Protokoll der Sitzung vom 11.12.2013

Darum lehnen wir Sie ab, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat der Finanzminister, Herr Kühl, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Jahr 2010 in diesem Hause damals mit Zustimmung der Fraktionen von SPD, CDU und FDP die Schuldenbremse verabschiedet, und seitdem wissen wir, dass Haushalte mit anderen Zielsetzungen aufgestellt werden, sich nach anderen Kriterien orientieren müssen als all die Jahrzehnte zuvor.

Das bedeutet aber auch, dass jeder von uns mit diesem neuen Kriterium in seinen Überlegungen, wie Haushalte aufgestellt werden sollen, umgehen muss. Ich muss sagen: Es erstaunt mich nicht nur, es ärgert mich auch ein bisschen, dass die Fraktion der CDU drei Jahre, nachdem man die Schuldenbremse in unsere Verfassung geschrieben hat, immer noch so etwas wie ein verkrampftes Verhältnis zu dieser Schuldenbremse hat.

Sie wollen einfach nicht wahrhaben, dass man sich im Zuge der Schuldenbremse dafür entschieden hat, das strukturelle Defizit als zentrales Kriterium, als Maßstab dafür, ob Konsolidierung gelingt oder nicht, in unsere Überlegungen einbezogen hat.

Ich will an drei Beispielen zeigen, warum Sie offensichtlich immer noch nicht bereit sind, diese Unterscheidung zwischen struktureller Konsolidierung und Entschuldung vorzunehmen. Sie nehmen die Steuermehreinnahmen, die aufgrund der Steuerschätzung im Herbst 2013 entstanden sind, und rechnen Sie den zusätzlichen Einnahmen hinzu, denen Sie zusätzliche Ausgaben, die Sie mit Ihren Deckblättern einfordern, entgegenstellen.

Wir haben von Anfang an artikuliert – Sie kennen die konjunkturneutrale Vorschrift bei der Ermittlung des strukturellen Defizits –, dass diese zusätzlichen Steuereinnahmen zu keiner Verbesserung des strukturellen Defizits führen, weil sie konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen sind.

Zum Zweiten. Es ist in allen Debatten über das Schuldenbremse-Umsetzungsgesetz und über die Schuldenbremse hoch- und runterdekliniert worden, dass finanzielle Transaktionen bei der Frage, ob ein Defizit eher strukturell anzusehen ist oder nicht, keine Rolle mehr spielen. Das heißt, für das strukturelle Defizit haben finanzielle Transaktionen keine Bewandtnis.

Sie generieren Krediteinnahmen in diesem Haushalt und rechnen Sie letzten Endes dem zu, was für zusätzliche Gestaltung zur Verfügung steht. Sie machen keine Differenzierung zwischen strukturellen und nicht strukturellen Einnahmen.

Zum Dritten. Sie nehmen Ausgaben, die Sie allenfalls einmal darstellen können – zum Großteil stehen diese Ausgaben aber nicht zur Verfügung –, um das strukturelle oder das allgemeine Defizit zu reduzieren, nämlich sogenannte Ausgabereste, um damit ihren Handlungsspielraum, den Sie mit zusätzlichen Ausgaben belegen, darzustellen.

Meine Damen und Herren, in der Summe – Herr Kollege Steinbach hat es gesagt – bin ich fest davon überzeugt, wenn Sie sich seriös daranmachen würden, Ihre Deckblätter nach strukturellen Kriterien zu sortieren, müssten Sie leider feststellen, dass Sie das strukturelle Defizit erhöhen und damit den Haushalt in eine Richtung bewegen, die wir für falsch halten. Wir haben bewusst eine stärkere Reduzierung des strukturellen Defizits und damit des zentralen Kriteriums der Schuldenbremse angestrebt, um so etwas wie einen Sicherheitsabstand zu gewinnen.

