Protokoll der Sitzung vom 02.10.2013

(Vizepräsident Dr. Braun übernimmt den Vorsitz)

Legende Nummer 3 lautet: Die Schwerpunktsetzungen sind schuld. Insbesondere der Ausgabenschwerpunkt „Bildung“ sei schuld daran, dass Rheinland-Pfalz finanziell so schwach ausgestattet ist und so viele Schulden hat. – Das ist teilweise wahr, wahr ist aber auch, dass PISA und Co. uns zeigen, dass Bildung in RheinlandPfalz wohl teuer ist, aber anderswo – in Bayern beispielsweise – ist sie nicht nur teuer, dort ist sie vor allen Dingen erfolgreich.

(Beifall der CDU – Frau Mohr, SPD: Bei uns nicht?)

Lesen Sie PISA und Co.

Die Legende Nummer 4 besagt, am Schuldensumpf in Rheinland-Pfalz ist der Finanzausgleich schuld, und an dieser Legende hat soeben auch Frau Ministerpräsidentin Dreyer weitergestrickt. Die Wahrheit ist aber doch, der Länderfinanzausgleich, die Solidarität der Bundesländer untereinander, rettet seit zwei Jahrzehnten den SPD-Ministerpräsidenten den Kopf;

(Heiterkeit bei der Landesregierung)

denn die Solidarität von Bayern, Hessen und Co. gleicht die Pro-Kopf-Einnahmen vollständig aus. Die Pro-KopfEinnahmen werden vollständig ausgeglichen.

(Staatsminister Dr. Kühl: Rechnen Sie einmal vor!)

Nun kommen wir zur Statistik. Frau Dreyer hat vorhin eine spannende Statistik vorgestellt, was die Rangfolge angeht. Sie hat dabei nur vergessen, über die absoluten Zahlen zu reden, dass nämlich Rheinland-Pfalz, wenn man die Einnahmen und Ausgaben im Länderfinanzausgleich ansieht, zwar ein Nehmerland ist, aber der Länderfinanzausgleich kein großes Geschäft für RheinlandPfalz ist. Darin haben Sie recht. Wenn wir uns die Steuerkraft pro Kopf anschauen, liegt Rheinland-Pfalz 1,2 % unter dem Durchschnitt der Länder. Das ist kein großes Geschäft für Rheinland-Pfalz, das hat aber auch nie jemand behauptet. Es hat nie jemand behauptet, dass Rheinland-Pfalz nach dem Länderfinanzausgleich besser dastünde als vorher. Es hat nie jemand behauptet, dass Hessen nach dem Länderfinanzausgleich im Ranking nicht mehr vorne stünde. Das wäre ja auch schlimm, wenn alles, was ein Land wie Hessen an Steuerkraft erwirtschaftet, ihm komplett weggenommen würde.

Alles, was wir gesagt haben, ist, dass nach dem Länderfinanzausgleich die Einnahmen pro Kopf bis auf wenige Euro gleich sind, und darum geht es. Die Einnahmen sind die gleichen, und die einen Landesregierungen machen etwas daraus. Die einen Landesregierungen investieren in die Zukunft, die einen Landesregierungen zahlen sogar Schulden zurück, und die anderen Landesregierungen kommen mit dem Geld schlicht und ergreifend nicht aus und machen über Jahrzehnte immer neue

Schulden, und dann zeigen sie mit dem Finger auf andere.

Bei genauerer Betrachtung bleibt von Ihren Versuchen, das eigene Fehlverhalten zu entschuldigen, von Ihren Versuchen, die bedrückende Schuldenlast – Frau Ministerpräsidentin Dreyer selbst spricht von einer bedrückenden Schuldenlast – zu rechtfertigen, nichts übrig. Wenn Sie Gründe suchen, weshalb Rheinland-Pfalz so schlecht dasteht, dann suchen Sie diese Gründe bei sich. Sie haben die Verantwortung, aber Sie werden auch mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf dieser Verantwortung nicht gerecht.

Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz ist weit weg von einem ausgeglichenen Haushalt. Der Schuldenstand liegt bei rund 10.000 Euro pro Einwohner, vom Kind bis zum Greis. Auf den Schultern jedes einzelnen Bürgers in diesem Land liegen etwa 10.000 Euro Schulden. Das liegt weit über dem Bundesschnitt, und damit gehört das Land zu den größten Schuldenmachern in Deutschland.

Dabei hat Rheinland-Pfalz kein Einnahmeproblem – ich habe es soeben anhand des Länderfinanzausgleichs erklärt –, sondern Rheinland-Pfalz, Rot-Grün, hat vielmehr ein Ausgabenproblem. Auch dabei möchte ich mich auf einen Zeugen berufen, der ganz aktuell ist und der nicht im Verdacht steht, der CDU nahe zu stehen. Die Finanzverwaltung des Senates von Berlin hat eine aktuelle Statistik über die Frage der Ausgabensteigerungen zwischen 2002 und 2012 vorgelegt. Darin erhält Rheinland-Pfalz einen traurigen Wert von 28 % und damit den dritten Platz unter allen Bundesländern. Sogar Nordrhein-Westfalen, ein Land, über das ich, seitdem Frau Ministerpräsidentin Kraft dort die Verfassung außer Kraft setzt, immer gern von dieser Stelle schimpfe, hat im gleichen Zeitraum nur eine Ausgabensteigerung von 24 % vorzuweisen. – Ich nehme an, das ist der guten CDU-Regierung der vergangenen Jahre geschuldet.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit liegt Rheinland-Pfalz mit seinen 28 % Ausgabensteigerungen weit über dem Schnitt der Länder, der in diesen zehn Jahren bei 20 % liegt. Zum Vergleich – Herr Steinbach, dies ist ein Beispiel, welches Ihnen in Zukunft wahrscheinlich gefallen wird, wenn man es benutzt –, Baden-Württemberg liegt mit nur 19 % unter dem Schnitt bei den Ausgabensteigerungen, und das viel gescholtene Berlin liegt bei 5 %. Also muss man an der Stelle von diesem Pult aus vielleicht auch einmal reklamieren, die Berliner bemühen sich, den Haushalt bei all ihren Problemen in den Griff zu bekommen.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz profitiert also massiv von den steigenden Steuereinnahmen und von den Erfolgen der Regierungen Merkel. Der Kardinalfehler der Landesregierung besteht aber auch darin, dass sie zeitweilig höhere Steuereinnahmen mit Sparen verwechselt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Griechenland erinnert uns daran, dass auch Staaten zahlungsunfähig werden

können, und die Rechnung für eine überhöhte Staatsverschuldung zahlen immer die kleinen Leute, die ihr Geld Tag für Tag sauer verdienen müssen. Die Rechnung zahlen am Schluss die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. die Rentner in den Pleitestaaten.

Deutschland als Ganzes steht hervorragend da. Unsere Volkswirtschaft hat die niedrigste Arbeitslosigkeit in Europa, die Jugendarbeitslosigkeit gibt es praktisch nicht mehr. Die Welt kauft unsere Waren und Dienstleistungen, und damit sprudeln auch die Einnahmequellen des Staates. – Wann wollen wir neue Schwerpunkte setzen? Wann wollen wir alte Schulden tilgen? Wann, wenn nicht jetzt?

„Sparst du in der Zeit, dann hast du in der Not.“ – Das ist ein altes deutsches Sprichwort. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen am Anfang von Haushaltsberatungen. Ich wünsche mir konstruktive Beratungen ganz im Sinne des Sprichwortes: „Sparst du in der Zeit, dann hast du in der Not.“

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Steinbach das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte meine Rede damit beginnen, zunächst einmal bestimmte Dinge geradezurücken. Die Fraktionsvorsitzende der CDU ist in ihrer sehr langen Einführungsrede heute Morgen auf einige Dinge eingegangen, die ich prüfen konnte und so nicht stehen lassen möchte.

