Sie haben richtig erwähnt, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil vom März 2011 entschieden hat, dass eine medizinische Zwangsbehandlung von Straftätern in Rheinland-Pfalz im Rahmen des Maßregelvollzugs ungenügend geregelt ist. Es hat dabei aber nicht ausgeschlossen, dass eine solche Behandlung doch stattfinden kann.
Auch die weitere Rechtsprechung in den letzten beiden Jahren hat die Durchführung von Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie und damit auch im Maßregelvollzug grundsätzlich infrage gestellt. Bund und Länder waren deshalb gefordert, dieses Gesetz zu überarbeiten.
Sehr geehrter Herr Wilke, bei aller Eile, die aufgrund der unklaren Rechtslage und der damit verbundenen Unsicherheit in den Einrichtungen geboten war, war es wichtig, dass alle wesentlichen Aspekte berücksichtigt werden, um eine dauerhafte Rechtssicherheit zu erreichen. Deswegen ist es uns lieber, dass es etwas länger gedauert hat. Dafür ist aber dieses Gesetz rundum hervorragend.
Heute liegt uns nun der Gesetzentwurf für das Landesgesetz zur Neuregelung der Voraussetzungen der Behandlung von Krankheiten untergebrachter Personen zur abschließenden Entscheidung vor. Unstrittig ist, dass diese Gesetzesmaterie einen hochsensiblen Bereich betrifft. Deutlich wird dies, wenn man sich mit dieser Thematik intensiver beschäftigt. Gerade hier, wo eine psychische Krankheit und die daraus resultierende feh
lende Einsichtsfähigkeit die Ursache des staatlichen Eingreifens ist, müssen Gesetze eindeutig und bestimmt sein.
Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil deutlich gemacht; denn es geht dabei um elementare Grundrechtseingriffe, zum einen in die Freiheit der Person allein durch die Unterbringung, aber es spielt dann auch noch die Fesselung bzw. die Fixierung und der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch die Gabe von Medikamenten gegen den Willen der Patienten eine Rolle.
Doch auch der Anspruch der Gesellschaft auf Schutz vor solch kranken Menschen muss Beachtung finden genauso wie das Recht der Betroffenen, Hilfe zu erhalten, um die Anlasskrankheit bei ihnen zu behandeln.
Maßregelvollzug hat den Auftrag der Besserung und Sicherung, Sicherung als Schutz der Gesellschaft vor weiteren Straftaten und Besserung durch eine gezielte psychiatrisch-medizinische Behandlung während der Unterbringung. Mit diesem Sicherungs- und Heilanspruch wird die gesamte Bandbreite der Problemfelder nochmals ganz deutlich.
Ohne eine gesetzliche Regelung, die beidem Rechnung trägt, würde es bedeuten, dass kranke Menschen unter Umständen ein Leben lang in einer Anstalt weggesperrt werden müssten. Das wäre mit unseren ethischmoralischen Grundsätzen sicherlich nicht in Einklang zu bringen.
Zwangsbehandlung und Zwangsmaßnahmen sind deshalb in der psychiatrischen Behandlung in bestimmten Situationen unumgänglich. Grundsätzlich muss aber der freie Patientenwille beachtet werden, besonders wenn eine Patientenverfügung vorliegt. Daneben gibt es im Gesetz weitere ergänzende Einschränkungen, die ebenfalls zu beachten sind.
Eine Behandlung der Anlasserkrankung gegen den Willen des Patienten muss aber auch möglich sein, insbesondere dann, wenn die Behandlung dazu führt, die Einsichtsfähigkeit über die Auswirkungen der Behandlungsverweigerung wiederherzustellen. Dadurch wird die Aufenthaltsdauer in einer solchen Anstalt wesentlich verkürzt. So hat es das Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgelegt, und so wurde es auch in das Gesetz eingearbeitet.
Mit dieser Gesetzesvorlage ist eine sehr gute Lösung gelungen. Herzlichen Dank an das Ministerium, an Sie, Herr Minister Schweitzer. Dies zeigt auch die schriftliche Anhörung, die, bis auf den Landesverband PsychiatrieErfahrener, die getroffenen Regelungen bestätigt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz dient den betroffenen kranken Menschen, unserer Gesellschaft, aber auch den Klinikmitarbeitern und -mitarbeiterinnen, die in den letzten drei Jahren unter einer enor
men psychischen Belastung arbeiten mussten. Die SPDFraktion wird deshalb dem Gesetzesvorschlag uneingeschränkt zustimmen, und ich bitte Sie, insbesondere die Damen und Herren der CDU, im Sinne der betroffenen Menschen dies ebenfalls zu tun.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Wilke, ich darf ausdrücklich dem zustimmen, was Sie gesagt haben. Ich muss Ihnen aber an einer Stelle widersprechen.