Sie nehmen zum Zweiten Ausgaben – Stichwort „Personalausgaben“ – und versuchen, eine Gegenfinanzierung darzustellen, indem Sie zunächst erklären, dass Sie 350 Lehrerstellen mehr einführen, aber eigentlich 1.750 Stellen abbauen wollen. Zum Dritten wollen Sie eine „mystische Personalverwaltungsstelle“ einrichten, die in der Lage sein soll, diejenigen Stellen, die an anderer Stelle benötigt werden, auf irgendeine Art und Weise zu generieren.

Wir haben mehrfach betont, dass wir diese Personalvermittlungsstelle für unseriös halten. Ich habe auch den Begriff „Popanz“ dafür verwandt. Ich möchte eigentlich als Kronzeugen dafür, warum das nicht funktioniert, Kollegen in anderen Bundesländern heranziehen.

In Berlin ist das zentrale Personalüberhangsmanagement 2012 nach kurzer Zeit beendet worden. Warum? – Weil es nicht funktioniert hat, und nicht, weil im Land Berlin nicht weiterer Personalabbau notwendig wäre.

In Hessen findet sich seit 2009 kein Geld mehr für eine Personalvermittlungsstelle. Warum? – Weil es nicht funktioniert hat. Das Gleiche in Nordrhein-Westfalen, das Gleiche in Bayern und das Gleiche in Thüringen. Jetzt erklären Sie mir bitte, warum wir eine Geschichte, die vielleicht aus guten Gründen in anderen Ländern versucht worden ist, dort aber nicht funktioniert hat, bei uns etablieren sollen, damit wir erstens Kosten verursachen und zweitens zu dem Ergebnis kommen, dass es uns keinen zusätzlichen Nutzen bringt.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Steinbach hat darauf hingewiesen – ich finde, das ist für die politische Diskussion ein Stück weit problematisch –, man hat über zwei Jahre nach einer Verabschiedung des Haushalts Gelegenheit, für bestimmte politische Dinge mehr Geld einzufordern. Ich finde, das ist legitim. Aber dann muss man nach den zwei Jahren, wenn es zum Schwur kommt, wenn ein Haushalt etabliert wird, zeigen, dass man das abbilden und an einer anderen Stelle gegensparen kann.

Sie haben den Bediensteten dieses Landes, denen wir eine nicht ganz einfache Einsparung zugemutet haben und auch in Zukunft noch zumuten müssen, nämlich über fünf Jahre sich jeweils mit einer 1%igen Gehaltssteigerung zu begnügen, immer gesagt, wenn Sie etwas zu sagen hätten, würden Sie es anders machen.

Jetzt hätten Sie es anders machen können. Nichts ist passiert. Sie haben keinen Antrag vorgelegt, mit dem Sie eine Gehaltserhöhung finanzieren wollen. Sie verweisen auf zentral veranschlagte Personalausgaben, über die wir in aller Ausführlichkeit in den Ausschussberatungen geredet und Ihnen erklärt haben, für was wir die benötigen.

Ich glaube, es waren sechs oder sieben Risiken bzw. nicht aufteilbare Komponenten von Personalausgaben, die zentral veranschlagt sind, weil wir sie heute nicht einzelnen Kapiteln zuordnen können, unter anderem Tarifsteigerungen, von denen wir wissen, dass sie für uns gesetzlich verpflichtend sind und spätestens im Jahr 2015 auf uns zukommen.

Sie tun so, als könnte dieses Geld verwandt werden, um den Beamtinnen und Beamten des Landes die Gehaltssteigerungen, die sie sich wünschen, nämlich Anpassung an den Tarif, zu bezahlen.

