Wir nehmen diese Aufgabe sehr engagiert wahr und konnten damit erreichen, dass wir in Rheinland-Pfalz, wo der Zustand so ist, dass wir von den Skandalen nicht betroffen sind, dennoch über Audits und weitere Überprüfungen dazu beitragen, dass nicht nur in den Transplantationszentren weiterhin gut gearbeitet wird, sondern es darüber hinaus auch bei den Beobachterinnen und Beobachtern, bei den möglicherweise Betroffenen, bei deren Angehörigen und bei der kritischen Öffentlichkeit immer klarer wird: In Rheinland-Pfalz können solche Situationen, wie wir sie in Göttingen und andernorts erlebt haben, nicht eintreffen.
Herr Minister, ich habe eine Nachfrage, die sich auf die Antwort zu meiner Kleinen Anfrage vom 6. Juni 2013 zum Thema „Tag der Organspende“ bezieht. In der Antwort zu Frage 4 führt die Landesregierung aus, dass sie derzeit keinen Handlungsbedarf zur Weiterentwicklung der erfolgreichen Kooperationsvereinbarung sieht, denn diese hätte maßgeblich dazu beigetragen, dass trotz der Skandale im Transplantationswesen eine positive Entwicklung der Organspendezahlen in RheinlandPfalz zu verzeichnen sei.
Ich bleibe bei der Auffassung – ich konnte das auch mit den Zahlen festlegen –, wie sie auch Frau Dr. Samuel, die wichtigste Ansprechpartnerin des Landes im Bereich der Organspende – sie ist die Geschäftsführende Ärztin der DSO für die Region Mitte –, mitgeteilt hat. Sie hat kürzlich gegenüber der „Rhein-Zeitung“ formuliert – ich zitiere –: Der Skandal ist an Rheinland-Pfalz im vergangen Jahr vorbeigegangen. –
Aber dennoch – um Ihre Frage zu beantworten, Herr Dr. Enders – müssen wir auch weiterhin alles Engagement investieren, um diese öffentliche Sensibilisierung möglich zu machen. Hier sind allen voran die Kooperationen mit den Partnern zu nennen.
Herr Minister Schweitzer, obwohl 70 % bis 80 % der Bevölkerung der Organspende positiv gegenüberstehen, wie können wir dahin gehend arbeiten, dass die Bereitschaft nachhaltig gesteigert wird?
Zunächst einmal durch eine solche Debatte, durch die Tatsache, dass wir dieses Thema an den Anfang einer Plenarsitzung stellen und uns darüber im Klaren sind, dass wir diese Debatte nicht nur in diesem Haus behalten sollten, sondern wir alle, wenn wir unterwegs sind, vielleicht mit einer persönlichen Entscheidung vorangehen, aber zumindest im politischen und gesellschaftlichen Umfeld darauf hinweisen und dafür werben, dass Organspenden Leben retten.
Ich bin mir sicher, dass sich jeder von uns schon persönlich mit dieser Frage beschäftigt hat. Auch ich habe einen Organspendeausweis und verheimliche das nicht. An jeden, der sich in dieser ganz persönlichen Entscheidung – man kann darüber sozusagen keinen Rahmen werfen und sagen, man muss und soll auf jeden Fall – hat dazu durchringen können, einen Organspendeausweis zu haben, kann ich nur appellieren, dass man das nicht verheimlicht, sondern überall darauf hinweist.
Es ist tatsächlich so: Es hilft Menschen, und es hilft Leben retten. Noch einmal die Zahl: 500 Patientinnen und Patienten warten derzeit in Rheinland-Pfalz auf ein Organ, um weiterleben zu können.
Sehr geehrter Herr Minister, wir sprechen viel über Vertrauen. Welche vertrauensbildenden Maßnahmen können oder müssen die Transplantationszentren selbst ergreifen?
Zunächst einmal ist es so, es muss sich wieder Vertrauen bilden. Ich würde sagen, eine der Hauptursachen dafür, dass die Zahlen bundesweit so dramatisch zurückgegangen sind, ist das verloren gegangene Vertrauen. Das können die Transplantationszentren nur durch gute, gewissenhafte und transparente Arbeit wieder aufbauen.
Ich will noch hinzufügen, dass wir bei den beiden Transplantationszentren in Rheinland-Pfalz – angesiedelt an der Uniklinik in Mainz und im Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern – schon seit vielen Jahren zum Beispiel das Mehr-Augen-Prinzip sowie Transplantationskonferenzen haben. Das heißt, interdisziplinär setzt man sich zusammen, und die Fachkolleginnen und Fachkollegen überlegen: Wie ist die Situation, und wie können wir bei den betroffenen Patientinnen und Patienten für eine Organentnahme werben?
Bei den Patienten selbst, solange sie noch dazu in der Lage sind, sich darüber gegenüber dem ärztlichen Personal zu äußern, oder bei den Angehörigen. Wie bekommen wir Abläufe so gestaltet, dass wie in Kooperation mit den Organent-nahmestellen in den Intensivstationen der Häuser in Rheinland-Pfalz ein gutes Management haben?