Ich halte diesen Gesetzentwurf und die Vorgeschichte im Lichte der verschiedenen Gesetze, die mittlerweile auf der Landesebene in Rheinland-Pfalz wie auch in anderen Ländern zum Beispiel zum Strafvollzug erlassen wurden, und die Erfahrung mit der gesellschaftlichen Diskussion für geeignet, eine so lange, über drei Jahre gehende gesellschaftliche Diskussion zu spiegeln. Ich glaube, das hat diesem Gesetzentwurf so, wie er vorliegt, sehr gut getan. Ich bin froh darüber, dass wir einen derart differenzierten Gesetzentwurf vorliegen haben, was in einer kürzeren Zeit nach meiner Auffassung nicht gelungen wäre.
An wichtigen Stellen geht dieser Gesetzentwurf über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus. Beispielsweise wird der menschenrechtliche Ansatz dieses Urteils nochmals weitergeführt durch die Hinzuziehung einer Vertrauensperson, durch die Forderung nach der Herstellung einer vertrauensvollen Entscheidungsgrundlage für die betroffenen Personen und nicht zuletzt dadurch, dass im Maßregelvollzug ein externer Arzt hinzugezogen werden muss, der nicht in der Einrichtung angestellt ist. Das sind auch noch einmal Verbesserungen im Sinne des Verfassungsgerichtsurteils, die aber eindeutig über die dortigen Vorgaben hinausgehen.
Wir möchten aber auch sagen, es ist in den Situationen der Unterbringung häufig nachvollziehbar, dass Menschen in dieser Situation Behandlungsmaßnahmen nicht zustimmen. Wir sprechen nicht von körperlichen Eingriffen wie der alte Gesetzestext, sondern ausdrücklich von der Gabe von Medikamenten, die vor zehn, fünfzehn Jahren, als das Maßregelvollzugsgesetz erlassen wurde, noch als „harmlos“ angesehen wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig gesagt, eine Medikamentengabe gegen den Willen der betroffenen Person ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, und aus ärztlicher Sicht kann ich das nur bestätigen; denn diese Medikamente haben schwerwiegende Nebenwirkungen.
Herr Dr. Wilke, Sie haben es auf den Punkt gebracht, es muss entschieden werden, wo die Freiheit zur Krankheit besteht und an welcher Stelle diese Einschätzung, diese
Selbsteinschätzung krankheitsbedingt eingeschränkt ist, und zwar durch die Anlasserkrankung, die dazu Anlass geben soll, behandelt zu werden. Sie haben das richtig ausgeführt, und der Gesetzentwurf bringt dies auf den Punkt.
Wir müssen aber auch die Unterbringungssituation ansehen, besonders nach dem PsychKG; denn es ist so, dass die zwangsweise Unterbringung von Personen immer in eine Situation führt, in der viele Menschen sich bedroht fühlen und in dieser als bedrohlich erlebten Situation sich gegen sinnvolle Behandlungsmaßnahmen sperren.
Es gibt Berichte aus psychiatrischen Kliniken, in denen gesagt wird, dass gerade der Verzicht auf die Zwangsmaßnahmen, der durch die Außerkraftsetzung der entsprechenden Unterbringungs- und Maßregelvollzugsgesetze erzwungen worden ist, zu einem behutsameren Vorgehen bei der Unterbringung geführt hat und in manchen Fällen dazu, dass auf Zwangsbehandlungsmaßnahmen verzichtet werden konnte. Deshalb begrüßen wir diesen Gesetzesvorschlag und die ausdrückliche Zustimmung zu diesem Gesetzesvorschlag und verbinden das mit der Anregung und dem Vorschlag, die entsprechenden Unterbringungsvoraussetzungen im PsychKG und die Erfahrungen der Kliniken und Betroffenen noch einmal im Lichte dieses Verfassungsgerichtsurteils, dieses wirklich historischen Verfassungsgerichtsurteils zu den Menschenrechten behinderter und erkrankter Personen, anzusehen.
Deshalb danke ich Ihnen an dieser Stelle für die Aufmerksamkeit und den Konsens, den wir in dem Hohen Hause haben.