Es ist immer wieder bedauerlich, dass man damit anfangen muss, die Sachverhalte geradezurücken. Ich möchte das doch in ein etwas anderes Licht rücken.

Frau Klöckner hat davon gesprochen, mit wie vielen Vorschlägen Sie in diesem Parlament auf die Kolleginnen und Kollegen und die anderen Fraktionen zugekommen sei und welche tollen Vorschläge Sie gemacht hätte. Ich möchte dazu im Folgenden Stellung nehmen: Die CDU hat 174 Änderungsanträge gestellt. Von diesen bezogen sich 98 darauf, den Beamtenpensionsfonds abzuschaffen, 13 davon waren globale Minderausgaben. Das heißt, die Mehrheit Ihrer Anträge war schlicht und ergreifend eine Forderung, nämlich den Beamtenpensionsfonds abzuschaffen und irgendwo zu sparen, wir sagen euch auch nicht, wo. – Wenn Sie das als konstruktives Sparangebot verstehen, meine Damen und Herren, dann kann ich nur sagen, dann betrügen Sie da draußen die Menschen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Dann freue auch ich mich jedes Mal, wenn die Leistungen der Fraktionsvorsitzenden a. D., Ise Thomas, von

der CDU-Fraktion hier positiv und würdigend erwähnt werden. Wir nehmen das gerne zur Kenntnis. Genau das war der Unterschied. Solche Änderungsanträge haben Sie von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bis 2006 nicht gesehen. Von daher kann ich nur sagen: Ihr Lob kann mich nicht treffen, meine Damen und Herren.

Dann hat die Fraktionsvorsitzende weiterhin ausgeführt, wir hätten eine Zins-Steuer-Quote von 12 %. Sie hat die Quelle dazu nicht gesagt. Ich könnte Ihnen eine mögliche Quelle dazu verraten. Das wäre nämlich der Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz. Dort steht auf Seite 68 die Zins-Steuer-Quote. Diese erreicht dort laut Finanzplanung niemals den Wert von 12 %.

(Schreiner, CDU: 11,8 %!)

Sie erreicht ihr Maximum im Jahr 2013 mit 10,9 %. Meine Damen und Herren, ich finde, Sie sollten die 12 % belegen oder widerrufen, dass diese Zahl besteht.

(Zurufe der Abg. Baldauf und Billen, CDU)

Das ist das Eine. Zum Zweiten vergessen Sie vollständig, dass bei dieser Zins-Steuer-Quote auch die Einnahmen bzw. die Zinszuweisungen an den Beamtenpensionsfonds als interner Kredit verrechnet werden. Damit entzieht sich das auch einem Vergleich mit anderen Ländern, zumindest einem einfachen und unreflektierten Vergleich. Das wäre Äpfel mit Birnen verglichen. Von daher möchte ich Sie bitten, das an dieser Stelle zu korrigieren. Das ist schlicht fehlerhaft.

Ebenso fehlerhaft war der Ausweis der Investitionsquote. Die Fraktionsvorsitzende hat ausgeführt, sie befürchtet eine Investitionsquote von unter 5 %. Ein Blick in den Finanzplan erklärt uns die Investitionsquote im Laufe der Jahre 2013, 2014, 2015 mit 11,4 %, 9,8 % und 9,5 %.

(Schreiner, CDU: Mit Pensionsfonds!)

