Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich als erstes bei Herrn Kollegen Dr. Peter Enders entschuldigen. Es ist wirklich nicht in Ordnung, wenn man es nicht mitbekommt, dass er seine Rede beendet hat. Ich war mit den Gedanken bei meiner eigenen zweiten Runde. Ich finde, er hat wirklich eine gute Rede gehalten, sehr geehrter Herr Minister Schweitzer.
Deshalb möchte ich Herrn Kollegen Dr. Enders jetzt ausdrücklich applaudieren. Er hat mit seinen Aussagen noch einmal deutlich gemacht, dass wir keineswegs eine
Fundamentalopposition betreiben und wir sehr wohl wahrnehmen, dass gute Ansätze in dem Zukunftsprogramm von Ihnen festgelegt und auf den Weg gebracht worden sind.
Wir haben keineswegs den Eindruck, dass Sie tatsächlich die Zeichen der Zeit erkannt haben, sehr geehrter Herr Minister.
Ich mache das an dem Satz fest, mit dem Sie Ihre Pressemitteilung einleiten, mit der Sie der Öffentlichkeit Ihr neues Zukunftsprogramm vorstellen. Sie stellen fest, Rheinland-Pfalz verfügt über eine bedarfsgerechte, flächendeckende, ortsnahe und qualitativ gute medizinische und pflegerische Versorgung. Wer die Realität in Rheinland-Pfalz, nämlich heute schon das Fehlen von mehreren Tausend Pflegekräften, ausblendet und diese Situation als gut darstellt, hat nach unserer Auffassung die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Sie wissen, dass wir vor einiger Zeit in unserem Haus, im Ausschuss die Studie diskutiert haben „112 – und niemand hilft“ von PricewaterhouseCoopers (PwC) – auch mit der Korrektur durch die Zahlen der Landesregierung –, mit der sehr genau analysiert wurde, wie die Situation in Deutschland aussieht.
Im Original ist das farblich abgesetzt. Hier sind nur Graustufen. Sie können alle erkennen, Rheinland-Pfalz ist immer bei den ganz dunkelgrauen Feldern. Das sind in der Studie in der Originalgrafik die dunkelroten Länder. Das sind die Länder, in denen es heute und vor allem 2030 am schlechtesten in Deutschland aussehen wird.
Ich kann nicht sagen, wir sind gut aufgestellt. Es ist höchste Zeit, dass wir etwas tun. Ich sage höchste Zeit, weil wir schon lange in diesem Haus gerade den Pflegefachkräftemangel thematisieren und anmahnen, die demografische Entwicklung beschreiben sowie das Missverhältnis zwischen der alternden Bevölkerung, den zunehmend Hochbetagten und damit die Zunahme der Pflegefälle und den befürchteten Rückgang der Menschen, die bereit sind einen Pflegeberuf zu ergreifen, benennen.
Im April 2003 habe ich von dieser Stelle schon auf das Thema hingewiesen und darauf, dass wir eventuell mit der Pflegeversicherung die finanzielle Situation in den Begriff bekommen können. Sie hat tatsächlich das ge
bracht, was Herr Blüm vorausgesagt hat. Sie hat vor allen Dingen die häusliche Pflege gestärkt. Das war das Ziel. Ohne die häusliche Pflege sähen wir heute wirklich ganz alt aus. Schon damals haben wir festgestellt, mit dem Euro werden wir nicht pflegen können. Er hat keine Hände. Wir brauchen die Menschen, die die Pflege an den pflegebedürftigen Menschen vornehmen.
Sehr geehrter Herr Minister, da ist mir eines etwas negativ aufgestoßen. Sie haben betont, wie wichtig es Ihnen bei diesem Programm und der Konzeption Ihres Programmes ist, viele Partnerinnen und Partner einzubinden. Es ist wirklich zum Teil beachtlich, wen Sie mit ins Boot genommen haben. Das gilt insbesondere für die Bereiche, in denen es um die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung unserer Bevölkerung geht.
Wenn man sich anschaut, wen Sie eingebunden haben, dann fällt auf, dass eine ganz wichtige Gruppe fehlt. Sie sagen – ich zitiere aus Ihrer eigenen Pressemeldung, weil es dort am kürzesten zusammengefasst ist –: „Unser Ziel ist es, im Dialog mit den Anbietern von Pflegeleistungen“ – das sind die Arbeitgeber, die sozialen Dienste, die Pflegedienste – „den Krankenhäusern, den Kommunen, niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten Kooperationen zu erproben und Strukturen zu entwickeln, die eine medizinische und pflegerische Versorgung auf hohem Niveau auch in ländlichen Regionen sicherstellt.“ Das ist gut, aber es fehlen genau die Pflegefachkräfte, die Sie nicht eingebunden haben.
Ich finde, das ist schon ein erhebliches Manko. Sie hätten ihnen sehr genau sagen können, was die Pflege braucht, um attraktiver für junge Menschen zu werden, um diesen Beruf für viele Nachwuchskräfte noch einmal attraktiv zu machen. Ich glaube Ihnen, dass Sie viel positives Hallo auf dieses Programm bekommen haben. Das ist unbenommen. Das sei Ihnen zugestanden, teilweise auch von unseren Kollegen. Aber es gibt durchaus auch kritische Rückmeldungen, und zwar von der Rheinland-Pfälzischen Pflegegesellschaft, die sich sehr übergangen fühlt, die sehr froh gewesen wäre, wenn sie die Chance gehabt hätte, ihre Kompetenz in dieses große Projekt für Rheinland-Pfalz einzubringen.
