Protokoll der Sitzung vom 17.08.2011

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Insofern kommen wir zur unmittelbaren Abstimmung über den Gesetzentwurf – Drucksachen 16/26/168 – in zweiter Beratung, da die Beschlussempfehlung die unveränderte Annahme empfiehlt. Wer dem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Seniorinnen und Senioren aus den Gemeinden Lautert und Oberwallmenach sowie Gästeführerinnen und -führer der Metropolregion Rhein-Neckar. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 16/188 –

Erste Beratung

Das Gesetz wird von Herrn Ministerpräsident Kurt Beck eingebracht.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt Ihnen heute diesen Gesetzentwurf vor, der zum Inhalt hat, den sogenannten Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag in unserem Land zu ratifizieren und ihm Gesetzeskraft zu geben. Dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist sicher einer der tiefgreifendsten, die wir in den letzten Jahren zu verhandeln und zu gestalten hatten; denn es geht darum, dass wir hinsichtlich der materiellen Grundlagen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Digitalisierungszeitalter nachholen und ihm entsprechende Regelungen an die Seite stellen.

Ich glaube, insoweit ist es nachvollziehbar, dass hinter diesem Staatsvertragsentwurf eine gewaltige Arbeit und mehr als intensive Beratungszeit liegen.

Wir konnten uns auf eine Expertise von Herrn Professor Kirchhof stützen, dem ich ausdrücklich für diese Arbeit und eine ganze Reihe von Gesprächen hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen danken will, die zu überprüfen waren, um zu diesem Staatsvertragsentwurf zu kommen.

Ich will auch deutlich machen, dass wir, der Herr Kollege Stadelmaier und ich, Wert darauf gelegt haben, dass die Fachkompetenz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insbesondere in Form der Justiziare zu einem sehr frühen Zeitpunkt einbezogen worden ist, weil wir eine Reihe von Eckpunkten einhalten wollten, die in der politischen Diskussion vorher erkennbar gewesen sind.

Zu diesen Eckpunkten gehört, dass eine Regelung, die wir neu schaffen, auch Wirkkraft entfaltet; denn man muss einräumen, dass die bisherige Gebührenbemessung nach dem einzelnen Gerät in immer mehr Fällen zu Zweifeln, Unklarheiten und einer schlichten Nichtbeachtung der Rechtsnormen geführt hat. Wenn das so ist, müssen die Gesetzgeber versuchen, einen neuen Weg zu finden.

Ein zweiter Punkt war, dass wir die technologischen Veränderungen, die die digitale Welt ermöglicht, nicht eingrenzen oder einschränken, was die Bewegungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunkteils in unserem dualen System, also private und öffentlichrechtliche Anbieter, angeht. Da gibt es an anderer Stelle mehr als genug Dissense, aber an dieser Stelle wollten wir nicht durch Normen Entwicklungen erschweren oder unmöglich machen.

Ein dritter Eckpunkt besteht darin, dass für uns entscheidend war, das bisherige Gebührenaufkommen in seiner Größenordnung in etwa zu erreichen und damit die finanzielle und materielle Ausstattung von ZDF und seinen Sendeanstalten, von ARD und ihren teilweise gemeinsamen Sendeanstalten mit anderen, Stichwort ARTE, Stichwort 3SAT, Stichwort PHOENIX und Kinderkanal, sicherzustellen. Darüber hinaus müssen auch Deutschlandfunk und Deutschlandradio angemessen in diese Gebührengrößenordnung eingepasst werden.

Es gibt oder gab auch einen weiteren Punkt sicherzustellen – daran haben wir keinen Zweifel gelassen –: Wir wollten keine sozusagen verdeckte Gebührenerhöhung durch ein neues System, sondern möglichst große Zielgenauigkeit, soweit man sie in einem solchen riesigen System erreichen kann. Das geht natürlich immer nur auf der Basis von Prognosen und des Versuchs einer sehr sorgfältigen und vorsichtigen Kalkulation.