Vielen Dank. – Da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf – Drucksache 16/2996 – in zweiter Beratung, da die Beschlussempfehlung die unveränderte Annahme empfiehlt. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Vielen Dank. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! – Vielen Dank. Auch das war einstimmig. Somit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.
Landesgesetz zur Erweiterung der Wahlberechtigung für die kommunalen Beiräte für Migration und Integration Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/3546 – Ich darf zunächst dem Berichterstatter, Herrn Alexander Licht, das Wort erteilen.
Frau Präsidentin! Sie erwähnten es schon, es geht um das Landesgesetz zur Erweiterung der Wahlberechtigung für die kommunalen Beiräte für Migration und Integration. Sie erwähnten ebenso, dass es ein Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist; denn darüber gab es in der letzten Sitzung des Innenausschusses eine kleine Auseinandersetzung. Damit ist klar geregelt und klar festgestellt, dass es ein Gesetzentwurf der Fraktionen und nicht der Landesregierung ist.
Der Ausschuss hat mit den Stimmen der SPD und GRÜNEN dem Entwurf zugestimmt. Die CDU hat sich enthalten. Die Diskussionen im Plenum sind jetzt erst angesagt, was den Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den angekündigten Änderungsantrag der SPD angeht.
Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Herr Kollege Kessel, Sie haben das Wort. – Entschuldigung, Frau SahlerFesel, bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kessel, herzlichen Dank, dass wir in der Reihenfolge miteinander arbeiten können.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN regelt das Wahlrecht von weiteren Menschen mit Migrationshintergrund für die kommunalen Beiräte für Migration und Integration. Er setzt hierbei – wie wir schon einmal besprochen haben – die Schlussfolgerungen um, die aus der Evaluation der Beiräte im Jahr 2013 gezogen wurden.
Noch einmal zur Erinnerung, damit wir wissen, woher wir kommen: Die Reform der Ausländerbeiräte im Jahr 2009 hatte drei zentrale Elemente neben anderen, Abschaffung des damals noch vorhandenen Mindestquorums, woran viele Wahlen gescheitert waren, Erweiterung des Kreises der Wahlberechtigten über die ausländischen
Einwohner hinaus auf Spätaussiedler und Eingebürgerte, damit auch die Weiterentwicklung von den Ausländerbeiräten zu den Beiräten für Migration und Integration, und die Möglichkeit der Berufung von Mitgliedern in die Beiräte, womit eine bessere Verzahnung der kommunalen Beiräte und der Beiräte für Migration und Integration einhergegangen ist.
Ich kann an dieser Stelle sagen, diese Reform hat sich bewährt. Auf Grundlage der Evaluation ist im Gesetzentwurf das Wahlrecht der Mehrstaater und der sogenannten Optionskinder geregelt, also die in Deutschland geborenen Kinder, die per Geburt aus Prinzip die deutsche Staatsbürgerschaft zusätzlich erhielten und der Optionspflicht unterliegen oder unterlagen.
Die Anhörung, die wir im Ausschuss für Integration, Familie, Kinder und Jugend durchgeführt haben, hat die breite Akzeptanz der Anzuhörenden für diesen Gesetzentwurf gezeigt. Insbesondere der Beitrag von Herrn Professor Hamburger machte deutlich, dass die Beiräte sich in einem Funktionswandel von reiner Interessenvertretung bis hin zu einem fachpolitischen Gremium befinden und gerade für Menschen ohne politische Rechte wichtig sind. Er hatte sich auch die kleine Randbemerkung erlaubt, wenn alle hier Wohnenden bei den Kommunalwahlen mitwählen dürften, dann bräuchten wir diese Beiräte nicht. Aber solange wir das nicht so regeln können, müssen wir so weiterarbeiten.
Wir sind gerne den Anregungen der AGARP und des Initiativausschusses gefolgt, die Staatenlosen explizit in diesen Gesetzentwurf aufzunehmen, und haben dies in unserem Änderungsantrag so vermerkt.
Zusätzlich beantragen die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre.
Wir sind davon überzeugt, dass Jugendliche ab 16 Jahren das aktive und auch – da es Beiräte sind – das passive Wahlrecht verantwortungsbewusst ausüben können. Erfahrungen aus den Bundesländern, die das aktive Wahlrecht ab 16 sogar im Kommunalwahlrecht verankert haben, bestärken uns in dieser Entscheidung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bereich des Ausländerwahlrechts und der Bereich der Integrations- und Migrationsbeiräte sind sehr wichtige Anliegen – wie sich in der Anhörung gezeigt hat – aller Fraktionen.