Ich will noch einen Punkt hinzufügen, der auch Konsens ist. Eine ethische Vereinbarung bei den Transplantationszentren in Rheinland-Pfalz ist, dass es keine Bonuszahlungen und keine Extravergütung gibt und deutlich wird: Es ist kein pekuniäres Interesse bei dem ärztlichen Personal vorhanden, wenn es sich um die Organentnahme besonders engagiert kümmert, sondern hier geht es um das Wohl der Patientinnen und Patienten. Ich denke, wenn sich das noch weiter transportiert, da sind wir dort weiterhin auf einem guten Weg.
Herr Minister, bei der Novellierung des Transplantationsgesetzes von 1997 sind wir von der erweiterten Zustimmungslösung einen Schritt weitergegangen zur Entscheidungslösung. Es gibt nach wie vor die Debatte darüber, ob es gesetzliche Änderungen und Verbesserungen geben müsste.
Sehen Sie die Notwendigkeit nach gesetzlicher Veränderung gerade bei den Rahmenbedingungen der Le bendspende?
Nein, ich glaube nicht, dass man in einer Situation, in der verloren gegangenes Vertrauen wieder aufgebaut werden muss, den gesetzgeberischen Rahmen enger fassen und den Druck auf die Entscheidungssituation erhöhen muss und dadurch eine andere Kultur der Organspende bekommt.
Ich glaube, dass wir mit der Lösung, die wir mit der Entscheidungsregelung, mit den Anschreiben durch die Kassen, mit der Information durch die Kassen und mit der Aufklärung gefunden haben und die Entscheidung bei den Betroffenen belassen, auf einem richtigen Weg sind.
Der Blick in andere Länder, die andere Regelungen haben, zum Beispiel Österreich und Spanien, zeigt, dass auch eine andere Regelung, sozusagen eine Widerspruchslösung, nicht zwangsläufig zu besseren Organspendesituationen führt. Dazu hat ursächlich eher beigetragen, dass in diesen Ländern eine breite gesellschaftliche Debatte über die Organentnahme, die Organspende geführt wurde und was sie für die betroffenen Menschen leisten kann.
Das ist auch der Weg, den ich mir vornehme, nämlich diskutieren, Aufklärung herbeiführen, für Transparenz sorgen, wie wir es in Rheinland-Pfalz kennen, und darauf setzen, dass sich dieses Vertrauen wieder aufbaut, und auch mit gutem Beispiel vorangehen. Das will ich nicht hintanstellen. Auch damit kann man werben, und wir sollten es alle im Rahmen unserer Möglichkeiten tun.
Herr Minister, auch ich habe einen Organspendeausweis wie viele Kolleginnen und Kollegen. Ich glaube, jedoch nicht alle. Vielleicht müssen wir auch bei uns im Parlament noch ein bisschen arbeiten.
Sie sprachen den Rücklauf der Anschreiben der Krankenkassen an. Gibt es bis jetzt Erkenntnisse – es ist erst eine kurze Zeit, dass es so gehandhabt wird –, ob eine zunehmende Bereitschaft festzustellen ist, dass die Rückläufe positiv entschieden werden?
Wenn Sie gestatten, eine zweite Frage. Welche Möglichkeiten hat das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium bei der Überprüfung der Transplantationszentren?
Zu Frage 1: Mir sind noch keine aktuellen Entwicklungen durch die neue Regelung, die auch erst seit einigen Monaten in der Umsetzung ist, bekannt. Ich habe eine Zahl im Kopf, die lautet, dass gerade einmal 15 % aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland – nicht nur Deutsche; da muss man differenzieren – über einen Organspendeausweis verfügen. Natürlich würde ich mir wünschen, dass es weitaus mehr sind. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass in den meisten Situationen, in denen die Organentnahme relevant wird, auch die Angehörigen ein Wort mitzureden haben.
Deshalb muss diese Aufklärung und diese gesellschaftliche Debatte, von der ich gesprochen habe, sich nicht nur darauf fokussieren, Organspendeausweise auszugeben – das ist ein wichtiger Punkt –, sondern es müssen alle auch im Umfeld eines Betroffenen bereit sein, in dieser Situation eine entsprechende Entscheidung zu treffen.
Die Möglichkeiten des Landes sind, über den nachgeordneten Bereich, über die Landesbehörden, in die Transplantationszentren zu gehen und dafür zu sorgen, dass über stichprobenartige und unangekündigte Kontrollen Transparenz hergestellt wird und ein System der permanenten Beobachtung und der permanenten Kontrolle entsteht.
Die Kontrolle haben wir seit einiger Zeit durch bundesgesetzliche Veränderungen. Wir nehmen sie sehr engagiert wahr, sie sind auch Teil des derzeit laufenden Prüfungsverfahrens durch die Prüfungs- und Überwachungskommission der Selbstverwaltung.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben ausgeführt, wie wichtig die Arbeit in den Entnahmekrankenhäusern und den Krankenhäusern selbst ist. Die unterstützende Arbeit der Transplantationsbeauftragten gehört dazu, die die Abläufe in den Krankenhäusern organisieren, sensibilisieren, Gespräche mit Angehörigen führen. Meine Frage betrifft diese sehr wichtige Funktion. Gibt es an allen rheinland-pfälzischen Krankenhäusern Transplantationsbeauftragte?
