: Aber nicht solche Reden!)

Trotzdem wissen wir doch, dass aufgrund der Altersentwicklung und der zum Glück steigenden Lebenserwartung, die von vielen Menschen zum Glück in relativ guter Gesundheit erreicht wird, allein aufgrund der großen Zahl derer, die nicht mehr ambulant betreut werden können, diese Menschen ein stationäres Setting und eine Umsorgung 24 Stunden am Tag von hoch motivierten und hoch qualifizierten Pflegekräften benötigen. Diese Zahl wird steigen. Da besteht der dringendste Bedarf, um diese Menschen versorgen zu können.

Frau Anklam-Trapp, ich habe die Dramatik bei der stationären Pflege deshalb besonders herausgehoben, weil sich darauf die mir bekannten Zahlen zur Verweildauer bezogen haben. Dazu kenne ich die Aussagen, dass sie zunächst auf nur noch 9,5 Jahre nach der Ausbildung heruntergegangen sind. Dann waren wir bei 6,8/6,7 Jahren, und mittlerweile wird mir von Trägern stationärer Einrichtungen gesagt, wir sind nur noch bei 3,9 Jahren.

Bei allen Bemühungen, die wir anstellen, um zur Beseitigung der Diskrepanz, dass die Menschen älter werden und damit mehr pflegebedürftige Menschen in unserem Land gut zu versorgen sind, Menschen in hinreichender Zahl zu gewinnen, die in diesen Berufen bleiben, führen die Stellen, die wegen eines Weggangs aus der Pflege nicht besetzt sind, heute zu dem Stress, den Sie richtigerweise beschrieben haben, Frau Anklam-Trapp. Sie führen zu dem Stress und der besonderen Belastung, der die Pflegekräfte ausgesetzt sind, weil sie ein Stück weit Schichten mehr machen müssen und weil sie die Arbeit von fehlenden Pflegekräften mit ausfüllen müssen. Das ist eine Dramatik.

(Beifall der CDU)

Es ist richtig, dass wir die Ausbildungskapazität erhöhen, Herr Minister Schweitzer. Es ist eine zwingende Notwendigkeit, dass wir das tun. Wir müssen aber nicht nur die Ausbildungszahlen im Blick haben, sondern wir müssen auch die Ausbildung als solche im Blick haben. Die Wechsel erfolgt nicht nur wegen der „Belastung am Arbeitsplatz“, sondern zum Teil auch deshalb, weil die Menschen mit Vorstellungen in den Beruf gehen, die sie darin bestärkt haben, die Ausbildung zu absolvieren, die

sich nachher in der Praxis aber nicht verwirklichen lassen. Jeder kennt den Ausdruck vom Praxisschock, der dann geschieht. Aufgrund der sozialen Kompetenz und aus sozialem Verständnis heraus ist man in diesen Beruf gegangen, weil man Menschen Zuwendung geben, sie im Alltag begleiten, ermuntern und ermutigen und sie nicht nur füttern, waschen und pampern will.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Es ist doch genau dieser Praxisschock, der viele nach Alternativen suchen lässt. Sie finden die Alternativen zum Beispiel auch in unseren Pflegestützpunkten, die gut und wertvoll sind und eine gute Arbeit leisten. Sie finden die Alternativen beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen, bei dem sie auch eine geregelte Arbeitszeit mit weniger körperlichen Belastungen haben.

Deshalb habe ich die Bitte an Sie, weil Sie die Gespräche mit den Verbänden führen. Wir werden aber auch unsere Wege nutzen. Wir müssen bei der Ausbildung darauf achten, dass sie zielgerichteter wird und auch das Umsorgen stationärer Menschen spezifischer in den Blick nimmt. Das gilt auch für die neuen Kompetenzen, die man braucht, wenn man Menschen ambulant zu Hause versorgt und spürt, dass es Probleme mit Familienangehörigen und Nachbarschaften gibt. Von den Pflegekräften werden fast sozialarbeiterische Fähigkeiten gefordert. Von diesen wird uns gesagt, dass sie mit Dingen konfrontiert werden, auf die sie in der Ausbildung nicht vorbereitet worden sind. Ich bitte Sie, auch diesen Schritt mitzugehen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Schweitzer, es ist schön, dass Sie so stolz sind, dass wir gestern den Gründungsausschuss gegründet haben, der dann die Pflegekammer gründen soll.

(Glocke des Präsidenten)

Es ist schön, dass diese alte Forderung von uns zunehmend Realität gewinnt. Darüber freuen wir uns sehr.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Kollegen Konrad das Wort. Ihre Redezeit beträgt 4 Minuten und 20 Sekunden.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das meiste wurde schon gesagt. Zu der Geschichte der Pflegepolitik und der Demografiepolitik in Rheinland-Pfalz können wir GRÜNE wenig beitragen, weil wir so lange nicht in diesem Parlament vertreten waren.

(Zurufe von der CDU)

Fünf Jahre waren zu lang. Ich merke das an den Debatten, die geführt werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen versichern, dass der Wahlkampf gegen die Politik der SPD-Alleinregierung bei diesem Thema äußerst schwierig war; denn es ist ausgesprochen schwer, Verbesserungsvorschläge gegen eine Politik zu machen, die im Grunde genommen dieselben Ziele verfolgt, wie sie verfolgt werden müssen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir konnten auf Vielem aufbauen. Wir führen das auch sinnvoll und konstruktiv weiter.

