Protokoll der Sitzung vom 02.10.2013

Ich komme zu den Grundsätzen der CDU. Wir haben immer gesagt, wir sind bereit, ein solches gemeinsames großes Reformwerk mit der SPD gemeinsam anzugehen. Es ist an dem grundsätzlich unterschiedlichen Ansatz, den wir beide hatten, gescheitert. Seitens der CDU haben wir gesagt, ein solches Vorhaben muss mit einer umfänglichen Aufgabenkritik beginnen. Es muss eine Reform aus einem Guss werden. Das beinhaltet selbstverständlich, dass man alle Ebenen betrachten muss, und zwar sowohl die Kreisebene als auch die Verbandsgemeindeebene und auch die Landesebene.

Herr Minister Lewentz, das wollten sie damals als Staatssekretär und auch Herr Ministerpräsident Beck ganz klar nicht. So ist ein falsches Fundament gelegt worden. Heute stellt sich auch heraus, dass es genau an diesen Knackpunkten hakt. Deshalb wird diese Kommunal- und Verwaltungsreform nicht erfolgreich sein und nicht die Ziele bringen, die Sie sich erwarten.

(Beifall der CDU)

Wir stellen fest, dass es Streit im ganzen Land gibt. Hier werden Kreisgrenzen überschritten. Dort darf man es nicht. Hier werden Bürgerentscheide beachtet. Dort übergeht man sie. Alles in allem stellen wir fest, dass keinerlei Leitlinien mehr erkennbar sind.

(Beifall der CDU – Frau Kohnle-Gros, CDU: So ist es!)

Deswegen sage ich auch mit Blick auf die elf Gesetze, die wir heute beraten: Die CDU-Position ist in der Vergangenheit klar geblieben. Sie bleibt es auch für die Zukunft. Die freiwilligen Fusionen werden wir selbstverständlich mittragen. Bei den Zwangsfusionen wird es von unserer Seite keine Zustimmung geben.

Wir haben überlegt, wie wir heute damit umgehen, wenn elf Gesetze eingebracht werden. Wir sind der Meinung, wir wollen keine neue Generaldebatte beginnen, weil wir die Argumente ganz klar ausgetauscht haben.

(Glocke des Präsidenten)

Vielmehr sehen wir es als Selbstverständlichkeit seitens der CDU an, dass wir die einzelnen Gesetze beraten und die örtlichen Abgeordneten, die die Betroffenheit vor Ort kennen, zu den einzelnen Gesetzen Stellung nehmen werden.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Noss das Wort. Wir haben eine Grundredezeit – diese gilt auch für die nachfolgenden zwölf Redner – von 30

Minuten vereinbart, und zwar für die Regierungsfraktionen 30 Minuten und für die CDU-Fraktion 45 Minuten.

Herr Präsident, vielen Dank. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde die 30 Minuten natürlich vollumfänglich ausnutzen. Frau Beilstein, wenn Sie generell zu der Verwaltungsreform nichts mehr zu sagen haben, ist das Ihre Sache. Ich glaube, es ist dazu noch einiges zu sagen. Das werden wir auch tun.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Reden Sie doch kein dummes Zeug! – Zurufe von der CDU)

Bleiben Sie einfach einmal ruhig. Ganz ruhig bleiben. Das hilft in manchen Lebenslagen.

Ich stelle zunächst einmal fest, dass die Verwaltungsreform in den Bahnen läuft, wie sie zu erwarten waren. Sie ist 2007 gestartet. Mittlerweile sind wir mehr als sechs Jahre dabei, in den verschiedenen Gremien zu diskutieren.

Wir haben eine Bürgerbeteiligung durchgeführt, wie es in Deutschland noch nie der Fall war. Wir haben Bürgerkongresse veranstaltet, Planungszellen eingerichtet, Telefonaktionen gestartet und Onlineaktionen gemacht.

(Licht, CDU: Das Ergebnis steht draußen!)

Dank Ihrer Mitwirkung, Herr Licht. – Wir haben also versucht, die Bürger mitzunehmen. Die Bürger konnten wir mitnehmen, die CDU nicht.

(Licht, CDU: Sozialdemokraten stehen da draußen!)

Das ist das Bedauerliche an diesem Fall: Sie haben die Kommunen im Land im Stich gelassen. Sie haben das Gestaltungsrecht, das Sie hätten, nicht genutzt. Sie haben sich stattdessen auf die Schmollbank gesetzt und von Anfang an gesagt, Sie machten diese Reform nicht mit. Sie haben das bereits zu einem Zeitpunkt gesagt, zu dem gar nicht klar war, wie die Reform ausgestaltet wird. Das Einzige, was Sie wussten, war, dass Sie dagegen sind.

(Beifall der SPD)

Das läuft Ihnen hinterher. Sie versuchen jetzt, sich ins Zugführerhäuschen zu setzen. Dabei sitzen Sie schon lange im Bremserhäuschen. Das klappt nicht; das wird so nicht durchgehen. Das sage ich Ihnen ganz deutlich.