Ich glaube, dass wir diese Eckpunkte einhalten konnten.

Ich will darüber hinaus deutlich machen, dass es uns sehr darum gegangen ist, die Akzeptanz der Erhebung von Rundfunkgebühren nach Möglichkeit zu verbessern. Die bisherige Form, Gebühren zu erheben, teilweise in sehr kompliziert – wenn auch aus gutem Willen – geratenen Ausnahmetatbeständen, Sondertatbeständen etc., hat zu einer immer intensiveren Nachforschung der GEZ, der Gebühreneinzugszentrale, geführt. In zunehmendem Maße haben Bürgerinnen und Bürger gesagt: Wir fühlen uns viel zu nah auf den persönlichen Pelz gerückt durch diese entsprechenden Nachforschungen.

Deshalb ging es uns darum, so einfache wie immer nur mögliche Regelungen zu finden und damit diese Nachforschungsintensität deutlich zurückzudrehen. Ich hoffe, dass das erreicht worden ist.

Ich hoffe darüber hinaus – der Diskurs läuft nach wie vor –, dass es gelungen ist, in sehr intensiven Gesprächen mit den Datenschutzbeauftragten die größtmöglich erreichbare datenschutzrechtliche Absicherung zu finden, wenn man nicht auf der anderen Seite zu viele Schlupflöcher lassen will, um denen, die sich dann bewusst an diesem System vorbeibewegen wollen, Räume zu eröffnen.

Ich glaube, dass zwischen diesen Vorgaben entgegen sehr starker Bedenken am Anfang generell aus der datenschutzrechtlichen Sicht am Ende mit diesem Entwurf jetzt doch ein Ansatz gelungen ist, der zumindest, was unsere Anhörungen ergeben haben, von einem Löwenanteil der Datenschutzbeauftragten und der Interessierten in diesem Bereich mitgetragen werden kann.

Dass es nach wie vor einzelne Stimmen gibt, die Bedenken vortragen, ist uns bewusst. Aber wir glauben, dass man, ohne dass dieser Ansatz undurchführbar würde, diesen Bedenken nicht Abhilfe verschaffen kann.

Es geht also darum, dass wir davon wegkommen zu definieren, was die Grundlage für eine solche Gebührenbezahlung ist. Da ist eben der klassische Fernseher oder das klassische Hörfunkgerät schon lange nicht mehr das Einzige, was den Empfang von öffentlich

rechtlichen und natürlich parallel dazu privat veranstalteten Programmen betrifft.

Insoweit können wir heute sagen, dass wir mit einem klaren Anknüpfungspunkt im privaten Bereich an die Wohnung und im betrieblichen Bereich an die Betriebsstätte eine neue Orientierung gefunden haben und nicht darüber streiten müssen, sieht jemand über PC oder über das klassische Fernsehgerät fern.

Wir haben gerade einer Studie wieder entnehmen können, dass die Zahl der klassischen Fernsehprogrammbetrachter, die über PC fernschauen, permanent im Steigen begriffen ist. Da haben wir noch nicht von all den anderen Technologien und Telemedien gesprochen.

Ich denke, dass diese sogenannte Konvergenz der Medien mit diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag abgebildet und auch auf eine technologiefreundliche und relativ einfache Weise umgesetzt ist.

Die Höhe des Beitrags wird auch in Zukunft einheitlich 17,98 Euro betragen. Es gibt Anmeldungen – das will ich deutlich sagen – sowohl aus dem ARD- als auch dem ZDF-Bereich an die KEF, also die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, die verfassungsrechtlich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine starke Stellung hat. Es gibt solche Anmeldungen, die allerdings nicht gewährleistet hätten, dass die Beitragsstabilität gesichert ist.

