Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

Die Belastung durch Bahn- und Fluglärm ist – darin sind wir uns im Parlament alle einig – nach wie vor unerträglich hoch. Das gilt vor allem für die Situation am Rhein und in der Rhein-Main-Region. Die Menschen wehren sich inzwischen zu Recht immer massiver. Leider gibt es am Montag ein trauriges Jubiläum zu feiern: die 100. Montagsdemo. Am vergangenen Wochenende kamen in Rüdesheim wieder über 1.000 Menschen zusammen. Langsam langt es. Es geht den Leuten zu langsam.

Herr Reichel, das will ich Ihnen noch einmal sagen – das wissen sie auch ganz genau –: Wir haben trotz vieler Initiativen gerade des Landes Rheinland-Pfalz, zum Teil zusammen mit dem hessischen Nachbarn – ich nenne nur das Stichwort „10-Punkte-Programm Leises Rheintal“ –, sehr konkrete und umsetzbare Vorschläge gemacht. Wir haben Initiativen im Bundesrat gefahren. Wir haben den Bund aufgefordert, ein wirkliches Anreizsystem zu schaffen, was Trassenpreise angeht. Wir haben Möglichkeiten für eine schnellere Umrüstung der Verbundstoffbremsen gefordert. Das, was sofort wirken würde – das wissen Sie ebenfalls ganz genau –, nämlich die ordnungsrechtlichen Maßnahmen, also die Beschränkung der Geschwindigkeiten und die Beschränkung der Zugzahlen, lehnt der Bund bisher ab. Er trägt die Verantwortung dafür, dass das, was sofort möglich ist, nicht in die Gänge kommt.

Letzte Woche waren wir in Rotterdam. Wir waren uns einig, dass wir, wenn wir die Leute am Mittelrhein vom Lärm entlasten wollen, verstärkt in die Binnenschifffahrt investieren müssen. Aber, Herr Reichel, dann muss uns der Bund auch die finanziellen Möglichkeiten dafür geben. Dann brauchen wir die Moselschleusen – und zwar nicht erst in 20 Jahren, sondern alle sieben jetzt –, damit die Mosel schiffbarer wird und schneller befahren werden kann. Dann muss der Rhein vertieft werden, um die Binnenschifffahrt zu stärken.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mit dem Finger auf sich selbst zurückweisen würden. Sie haben doch gute Beziehungen zu Herrn Dobrindt. Überzeugen Sie ihn also davon, dass die Alternativgüterstrecke, die wir im Bundesverkehrswegeplan angemeldet haben, aufgenommen wird; denn all das sind Bausteine, die dazu beitragen, dass wir gemeinsam – das haben wir in der Vergangenheit oft geschafft – zu mehr Lärmschutz für

die Menschen in Rheinland-Pfalz kommen. Lassen Sie uns zusammen weiter engagiert dafür kämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Staatsminister Lewentz hat das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben drei Lärmquellen. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten intensiv überlegt, wie wir aller drei Lärmquellen Herr werden können. Es muss schnell leiser werden. Zu dem Thema Bahnlärm haben meine Kolleginnen Schmitt und Blatzheim-Roegler schon viel gesagt. Wir sind da intensiv unterwegs, wir erkundigen uns, und wir suchen Verbündete, zum Beispiel auch in der Schweiz.

Der Schweizer Politik muss man sehr dankbar sein. Sie haben dort gesagt, sie bauen den Gotthardtunnel, und sie haben das mit einer Abstimmung in der Bevölkerung darüber verbunden, welche Rahmenbedingungen hergestellt werden müssen. Eine der wichtigen Rahmenbedingungen war, dass die Schweiz in ihrer Souveränität erklärt hat: Ab 2020 darf kein lautes Eisenbahnmaterial mehr durch diesen Tunnel. – Das ist ein enormer Druck auf die Nutzer von Güterwaggons in ganz Europa. Deswegen drücke ich den Schweizern fest die Daumen, dass sie da standhaft bleiben. Das ist eines der Druckpotenziale, die wir hier brauchen.

Wir haben uns im Hafen Rotterdam umgesehen; Sie haben darüber gesprochen. Wir haben dort erlebt, dass man, wenn auch aus anderen Gründen, das Mittelrheintal als schwächstes Glied einer Kette sieht. Auch von dort kommt – das hat eine europäische Dimension – die Forderung nach einer Umfahrungsstrecke: nach einer neuen Güterverkehrsstrecke rechts oder links des Rheins.