Die Art und Weise, wie wir diese Reform gemacht haben – ihre Abläufe –, war mustergültig. Die einzige Lehre, die wir vielleicht daraus ziehen müssen, ist die: Wir haben die Bürgerbeteiligung von Anfang an zu weit weg vom tatsächlichen Standort durchgeführt. Überall dort, wo keine Betroffenheit herrschte, haben nämlich die Bürger und die Kommunalpolitiker gesagt: Jawohl, das ist eine gute Sache. Die demografische Entwicklung ist so, wie sie ist, und wir müssen sie in unserer Gesetzgebung und

in unseren Vorgaben entsprechend berücksichtigen. – Das haben wir getan.

Aber ebenso klar ist, wir können keine Kommunalreform und keine Gebietsreform machen, bei der wir sagen: Die Bürgerbeteiligung geht über alles. – Wir haben nämlich, vielleicht im Gegensatz zu Ihnen, mit den Vertretern vieler Kommunen, Länder und Parlamente gesprochen, in denen übrigens, im Gegensatz zu Rheinland-Pfalz, ein großes Einvernehmen zwischen den handelnden Parteien bestand, dass so etwas gemeinsam durchgeführt werden sollte.

Überall, an jeder Stelle, ist uns eines ganz klar ins Gebetbuch geschrieben worden: Wenn ihr das macht, sorgt für eine Freiwilligkeitsphase, aber die muss begrenzt sein, und wenn sie abgelaufen ist, müsst ihr handeln. Ansonsten könnt ihr das ganze Ding gleich vergessen. – Genau das haben wir gemacht. Das wussten die Kommunen vom ersten Tag an. Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass wir entsprechend verfahren werden, dass es zuerst eine Freiwilligkeitsphase gibt – die lief bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres – und sich daran sofort die Umsetzungsphase anschließt. Wir haben zunächst 63 Kommunen mit einem vordringlichen Gebietsänderungsbedarf versehen. Von diesen 63 Kommunen haben 20 freiwillig fusioniert; für 20 weitere werden wir heute die entsprechenden Gesetze einbringen. Das heißt, bei 40 von 63 Kommunen hat sich das erledigt.

Dann stellen Sie sich hierhin und erzählen etwas von einem Misserfolg. Das ist wirklich nicht nachvollziehbar. Ich glaube, diese Reform ist sehr erfolgreich, und sie wird auch weiterhin erfolgreich sein. Im Übrigen erinnere ich an die Reform im Jahr 1970. Damals war die CDU die Regierungsfraktion, und wir waren der kleinere Partner. Aber wir haben im Gegensatz zu der jetzigen Opposition unsere staatsbürgerlichen Verpflichtungen ernst genommen. Wir sind eingestiegen. Wir haben mit der CDU verhandelt und dabei Wege gesucht. Das war genauso wie heute.

Damals hatten wir ebenfalls zunächst eine Freiwilligkeitsphase. Aber auch damals schloss sich an die Freiwilligkeitsphase eine gesetzliche Umsetzungsphase nach vorher festgelegten Zielplänen an. Es war im Prinzip genauso wie heute. Von daher kann man sagen, dass die Politiker damals – zumindest teilweise – schlauer waren als die heutigen.

(Pörksen, SPD: Zumindest bei der CDU!)

Jedenfalls ist das so gelaufen. Warum machen wir eine Kommunal- und Verwaltungsreform? – Wir machen doch keine Kommunal- und Verwaltungsreform um der Reform willen. Der Herr Minister hat das bereits ausgeführt: Wir machen eine Kommunal- und Verwaltungsreform, weil die Geschehnisse um uns herum das erfordern. Ich erinnere an die demografische Entwicklung in Rheinland-Pfalz. Ich weiß, dass es in meinem Kreis noch schlimmer ist: Wir verlieren jedes Jahr rund 1.000 Einwohner. In anderen Gebieten ist es etwas besser, aber

überall werden wir demokratisch gebeutelt. – Das ist der erste Punkt.

(Licht, CDU: Demokratisch gebeutelt! Das ist richtig! – Pörksen, SPD: Jetzt werden Sie auch noch witzig! Das ist Ihr Niveau!)

Demografisch. – Zweiter Punkt: Darüber hinaus gibt es die Finanznot der Kommunen. Wir haben in RheinlandPfalz über 2.300 Kommunen. Wenn ich andere Kommunen und andere Länder betrachte, stelle ich fest, dass wir ein ganz anderes Problem haben.

Darüber hinaus haben wir die Möglichkeiten, die heute die IT-Medien bieten. Auch durch diese Medien wird vieles einfacher. Wir werden durch diese Medien größere Entfernungen, die vielleicht entstehen, sehr leicht ausgleichen können. Vieles, was heute eventuell noch auf dem Rathaus erledigt werden muss, kann dann von daheim aus erledigt werden. Ich glaube, das ist ein Fortschritt, der nicht zu unterschätzen ist.