Ohne dass ich jetzt dem Verfahren der KEF vorgreifen kann – Sie wissen, dies wäre wider die Verfassungsgrundlage –, glaube ich doch, dass wir einen hinreichenden Konsens haben und wir bei den jetzigen Entscheidungen – Entscheidungen werden es nicht sein –, aber bei den Vorlagen der KEF wiederum uns gegenüber – Sie wissen, die KEF übergibt mir einen Bericht, wie angemessen die Forderungen der öffentlichrechtlichen Anstalten sind – davon ausgehen, dass es nicht zu einer Veränderung der Gebühren kommen wird.

Das schließt nicht aus, dass es bei der nächsten anstehenden ordentlichen Gebührenperiode auch eine gewisse Nachholfunktion oder umgekehrt auch eine Berücksichtigung von zu großzügiger Ausstattung von ARD und ZDF sowie Deutschlandfunk und Deutschlandradio kommen kann. Ich sage das, um nicht später irgendwann gesagt zu bekommen, darauf hätte man hinweisen müssen.

Wir bleiben also auch im KEF-Verfahren, aber die Systemumstellung, um die es geht, führt nicht zu einer Veränderung der materiellen Höhe der Gebühren.

Jetzt geht es darum, dass wir schauen, wie wir das nach diesen Maßstäben, die ich genannt habe, einigermaßen ordentlich hinbekommen können. Ich will zunächst den privaten Bereich etwas beleuchten.

Es geht darum, einen Beitrag pro Wohnung für alle Nutzungsmöglichkeiten – ob ich mit dem PC, mit dem Autoradio, mit irgendeinem mobilen Empfangsgerät oder dem klassischen Fernseher oder dem Hörfunk empfange, das spielt dabei keine Rolle – zu erheben. Es spielt auch keine Rolle mehr, wie viele Personen in welchem

aktuellen Einkommensstand, wenn sie Teil des Haushalts sind, in dieser Wohnung leben.

Wir hatten immer wieder heftige Probleme beispielsweise mit dem Thema „studierende Tochter oder Sohn“, die etwas dazuverdienen, ob die jetzt selbst gebührenpflichtig sind oder nicht. Dann ist man genau bei dieser Schnüffelpraxis: Gemeinsames Schauen an einem Gerät, oder stehen da drei Geräte? Wir wissen alle, wie die Praxis heutzutage in Familien ist.

Ich glaube, deshalb musste ein Weg gefunden werden, der dieses Nachforschen nicht mehr möglich macht: eine Wohnung, eine Gebühr unabhängig von den Empfangsgeräten. Damit sind deutliche Vereinfachungen ermöglicht.

Ich will zu der Vereinfachung des Erhebungsverfahrens deutlich machen, dass wir an dieser Stelle ein tiefes Eindringen in die persönliche Organisation einer Familie etc. unter datenschutzrechtlichen Gründen auf jeden Fall vermeiden wollten.

Es hat bisher Befreiungstatbestände für Menschen mit Behinderungen oder für andere Gruppen gegeben. Darüber kann man natürlich nicht einfach hinweggehen und so tun, als könne man alle gleichsetzen. Insoweit haben wir die bisherigen Befreiungstatbestände – beispielsweise aus sozialen Gründen – generell so beibehalten; allerdings mit einigen Variationen dort, wo es in der Vergangenheit ständig zu Unklarheiten und Streitfällen kam.

Für Härtefälle, sogenannte Grenzfälle, wurden entsprechende Regelungen getroffen, die auch genutzt werden können und die, auch wenn beispielsweise Sozialbescheide rückwirkend erlassen werden, eine entsprechende Befreiung ermöglichen. Alle 16 Landesregierungen, aber speziell wir in Rheinland-Pfalz, haben uns insbesondere im Vorfeld des Themas „Befreiungstatbestände für Menschen mit Behinderungen“ angenommen und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es eine Gruppe von Menschen mit Behinderungen gibt, die in jedem Fall aus einer Gebührenerhebung herausgenommen werden muss. Das sind die sogenannten taubblinden Menschen.