Für das Land Rheinland-Pfalz habe ich das in Absprache mit der Koalition bei der Bundesregierung für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Ich hoffe sehr, dass die Bundesebene dies aufnimmt und wir dann in Überlegungen und Planungen eintreten, wie man eine solche Strecke schaffen kann. Wir wissen sehr genau, wie lange das dauern wird. Das wird Jahrzehnte dauern; das ist klar. Aber der Einstieg muss jetzt gelingen, weil wir sonst überhaupt keine Chance haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Bis dahin gibt es nur eines: das Umrüsten des alten Schrottmaterials in einer Größenordnung von deutlich über 100.000 Güterwaggons. – Ich bin mit dem Kollegen Al-Wazir aus Hessen darin einig, wir müssen dahin

gehend Druck machen, dass bis 2016 so viele umgerüstete Güterwaggons verfügbar sind, dass wir sagen können: Durch das Mittelrheintal dürfen nachts nur noch Güterwaggons rollen, die lärmgemindert sind, und bis 2020 muss alles umgerüstet sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist keine Frage des Geldes auf Bundesebene. So gigantisch sind diese Summen nicht. Sie sind in etwa mit dem vergleichbar, was in vielen Bereichen jetzt schon, leider relativ wirkungslos, in stationäre Lärmminderungsmaßnahmen investiert wurde.

Heute schreibt die „F.A.Z“, dass Herr Dobrindt der Bahn 700 Millionen Euro – Bahndividende – wegnimmt. Das Geld steht also, quasi von der Bahn selbst erwirtschaftet, zur Verfügung. Es muss zur Verfügung gestellt werden, damit wir diese Umrüstung vornehmen können.

Ich will ein Wort zu dem Thema Fluglärm sagen. Ja, es ist nicht einfach, dieses Problem zu lösen. Wir arbeiten seit Langem daran. Aber, Herr Kollege Reichel, die damit befassten Kollegen in der hessischen Landesregierung, die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommen, haben jetzt gerade die 100-Tage-Bilanz hinter sich. Sie für das verantwortlich zu machen, was von dem großen Flughafen Frankfurt Rhein-Main an Lärmbelästigung ausgeht, ist relativ unfair. Das geht so nicht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir beobachten sehr genau, was diese Vereinbarung der Hessischen Landesregierung bringen wird. Das ist eine Vereinbarung zwischen einem großen Regierungspartner, der lang in Hessen die Verantwortung hat – das ist die CDU –, und einem neuen Regierungspartner. Ich würde mich sehr freuen, wenn mit dem neuen Regierungspartner diese Entlastungen, die wir für RheinlandPfalz, Mainz und Rheinhessen erwarten, auch in die Umsetzung kommen. Das wären gute und nachbarschaftliche Signale, wenn wir es hinbekommen würden. Hier darf man den Kollegen noch etwas Zeit lassen. Hundert Tage sind viel zu kurz, um ein Ruder umzulegen.

Herr Reichel, Sie haben zum Thema Straßenverkehr gesagt, ich solle den LBM anweisen, in der Bundesauftragsverwaltung gegen die Bundesvorgaben vorzugehen. Wie soll das denn funktionieren? Das ist eine Bundesauftragsverwaltung. Unser Landesbetrieb Mobilität hat hier keine eigenen Entscheidungsgrundlagen. Zum Thema Anschluss von Trier an den Fernverkehr habe ich gesagt: Holen Sie Herrn Dobrindt hierher und machen Sie ihm klar, was wir alle von ihm erwarten. Das ist die Aufgabe der Bundesebene.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Reichel, Sie nehmen eine klare Haltung der Mainzer CDU zum Thema A 643 in Anspruch. Ich lese etwas anderes. Mindestens drei prominente Mitglieder, die abstimmungsberechtig sind und abgestimmt haben, haben eine

andere Haltung als Sie. Diese werden sehr tief darüber nachgedacht haben, wie es sich mit unseren Argumenten verhält. Von daher glaube ich, dass unsere Argumente doch sehr vernünftig sind.

Wir haben dem Bund gesagt, wenn man eine solche Maßnahme zum Schutz unserer Natur macht, dann erwarten wir, dass auch an einer bestehenden Strecke, die verändert wird, Lärmschutz gebaut werden kann.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Noch einmal: Bahndividende 700 Millionen Euro. Im Verkehrsbereich ist viel Geld vorhanden.

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen die Südumfliegung, die Unterstützung von Kommunen, die klagen, die Bundesratsinitiativen in Sachen Bahnlärmschutz und Lärmschutz gegen Luftverkehrslärm – diese Themen zeigen eindeutig, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung an der Seite der Bürgerinnen und Bürger ist. Man hat das auch in Rüdesheim sehr stark verspüren können.