Meine Damen und Herren, ich finde das unlauter und nicht fair gegenüber denjenigen, nämlich den Beamtinnen und Beamten, die auch die Chance haben sollen, das einschätzen zu können, was eine Regierung ihnen zumutet. Eine Opposition, die ihnen immer erzählt, wir würden es anders machen, aber es nachher nicht tut, wenn sie den Beweis antreten muss, handelt an der Stelle alles andere als seriös.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ähnlich ist es beim Kommunalen Finanzausgleich. Sie haben über Monate gesagt, das Geld, das das Land zusätzlich in den Kommunalen Finanzausgleich für die Jahre 2014 bis 2016 hineingibt, nämlich 490 Millionen Euro, ist zu wenig. Wir haben gesagt, es ist hinreichend, um ab dem Jahr 2014 erstmals einen positiven Überschuss des Finanzierungssaldos zu haben, der sich in den Jahren 2015 und 2016 weiter fortentwickelt.

Man kann natürlich der Auffassung sein, dass man mehr Geld hineintut, aber man kann es nicht erzählen, weil es wohlfeil ist, und nachher, wenn es zum Schwur kommt, wenn man es unter Beweis stellen muss, es nicht tun.

Es gibt in Ihren Deckblättern, Ihren Haushaltsanträgen, keinen einzigen Antrag, der darauf abzielt, die Finanzausgleichsmasse anzuheben und zu verändern. Wir haben versucht, begleitend zu den Dingen in der Finanzausgleichsmasse zu den 490 Millionen Euro verschiedene arrondierende Maßnahmen vorzunehmen.

Wir haben vor einiger Zeit den Kommunalen Entschuldungsfonds aufgelegt. Wir haben den Kommunen die Zensusmittel vorzeitig bereitgestellt, immerhin 70 Millionen Euro. Wir haben neben der Grundsicherung im Alter, die bereits vor zwei Jahren zwischen uns und dem Bund verhandelt worden ist, jetzt versucht, Rahmenbedingungen in den Koalitionsvereinbarungen festzusetzen, die den Kommunen eine Entlastung bei der Eingliederungshilfe geben.

Meine Damen und Herren, es gibt ein paar Punkte, über die man reden kann. Ich will zwei herausgreifen. Ich finde, da kann man eine faire politische Auseinandersetzung führen, weil man entweder dieser oder jener Auffassung sein kann.

Sie sagen, Sie wollen die Kita-Beiträge wieder einführen. Sie versuchen 80 Millionen Euro zu generieren. Auf die sozialen Auswirkungen hat der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion ausführlich hingewiesen. Ich bin der Meinung, es ist der falsche Weg. Herr Kollege Steinbach hat darauf hingewiesen, es gibt eine zweite Möglichkeit, man kann es über das Steuersystem finanzieren. Wenn man es über das Steuersystem finanziert, heißt das, dass jemand, der gleich viel verdient und keine Kinder hat, sich auch an der Finanzierung der Kindergartenkosten von Eltern mit Kindern beteiligt. Man kann fragen, ob

das fair und gerecht ist. Ich meine, es ist fair und gerecht.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen drei Gründe nennen, warum ich glaube, dass es fair und gerecht ist. Wenn wir in dieser Gesellschaft der Auffassung sind, dass wir wegen des demografischen Wandels familienfreundliche Rahmenbedingungen schaffen müssen, dann können wir es nicht nur den Eltern der Kinder überlassen, diese Kindergartenbeiträge zu finanzieren. Wenn wir der Meinung sind, dass Frauen verstärkt die Chance haben sollen, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, auch weil die Unternehmen diese qualifizierten Arbeitskräfte herbeisehnen, dann müssen wir als Staat Rahmenbedingungen schaffen, die wir nicht alleine auf den Schultern derjenigen lassen können, die Kinder haben, sondern dann ist es eben eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Wenn wir glauben, wir wollen Bildung von Anfang an, weil das gut für die Kinder und für die gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Entwicklung ist, dann ist das auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie generieren mit der Bepreisung der Schülerbeförderung und der Aufhebung der Beitragsfreiheit ca. 105 Millionen Euro. Interessanterweise ist das ungefähr der Betrag, den das Land Rheinland-Pfalz zusätzlich bekommen würde, wenn der Spitzensteuersatz angehoben würde.