Wir haben uns darüber hinaus darauf verständigt, dass diejenigen, die nicht leistungsfähig – wohlgemerkt, im materiellen Sinne – sind, wie auch bisher auf Antrag von der Rundfunkgebühr befreit werden. Wir haben aber auch für die finanziell leistungsfähigen Menschen, die auf die eine oder andere Weise am Arbeitsleben teilhaben können, eine Regelung gefunden, die eine Drittelgebühr vorsieht, also ein Drittel dieser, nach dem jetzigen Stand, 17,98 Euro. Ich glaube, es wird einem Bedürfnis der Behindertenverbände, insbesondere der hörbehinderten und der blinden Menschen, Rechnung getragen, wenn das dadurch entstehende Gebührenaufkommen zu 100 % in eine Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten von behinderten Menschen investiert wird. Ich meine damit beispielsweise Hörfilme, Untertitelungen, Gebärdendolmetscher etc.

Es gibt Ansätze, Sie wissen das, aber sie sind sicherlich noch nicht so weit ausgereift, dass man sagen könnte,

dass die Angebote schon so barrierefrei sind, dass auch behinderte Menschen an den Sendungen und Angeboten ausreichend teilhaben können. Mit diesem Drittelgebührenaufkommen wird also neben der allgemeinen Aufgabe, die auch schon in den bisherigen Staatsverträgen verankert war, zusätzlich mehr Barrierefreiheit für behinderte Menschen gefördert.

Des Weiteren stellte sich die Frage: Wie gehen wir mit der Wirtschaft um? Wie gehen wir mit den öffentlichen Einrichtungen – mit den Universitäten, Feuerwehrdienststellen – um, in denen Leute Wartezeiten haben oder sich treffen und die Angebote des Rundfunks nutzen?

In diesen Fällen gilt ebenfalls, dass wir einen – wie ich finde – einfachen und gerechten Ansatz gefunden haben. Es wird generell ein Beitrag pro Betriebsstätte erhoben. Damit ist auch der Streit ausgestanden, wenn Leute behaupten: Ich schaue aber nie in meinem Leben Nachrichten über den PC. Dieser Beitrag wird allerdings – ansonsten wäre es einigermaßen ungerecht – deutlich unterschiedlich gestaltet werden zwischen dem Klein- und Kleinstbetrieb einerseits und einem Großunternehmen andererseits. Er wird gestaffelt nach der Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, davon ausgenommen die Auszubildenden, weil wir keine zusätzliche Erschwernis für besonders intensiv ausbildende Betriebe schaffen wollen. Dies reicht von einer Teilgebühr bis hin zu höchstens 180 Rundfunkbeiträgen für Betriebsstätten, wenn mehr als 20.000 Menschen dort beschäftigt sind. Wir haben einige Betriebe in diesen Dimensionen im Land.

Für kleine und mittlere Betriebe mit bis zu acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist ein ermäßigter Beitragssatz vorgeschlagen, der ebenfalls nur ein Drittel dieser 17,98 Euro umfasst. Anders als im bisherigen Gebührenstaatsvertrag ist festgelegt, keinen Beitrag für Betriebsstätten zu erheben, wenn sie sich in einer privaten Wohnung befinden. Auch dies war bisher ein ständiger Konflikt; denn viele Menschen, die freiberuflich tätig sind, arbeiten in den eigenen Räumen innerhalb einer Wohnung, und wir sehen dies als eine Betriebsstätte an.

Für uns in Rheinland-Pfalz, aber auch für Bayern, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein, also für die klassischen Ferienländer, war es wichtig, eine sachgerechte, angemessene und nicht überfordernde Regelung für Hotelzimmer und Ferienwohnungen zu finden, die vermietet werden. Wir wissen, dass wir nicht von einer 100 %igen Auslastung von Hotels oder Ferienwohnungen ausgehen können, und haben uns deshalb darauf verständigt, dass in diesen Fällen für die Empfangsgeräte eine Drittelgebühr angerechnet wird, mit der Folge, dass man in etwa eine 30 %ige Auslastung unterstellt. Ich glaube, dies ist eine angemessene Größenordnung, die zumutbar ist.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)