Was brauchen wir in der Pflege? Wir brauchen eine Weiterentwicklung, mehr Prävention und mehr Rehabilitation. Die Rehabilitation kommt übrigens komplett zu kurz. Wir brauchen Quatierkonzepte für die Umfeldanpassung. Wir brauchen Beratung und Begleitung. Wo sind die Pflegestützpunkte als erstes eingeführt worden? Sie wissen es. Das war in Rheinland-Pfalz.

Wir brauchen auch eine Weiterentwicklung des Berufsbildes, mehr Akademisierung und mehr Eigenverantwortung. Wo gibt es die erste Pflegekammer? Das ist in Rheinland-Pfalz.

Wir brauchen die zentrale Beratungsfunktion in der Pflege. Dafür brauchen wir die entsprechende Verantwortungsverteilung im Gesundheitswesen. Wer kümmert sich darum? Die Bundesregierung kümmert sich bisher nicht darum.

Wir brauchen die zentrale Funktion der Verzahnung von Sektoren. Wer könnte das machen? Das wären die Pflegekräfte. Wer führt das nicht ein, und wer gibt ihnen die Verantwortung nicht? Sie wissen das alles. Case Management als modernes Wort geht nur dann, wenn es eine Case Managerin oder einen Case Manager gibt. Dafür muss ich den Menschen auch die Möglichkeit geben, die in der Pflege arbeiten. Das ist eindeutig nicht die Verantwortung der Landesregierung.

Der Unfug, der mit dem Pflege-Riester getrieben wird, ist herausgeworfenes Geld für ein Geschenk an die Versicherungswirtschaft anstelle einer nachhaltigen Finanzierung einer Pflegeversicherung, die diesen Begriff auch in Zukunft verdienen sollte. Die Einführung einer Bürgerversicherung wird stattdessen verschlafen. Die Pflege als Rehabilitationsträger und ein teilhabeorientierter Pflegebegriff, der die Behindertenarbeit und die Pflege in Zusammenhang bringt, all dieses fehlt.

Die Pflegekräfte sollen unter diesen Umständen der verpassten Gelegenheiten länger im Beruf bleiben. Ich frage mich, wie das gehen soll, wenn Sie diese Regierungspolitik in Berlin weiterführen. Wie sollen die Berufsrückkehrerinnen zurück in den Beruf, von dem sie nicht wissen, ob sie ihn bis 67 Jahre durchführen können? Wie soll die Entlastung von bürokratischen Fragen und Organisationsfragen stattfinden? Wie können unterschiedliche Qualifikationsgrade in den Krankenhäusern,

in den Pflegeeinrichtungen und den mobilen Pflegediensten eingeführt werden? Ich frage mich: Wer hat im Jahr der Pflege und davor und danach seine Verantwortung verschlafen?

Wir waren im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Sozialausschuss in Holland und haben dort gesehen, dass die Pflege gesichert wird, indem unterschiedliche Qualifikationsstufen zusammenarbeiten. Ich glaube, das ist ein guter Weg. Dazu gehört eine höhere Qualifizierung für einen Teil der Pflegekräfte, aber auch eine Hilfsqualifizierung für einen anderen Teil.

Ich glaube, mit diesen unterschiedlichen Berufsperspektiven und den Maßnahmen, die die Landesregierung ergriffen hat, können wir sehr viel positiver in die Zukunft starten als mit dem, was wir bisher aus Berlin erlebt haben.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir kommen zum dritten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Gute Bildung und gute Wissenschaft – Neue Formen der Zusammenarbeit von Bund und Ländern“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 16/2537 –

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Heinisch das Wort, bitte schön.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bildung ist der Schlüssel zur gleichberechtigten Teilhabe jedes Menschen am gesellschaftlichen Leben, die Grundlage für wirtschaftliches Wachstum und die Sicherung des Wohlstands. Sie ist damit für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Demokratie unerlässlich.

Diese Erkenntnis steht am Anfang einer Bundesratsinitiative, die die rheinland-pfälzische Landesregierung in der vergangenen Woche auf den Weg gebracht hat. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt, um in die Diskussion über den Bildungsföderalismus neuen Schwung zu bringen; denn dieser Bildungsföderalismus ist in eine bedenkliche Schieflage geraten. Der Bund hat den Löwenanteil an den Steuereinnahmen, während die Länder die alleinige Verantwortung für die Finanzierung der Schulen und für die Grundfinanzierung der Hochschulen tragen.

Meine Damen und Herren, es ist richtig, die öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen. Es ist richtig, die Rechnung für die Ausgaben von heute nicht auf die künftigen Generationen abzuschieben. Es ist auch rich

tig, dass wir entsprechend die Haushaltskonsolidierung angehen. Es ist aber auch wichtig, dass die Schuldenbremse nicht zur Bildungsbremse werden darf. Es ist kein gangbarer Weg, Haushaltslöcher gegen Bildungslücken einzutauschen und damit eine Zukunftshypothek mit der anderen auszutreiben.

Wir brauchen eine enge, verlässliche und dauerhafte Kooperation zwischen dem Bund und den Ländern, um die großen bildungs- und wissenschaftspolitischen Herausforderungen anzugehen. Dieser Weg ist aber seit der Föderalismusform 2006 versperrt. Seither verhindert ein Kooperationsverbot im Bildungsbereich, dass Bund und Länder gemeinsame Wege gehen, um die schönen Reden von der Bildungsrepublik auch in entsprechende Taten umzusetzen.