Darin sind nicht die Ausgaben im Bereich der Landesbetriebe enthalten. Auch da würde ich Sie ausdrücklich bitten, diese Zahlen zu korrigieren. Meine Damen und Herren, wenn Sie hier schon mit Zahlen agieren, dann nehmen Sie wenigstens verlässliche Zahlen, und machen Sie hier nicht so einen Popanz aus diesen Zahlen. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Auch der von Ihnen angekündigte Änderungsantrag zur Abschaffung der Projektentwicklungsgesellschaft des Landes Rheinland-Pfalz – ich habe das noch einmal nachgefragt und überprüft – findet sich nicht in Ihren Änderungsanträgen, sondern er war wohl Teil eines Entschließungsantrags, wie wir das inzwischen vernommen haben. Da muss ich sagen: Wenn Sie konkrete Einsparvorschläge auf den Tisch legen, dann machen Sie sie auch konkret. Dann können wir konkret dazu Ja und Nein sagen, aber es irgendwo in einem freien Textbaustein zu verstecken und das dann als Sparvorschlag zu verkaufen, ist schon eine sehr billige Art und Weise,

hier zu erklären, man würde sich ernsthaft um Einsparungen bemühen, meine Damen und Herren.

Ganz im Gegensatz dazu macht der Haushaltsentwurf, der gestern vom Finanzminister eingebracht wurde, sehr deutlich, dass Rot-Grün haushaltspolitisch und verfassungspolitisch auf dem richtigen Kurs ist. Wir gestalten unter den Bedingungen der Schuldenbremse den sozialökologischen Wandel in Rheinland-Pfalz. Es fällt daher auch nicht schwer, den vorgelegten Haushaltsentwurf ausnehmend positiv zu würdigen; denn er nimmt die Herausforderungen an, die sich unter den bestehenden Rahmenbedingungen ergeben, und setzt dabei die richtigen Akzente.

Ich will die vielen Ausführungen, die die Ministerpräsidentin und der Finanzminister gemacht haben, hier nicht weiter ausführen. Ich will nur noch einmal ausdrücklich unterstreichen, dass das, was da ausgeführt wurde, und das, was der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN und der SPD ausgeführt hat, genau das ist, was wir unter dem sozial-ökologischen Wandel verstehen. Das wird mit diesem Haushalt konsequent umgesetzt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Und auch wenn die Vorlage in großem Maße geeignet und ein hervorragender Entwurf ist, werden wir hier in die Beratungen eintreten und kritisch prüfen, was wir in den Ansätzen lesen werden. Herr Kollege Hering hat das Übrige dazu gesagt. Das gilt auch für unsere Fraktion. Wir werden bei den Beratungen ein offenes Ohr für die Menschen, für konstruktive Vorschläge haben, auch für Vorschläge aus dem Parlament.

Meine Damen und Herren, wenn wir mit den Menschen reden, dann heißt das aber nicht, dass wir den Menschen nach dem Mund reden; denn unsere Aufgabe ist es auch zu erläutern, was wir da tun und warum der Konsolidierungskurs, den wir eingeschlagen haben, erforderlich ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir werden als Fraktion der GRÜNEN dazu beitragen, dass dieser Entwurf für den Doppelhaushalt noch besser werden wird, indem wir ihn intensiv beraten und in Teilen verbessern werden. Der vorgelegte Entwurf ist von dem ernsthaften Willen geprägt, eine nachhaltige Haushaltspolitik zu gestalten, indem er langfristig wirkende konsolidierende Maßnahmen ergriffen hat und deutliche Schwerpunkte gesetzt werden.

Wenn wir von Konsolidierung sprechen, dann heißt das, dass wir den Abstand zwischen den strukturellen Einnahmen und den strukturellen Ausgaben schrittweise verringern wollen. So handeln wir haushaltspolitisch verantwortlich für die Zukunft. So schaffen und erhalten wir uns Spielräume in der Zukunft.

Um diese Konsolidierung zu bewerkstelligen, werden wir weiterhin auf die entscheidenden drei E setzen, auf Einsparungen, auf Effizienzsteigerung und zuletzt auch auf Einnahmeerhöhungen. Der Weg durch die Niederungen dieser Ebene ist schwierig, und er ist lang, aber

er ist erforderlich, wenn man erfolgreich Haushaltspolitik gestalten will. Dazu reichen Sonntagsreden nicht aus.