Ich weiß, dass viele Mitglieder der Landesregierung und des Landtags auch am Montag bei der 100. Demo mit dabei sein werden. Wenn Sie sich die neuen Prospekte der Bürgerinitiativen gegen Fluglärm anschauen, werden Sie feststellen, dass darin durchaus ein Lob gegenüber der Landesregierung zu lesen ist.

Uns ist es sehr wichtig, an der Seite der Bürgerinnen und Bürger zu stehen. Von daher sollten dies die drei Fraktionen gemeinsam tun. Wir haben die Interessen der Bürgerinnen und Bürger von Rheinland-Pfalz wahrzunehmen und nicht so zu tun, als ob wir gegen Bundesanweisung den LBM positionieren oder nach hundert Tagen seitens der grünen Regierungsmitglieder in Hessen die Welt aus den Angeln heben könnten. Das ist falsch und unredlich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Köbler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Reichel, Sie haben zum Thema Verkehrslärm viele richtige Positionen vertreten. Sie sind nur leider in der falschen Partei.

Nehmen wir einmal das Thema Bahnlärm. Die Schweiz – Herr Minister Lewentz hat es ausgeführt – hat vorgeschrieben, dass bis zum Jahr 2020 noch das leise Material benutzt werden kann, nämlich die leiseren Bremsen, die sogenannten L-Sohlen. Wer bekämpft das auf europäischer Ebene bis aufs Messer? Das ist die CDU

geführte Bundesregierung unter Angela Merkel. Sie bekämpft das seit einigen Jahren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich komme zum Thema Fluglärm. Wir haben in Rheinland-Pfalz entsprechende Bundesratsinitiativen gestartet, weil die Musik auf der Bundesebene spielt. Die GRÜNEN in Hessen haben der CDU doch in Koalitionsverhandlungen abgetrotzt, dass endlich etwas in Richtung Fluglärmschutz geschieht. Es ist doch nach wie vor die CDU im Bund mit ihrem Verkehrsminister, die überall sämtliche Verbesserungen blockiert.

Deswegen werden wir am Montag bei der 100. FluglärmDemo am Rhein-Main-Airport auch Flagge zeigen. Dort wird auch der hessische Verkehrsminister Tarek AlWazir zugegen sein, weil er um die Sorgen der Betroffenen und um die Erwartungen weiß, die an ihn gestellt werden.

Ich bin mir sicher, dass Tarek Al-Wazir dafür steht, dass das, was die GRÜNEN im Koalitionsvertrag in Hessen der CDU abgetrotzt haben, auch umgesetzt wird. Wir sind darüber hinaus auch wieder in guten Gesprächen für eine gemeinsame Bundesratsinitiative zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm.

Noch ein Satz zur A 643. Herr Reichel, ich glaube, dass Sie am Schwanken sind. Setzen Sie sich gegen Ihre Vorsitzende durch, für die es nur mehr Beton und mehr Verkehr geben kann. Wer immer mehr Autobahnen baut, der darf sich auch nicht über immer mehr Verkehrslärm beschweren.

(Glocke des Präsidenten)

Wir können mit vier plus zwei Fahrspuren einen Beitrag für mehr Naturschutz, aber auch für mehr Lärmschutz leisten.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Reichel das Wort.

Ich weiß nicht, wieso ich missverstanden werden konnte. Das war kein Generalangriff auf das, was die hessischen GRÜNEN betrifft. Ich wollte eigentlich darlegen, wie schwierig es ist, dass man, gerade was den Fluglärm betrifft, weiterkommt. Deswegen wiederhole ich auch das Angebot der CDU, dass wir gemeinsam – das hat auch Herr Minister Lewentz gesagt – versuchen sollten, auf der Bundesebene, aber auch in Rheinland-Pfalz für die Menschen das Beste herauszuholen.

(Beifall der CDU)

Die Antwort auf meine Kleine Anfrage hat gezeigt, dass im Moment keine Mehrheit erkennbar ist, die die rheinland-pfälzische Initiative unterstützt. Das ist so im Bundesrat. Viele, die keine Flughäfen haben, oder aber bei denen das Problem nicht so brennend ist, interessiert das überhaupt nicht, was in dieser Region als wichtig und machbar angesehen wird.

Wir müssen sehen, dass alle drei Fraktionen des rheinland-pfälzischen Landtags in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe versuchen zu erarbeiten, wie man Verbesserungen für die Menschen in dieser Region erreichen kann. Auch die Frau Ministerpräsidentin hat Gespräche mit Herrn Bouffier geführt.

Ich freue mich schon auf die vielen Kollegen, die sich für Montag angemeldet haben. Wir werden uns in Frankfurt treffen. Ich hoffe, dass viele von ihnen mit der S-Bahn fahren.