Nach meinem Gefühl wäre das eine wesentlich fairere Lastenverteilung für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht. Ich finde, die Besserverdienenden, zu denen ich gehöre und zu denen Sie gehören, könnten sagen, dass mit unseren Steuergeldern etwas Vernünftiges geschieht, wenn wir anstatt einer Erhöhung oder Einführung von Kindergartenbeiträgen zusätzliche Mittel durch eine fairere Verteilung finanzieren.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Meine Damen und Herren, ich will am Ende noch einige Dinge richtigstellen, die in dieser Debatte genannt worden sind.

Herr Weiland, Sie haben gesagt, wer sein Land in die größte Verschuldung seiner Geschichte geführt hat, der sollte ein bisschen leiser und bescheidener auftreten. Sagen Sie das auch Herrn Schäuble? Sagen Sie das auch Herrn Bouffier?

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Alle Länder, außer Bayern und wenigen ostdeutschen Ländern, die in den letzten ein bis zwei Jahren Schulden getilgt haben, und der Bund haben seit mehreren Jahrzehnten jedes Jahr höhere Schulden gemacht.

Im Übrigen hätten Sie diese Rede, hätten Sie in den ersten 40 Jahren dieses Parlaments dort gesessen, wo Sie heute sitzen, jedes Jahr einem CDU-Finanzminister – manchmal gab es auch einen FDP-Finanzminister – halten können. In jedem Jahr in diesen 40 Jahren sind die Schulden des rheinland-pfälzischen Staatshaushalts ein bisschen größer geworden.

Warum war das so? – Weil wir alle gemeinsam als gesellschaftlichen Konsens eine andere Schuldenbegrenzungsregel hatten, weil wir sie damals gemeinsam als richtig erachtet haben, und deshalb ist das so geschehen.

Im Jahre 2009 hat man auf Bundes- und im Jahr 2010 auf Landesebene aus guten Gründen aus der Erfahrung der Finanzkrise heraus gesagt, wir wollen es anders haben. Wir haben uns dann Abbaupfade und Zeiträume eingeräumt, in denen wir diese Entschuldung vornehmen können. Dann ist es völlig unlauter und unredlich, einen Schuldenstand im Jahre x als etwas Singuläres oder Außergewöhnliches darzustellen.

Sie sagen – ich glaube, es war Frau Klöckner –, wir würden die Nettokreditaufnahme nicht ausweisen. Wir können nichts anderes machen, als Ihnen den Landeshaushalt zu reichen. Dort steht es drin. Wir können es Ihnen auch demnächst vorlesen, aber dann können wir Ihnen alle Haushaltstitel vorlesen.

Wir verschweigen nichts. Wir könnten es auch gar nicht verschweigen; denn die Haushaltssystematik, nach der wir Haushalte aufstellen müssen, fordert uns geradezu auf, diese Nettokreditaufnahme, die Sie gern erfahren wollen, auszuweisen.

Die Zins-Steuer-Quote beträgt in Rheinland-Pfalz 12 %. Frau Klöckner, das müssen Sie mir noch erzählen, woher Sie diese Zahl haben.

Die letzte abgerechnete Zahl, die ich kenne – das ist auch die, die der Stabilitätsrat, ein Bund-LänderGremium, das kennen Sie, für seine Defizitbewertung entgegengenommen hat –, war 9,3 %.

(Pörksen, SPD: Aha!)

Im Übrigen lag sie im Jahr 2012 bei den anderen Bundesländern wie Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, mit denen wir uns vergleichen, ungefähr in gleicher Größenordnung. Es gab einige Bundesländer, die eine deutlich höhere Zins-Steuer-Quote hatten. Herr Dr. Weiland, falls es Sie interessiert, weil Sie schon etwas länger dabei sind, im Jahr 1990, letztes Jahr CDURegierung, lag sie bei 13,1 %.