Das, was Sie für die Sicherung der Pflege vorsehen, ist wirklich ein Programm, das sich an die Anbieter richtet. Das kann in Teilen wirken. Ich will gar nicht sagen, dass es nicht wirkt. Sie wollen ihnen helfen, wenn es darum geht, zum Beispiel ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser zu führen. Das kann nie verkehrt sein. Das ist sicherlich sinnvoll. Sie wollen sie in den Stand versetzen, durch eine Beratung eine zukunftsfeste Personalplanung und -wirtschaft in ihren eigenen Häusern vorzunehmen.
Das ist im Prinzip auch richtig. Wenn ich aber weiß, dass eine zukunftsweisende Personalwirtschaft zwingend voraussetzt, dass ich das Personal, das ich dafür brau
Sehr geehrter Herr Minister, wir werden die weiteren Diskussionen konstruktiv, aber durchaus auch kritisch begleiten, und wir sind gespannt, was wir tatsächlich erreichen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Thelen, ich teile Ihre Kritik ausdrücklich nicht.
Es ist schön, wenn man sich einmal auseinandersetzen kann. – Ich teile sie deshalb nicht, weil diese Regierung allein schon mit dem Branchenmonitoring dazu beigetragen hat, dass wir mehr Pflegekräfte ausbilden und den Pflegeberuf attraktiver machen. Das Programm „Gesundheit und Pflege – 2020“ benennt die richtigen Handlungsfelder, um auf diesem Weg weiterzukommen. Ich kann Ihre Kritik deshalb nicht teilen.
Aber die drei Handlungsfelder dieses Programms – Ihr Kollege Enders hat es schon gesagt, Sie bestätigen es im Grunde – sind die richtigen, um Antworten auf die bestehenden Probleme zu geben. Sie bestehen sowohl bei der ärztlichen Versorgung als auch bei der pflegerischen Versorgung.
Herr Enders, Ihre Kritik kann ich schon gar nicht verstehen. Sie werfen der früheren Landesregierung vor, mit dem Masterplan sozusagen die Zeit verschlafen und Anregungen nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Sie sagen, dass sie Anregungen nicht aufgenommen und sogar den drohenden Ärztemangel kleingeredet habe. Jetzt bin ich als GRÜNER natürlich nicht in der Position, den Masterplan zu verteidigen. Damals waren wir nicht in diesem Hohen Hause vertreten, und die Vorgängerregierung konnte gar nicht alles richtig gemacht haben, sonst wären wir nämlich nicht gewählt worden.
An dieser Stelle muss ich die frühere Sozialministerin und den jetzigen Sozialminister natürlich in Schutz nehmen. Wer hat denn den Sicherstellungsauftrag? – Herr
Enders, Sie sind Arzt, und ich bin Arzt. Den Sicherstellungsauftrag hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV). Wenn wir diesen Masterplan nur mit 400.000 Euro Landesmitteln ausstatten, frage ich mich, warum die KV nichts drauflegt.
Professor Hessenauer hat natürlich recht, wenn er vor einem drohenden Ärztemangel warnt. Aber dann soll er doch zu Frau Ultes-Kaiser gehen und ihr das sagen. Sie ist die Vorsitzende der KV. Die KV ist Inhaberin des Sicherstellungsauftrags. Niemand in diesem Hohen Hause wird sich dagegen verwahren, wenn sich die Ärzte angemessen an der ärztlichen Versorgung, an deren Finanzierung und an der Finanzierung der Maßnahmen gegen den drohenden Ärztemangel beteiligen.
Noch mehr Nerven haben Sie meines Erachtens bei dem Punkt „Sicherstellung der pflegerischen Versorgung“ bewiesen. Wenn ich daran denke, dass wir 2012 das Jahr der Pflege hatten: 2012 hat der Gesundheitsminister Rösler – Sie erinnern sich, den gab es einmal – das Jahr der Pflege ausgerufen, und dann hat er, damit dieses große Werk vollendet werden kann, extra noch einen Nachfolger ins Amt geschickt, ebenfalls von der FDP. Das war eine CDU-geführte Bundesregierung, die 2012 das Jahr der Pflege ausgerufen hat.
Seit 2009 haben wir den modernen Pflegebegriff. Jetzt haben wir die nächste Bundesregierung. Ihr Parteikollege, Herr Gröhe, wird es hoffentlich besser machen und endlich einen der Zeit angemessenen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen. Das ist nämlich die Voraussetzung dafür, dass Tausende Pflegebedürftiger überhaupt erst einmal als solche erkannt und anerkannt werden. Wir wissen ja gar nicht, worüber wir reden. Wir sagen, die Demenz ist ein riesengroßes Problem. Aber die Leute werden gar nicht erfasst. Wenn sie einen Pflegeantrag stellen, wird er abgelehnt.
Einen kleinen Schritt haben wir gemacht. Der „PflegeBahr“ wurde eingeführt – ein völlig sinnloses Unterfangen in diesem ganzen Bereich. Jetzt stellen Sie sich hierhin und sagen, die Landesregierung sei dafür verantwortlich, dass das mit der Pflege nicht auf den Weg gebracht wird. Ganz ehrlich, das kann ich nicht nachvollziehen.
Mit dem Versorgungsstrukturgesetz im Gesundheitsbereich ist es das gleiche Elend: kleine Schritte, ein Unterschied zwischen der Überversorgung in den Städten und der Unterversorgung auf dem Land. Mit keinem Wort wird der angegangen. Stattdessen sagt man: Nun gut, wenn die Ärzte schon anderthalbmal so viel arbeiten, wie sie eigentlich können, sollen sie Geld dafür bekommen. – Das ist gut, aber damit hebt man doch die Selbstausbeutung der Ärzte nicht auf, die dafür sorgt, dass junge Ärzte genau diesen Job nicht machen wollen. Der Ball liegt seit vielen Jahren im Feld der Bundesregierung. Jetzt warten wir einmal ab, ob es besser wird.