Ich bin sehr froh sagen zu können, ja, in allen Krankenhäusern, die über Intensivstationen in Rheinland-Pfalz verfügen, gibt es Transplantationsbeauftragte, die das mit hohem persönlichem Engagement machen, die das manchmal auch als Plusleistung zu ihrer eigentlichen Tätigkeit machen. Sie tragen entscheidend dazu bei, dass Angehörige informiert werden, dass sie manchmal auch psychologisch in die Entscheidungsfindung eingebettet werden, dass die Betroffenen früh wissen, was auf sie zukommen könnte.
Das sind die entscheidenden Akteure in den Häusern, die dazu beitragen, dass wir die gute Entwicklung in Rheinland-Pfalz haben. Ich sage deutlich, ich hoffe, dass sie so gut bleibt und vielleicht noch besser wird.
Der große Skandal und die Auswirkungen dieses dramatischen Skandals sind an Rheinland-Pfalz vorbeigegangen. Die Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern haben entscheidend dazu beigetragen.
Herr Minister, meine Frage vorhin bezog sich nicht auf eine gesetzliche Neuregelung mit Blick auf die Widerspruchslösung. Ich glaube, da sind wir uns alle einig, dass die Widerspruchslösung genau das Gegenteil bewirken würde.
Meine Frage bezog sich auf Ihre Einschätzung nach einer gesetzlichen Neuregelung bei der Lebendspende. Es wird nicht nur postmortal gespendet.
Sie kennen die Debatte um das Pooling. Sie wissen um die Cross-Over-Spende. Deshalb habe ich die Frage: Sehen Sie bei der Lebendspende – es gibt die Möglichkeit der Teilleberspende oder einer Nierenspende – die Notwendigkeit für eine gesetzliche Neuregelung, so wie es zum Beispiel die Gesellschaft für Transplantationsmedizin fordert?
Frau Abgeordnete Klöckner, zunächst einmal sage ich Folgendes: Ihre Interpretation meiner Antwort trifft nicht genau meine Intention. Ich habe nicht gesagt, dass eine Widerspruchslösung zum Gegenteil führt. Ich habe gesagt, sie führt nicht zu einer Debatte, wie ich sie mir wünschen würde, dass die Überzeugung des Betroffenen und seiner Angehörigen dazu führt, dass man sich zur Organspende bekennt. Meine Vorstellung einer gesellschaftlichen Debatte ist die, dass wir sagen, es ist gut, dass die Organspende vielleicht irgendwann als etwas Selbstverständliches wahrgenommen wird, wenn diese Entscheidung ansteht.
Ich komme zu der weiteren Frage. Ich möchte mich heute noch nicht abschließend zu dieser Debatte äußern. Das ist eine Debatte, die auch in den Fachkreisen geführt wird. Ich würde vorschlagen, dass wir uns zunächst darauf konzentrieren, mit den Grundlagen der gesetzlichen Veränderung, wie wir sie bisher haben und wie sie zurzeit sich noch in der Ausgestaltung befindet, so sinnvoll umzugehen, wie ich es vorgeschlagen habe.
Ich habe eine Nachfrage. Neben den Skandalen gibt es einen weiteren Störfaktor. In der medizinischen Fachwelt wird zum Glück nur vereinzelt diskutiert, dass man die Kriterien der Hirntodfeststellung neu bewerten müsste. Es wird infrage gestellt, ob die derzeit gültigen Kriterien noch objektiv sind. Gott sei Dank sind das nur vereinzelte Meinungen. Ich teile diese Meinung nicht. Ich sehe ein
Problem darin, wenn das lange genug kolportiert wird, dass das meinungsbildend wirkt und das Entscheidungsverhalten der Bevölkerung beeinflussen kann. Wie sehen Sie eine Möglichkeit, etwas Ruhe hereinzubringen?
Lieber Herr Dr. Enders, ich trauen Ihnen, spontan gesagt, da fachlich ein stärkeres Urteil zu als mir selbst. Das geht die sehr spezifische Frage der Hirntodfeststellung an. Ich stimme Ihnen auf jeden Fall zu, dass das sicherlich nicht dazu beiträgt, dass sich Vertrauen aufbaut. Wir sollten alle dazu beitragen, und zwar jeder in seiner Funktion, dass wir den Fokus in der Debatte auf das richten, um das es heute geht. Wir haben Transparenz, wir haben gute Zustände in den Transplantationszentren. Hier wird nach Ordnung, Recht und Gesetz gearbeitet. Jeder weiß, wenn er ein Organ spendet, dass es den Betroffenen nach einem System zugutekommt, das in sich gerecht und nicht manipuliert ist. Das sollten wir alle miteinander in den Vordergrund der Debatte rücken. Ich bin mir sicher, dass dann Nebenaspekte einer solchen Debatte in den Hintergrund geraten könnten.