Sie bemängeln Streit und Diskussionen vor Ort. Ja, haben Sie denn ernsthaft geglaubt, dass, wenn man eine solche Reform durchführt, in jeder Gemeinde gesagt wird: Wunderbar, toll, wir haben darauf gewartet und freuen uns darauf? – Es war doch von Anfang an klar, dass dies nicht ohne Verletzungen abgeht. Ich habe auch großes Verständnis dafür, wenn sich die handelnden Personen vor Ort für ihre Kommunen einsetzen. Das ist ihre Heimat; das ist ihre Aufgabe.

Ich habe aber auch großes Verständnis dafür – nicht nur Verständnis; wir müssen das tun –, dass wir vonseiten des Landes das Ganze sehen. Dazu gehören beispielsweise die Fragen: Wie entwickeln sich die Kommunen im Land? Was heißt das letztendlich für unser Staatsgebilde in Rheinland-Pfalz? – Bei richtiger Betrachtung erkennen wir, es führt einfach kein Weg daran vorbei, dass wir größere Gebilde schaffen müssen, weil wir die Kosten auf Dauer nicht tragen können. Sie wissen das selbst sehr genau. Sie hätten das gern gemacht. Aber zu dem Zeitpunkt, an dem Sie hätten eingreifen können, haben Sie es nicht gewollt. Jetzt kommen Sie wie eine alte Frau hinterhergelaufen. Jetzt ist es eben so, wie es ist.

Aber es wird bei der Kommunal- und Verwaltungsreform weitere Schritte geben. Wir haben einen ersten Schritt getan. Der Herr Minister hat es ebenfalls angesprochen: Wir werden darüber hinaus die Kreise, die kreisfreien Städte und die Stadt-Umland-Problematik angehen müssen. Wir müssen auch dort Strukturen schaffen, die den Bedürfnissen der Menschen insgesamt – den Bedürfnissen, die wir alle haben – gerecht werden. Wir müssen der Tatsache gerecht werden, dass wir in den Städten sehr hohe Ausgaben haben, weil dort Infrastrukturleistungen vorgehalten werden. Aber diese erdrücken die Städte irgendwo. Auf dem flachen Land ist das vielleicht weniger akut.

Wir müssen hier versuchen, Interessenausgleiche herzustellen. Wie ein solcher Interessenausgleich im Einzelfall aussehen wird, weiß ich nicht. Aber dazu müssen wir uns zusammensetzen. Ich sage deutlich: Dazu sind Sie eingeladen. Springen Sie über Ihren Schatten, machen

Sie mit! Sie hätten sich bereits jetzt einbringen können, wenn Sie nur gewollt hätten. Aber Sie wollten nicht. Sie wollen immer dasselbe: Sie wollen allen unangenehmen Entscheidungen aus dem Weg gehen.

(Licht, CDU: Quatsch!)

Dass eine Kommunalreform unangenehme Entscheidungen mit sich bringt, weiß doch jeder. Ihre Aufgeregtheit erkenne ich daran, dass Sie nicht nur nicht zuhören können, sondern auch laufend dazwischenquaken. Auch das kennen wir von Ihnen.

(Zuruf von der CDU: Das fällt uns ein bisschen schwer!)

Ich glaube, bei Ihnen ist vieles schwer.

(Heiterkeit bei der SPD – Zuruf von der CDU)

Ich glaube, wir müssen versuchen, zueinander zurückzufinden, einfach deshalb, weil wir unabhängig davon, wer gerade in der Opposition oder an der Regierung ist, aufgrund der Gegebenheiten mit Problemen konfrontiert werden: die Demografie, die Finanzen usw. Wir alle sind davon betroffen. Ich glaube nicht, dass auf Dauer irgendeiner sagen kann: Wir machen nicht mit, weil uns A oder B nicht gefällt.– Deshalb ergeht an dieser Stelle die ganz herzliche Einladung an die Opposition, dass wir uns, wenn wir die weiteren Schritte angehen, zusammensetzen und versuchen, gemeinsam etwas zu bewegen. Ich glaube, das würde dem ganzen Land und uns allen gut tun. Wir sollten diesen Weg gehen.

(Beifall der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Herr Köbler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Haben Sie Verständnis dafür, dass ich nicht all das wiederhole, was wir in den vielfältigen Debatten zur Kommunal- und Verwaltungsreform hier in den letzten Monaten miteinander ausgefochten haben. Es ist so, dass die Kommunal- und Verwaltungsreform – Herr Minister Lewentz und Herr Kollege Noss haben darauf hingewiesen – in einem mehrjährigen Prozess vorbereitet worden ist und wir jetzt in die letzte Phase der ersten Stufe eintreten, also keineswegs am Ende sind.

Vielleicht sind wir im Bereich des ersten Drittels eines Triathlons. Wir wissen noch nicht genau, wie lange es noch dauert, aber ich habe schon mehrfach ausgeführt, dass die letzte umfassende Kommunal- und Verwaltungsreform unter Helmut Kohl – den könnte der eine oder andere von Ihnen noch kennen – über zwölf Jahre und 18 Gesetze angedauert hat.