Protokoll der Sitzung vom 27.06.2014

Wir werden in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit klären, wie die Rolle der Kommunen bei der Pflege noch weiter gestärkt und ausgebaut werden kann. Insbesondere soll geklärt werden, wie die Steuerungs- und Planungskompetenz für die regionale Pflegestruktur gestärkt werden kann.

Im Zusammenwirken mit städteplanerischen Instrumenten sollen Sozialräume so entwickelt werden, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben können. Außerdem sollen Kommunen stärker in die Strukturen der Pflege verantwortlich eingebunden werden; hierfür kommen aufgrund ihres hohen sozialräumlichen Bezuges aufsuchende und begleitende Pflegeberatung, insbesondere in Pflegestützpunkten, Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtlich Engagierte, die laufende Beratung der Empfänger von Pflegegeld sowie die Beteiligung bei der Leistungsgewährung für infrastrukturfördernde Maßnahmen in Betracht. –

Im Prinzip haben Sie also das, was im Koalitionsvertrag steht, noch etwas ausgeführt.

Aber kommen wir einmal zu der insgesamt gegebenen, auch rechtlichen Situation. Dass die Union und die SPD in die Koalitionsverhandlung eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit dieser Aufgabenstellung aufnimmt, hat durchaus einen Sinn. Der Sinn liegt darin, dass nämlich die Länder verantwortlich sind für die Finanzausstattung der Kommunen und es deshalb wichtig ist, dass sie eingebunden werden.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün im Landesparlament, das wäre jetzt der Punkt gewesen, an dem Sie mit Ihrem Antrag hätten einsteigen müssen.

(Beifall der CDU)

Genau das fehlt.

Sie haben eine gute Beschreibung dessen abgeliefert, was die Kommunen im Zusammenhang mit der Pflege machen sollten, aber Sie lassen jede Antwort darauf vermissen, wie diese Kommunen ausgestattet werden sollen, damit sie genau diese Aufgaben erfüllen können.

Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Kommunen das können und unsere Kommunen das auch wollen. Sie sind nahe bei den Menschen, sie kennen viele Problemlagen, und sie haben gute Kontakte zu den engagierten Anbietern in all diesen Bereichen rund um das Thema Wohnen, Barrierefreiheit, Sozialraumgestaltung und vieles andere mehr.

Aber was doch der Klotz am Hals der Kommunen ist, ist die katastrophale Finanzausstattung, und hier ist das Land gefordert.

(Beifall der CDU)

Das wissen wir nicht erst seit unserem Verfassungsgerichtsurteil, und genau an der Stelle bleibt eigentlich Ihr

Antrag die wesentliche Antwort schuldig.

(Beifall der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, damit ist der Antrag leider ungenügend aus landespolitischer Sicht, und wir werden ungenügenden Anträgen unsere Stimme versagen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Dr. Konrad das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Thelen, Ihre Kurve am Schluss war sozusagen der Einstieg für mich: Natürlich müssen wir sagen, die Finanzausstattung der Kommunen ist nicht gut, und wir wissen auch, dass die Finanzausstattung der Kommunen nicht ausreicht, um die sozialen Aufgaben, die sie haben, entsprechend abzudecken. Darin haben Sie völlig recht.

Aber ich erinnere mich doch dunkel daran, dass die Teilhabeleistungen, die auch für Menschen mit Unterstützungsbedarf gedacht sind, vom Bund zugesagt worden sind und gesagt worden ist, dass sie zu einem Drittel abgedeckt werden. Wenn ich mich recht entsinne, ist es nicht die hiesige Regierungskoalition,

(Frau Klöckner, CDU: Es ist Frau Nahles!)

die in Berlin dafür sorgt, dass es nun vorübergehend 1 Milliarde Euro zur Unterstützung der Kommunen für Teilhabeleistungen gibt, aber nicht die 5 Milliarden Euro, die notwendig wären, und diese 5 Milliarden Euro aufgeschoben werden eventuell bis in die nächste Legislaturperiode auf Druck des Bundesfinanzministeriums in der Verantwortung des CDU-Finanzministers Schäuble.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

So viel zu der Wahrheit, wie die Kommunen in den Sozialleistungen entlastet werden müssten, gerade in dem Bereich, für den wir beide auch zuständig sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite ist, in diesem Bereich haben wir die Schlüsselzuweisung C 1 in den kommunalen Finanzausgleich aufgenommen – das wissen Sie auch –, um die Kommunen entsprechend zu entlasten. Hier geht es um etwas ganz anderes. Es geht darum, dass die Pflegereform entsprechend vorbereitet und auch die Rolle der Kommunen entsprechend beachtet werden muss.

In dieser Rolle der Kommunen müssen wir einen anderen Pflegebedürftigkeitsbegriff nicht nur, was die

demenziellen Erkrankungen angeht, sondern auch, was die Prävention von Pflege angeht und die Möglichkeit, Pflege zu vermeiden, aufnehmen. Das ist weggefallen. Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, diesen Grundfehler in der Konstruktion der Pflegeversicherung haben wir alle nicht zu verantworten. Das ist schon fast 20 Jahre her.

(Frau Klöckner, CDU: Es war gut, dass sie es überhaupt gemacht haben!)

Das war 1995. Das war eine schwarz-gelbe Regierung. Es war ein sehr guter Sozialminister Blüm, der die Pflegeversicherung zu Recht eingeführt hat. Aber einen Grundfehler dieser Pflegeversicherung hat er nicht vermieden. Er hat nämlich mit der finanziellen Entlastung der Kommunen, mit der man die Pflege überwiegend aus der Sozialhilfe herausgelöst und in eine eigene Versicherung getan hat, dafür gesorgt, dass die Kommunen nicht mehr die Verantwortung in der Pflege hatten. Das Land Rheinland-Pfalz hat das vor etwa zehn Jahren durch ein Pflegestrukturgesetz aufgefangen, in dem wieder dafür gesorgt wurde, dass die Kommunen auch eine Pflegestrukturplanung vornehmen können und sich wiederum in der Pflege planend engagieren können. Das machen die Kommunen auch und haben sehr gute Pflegestrukturpläne.

Wir brauchen jetzt aber, dass wir die individuellen Bedarfe, die die Pflegeversicherung feststellt, mit der Planung der Kommunen übereinbringen. Dazu gehören quartiersnahe und menschennahe Konzepte, dass die Menschen ganzheitlich wahrgenommen werden. Das muss mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff auch zusammen diskutiert werden.

Sie haben jetzt den Koalitionsvertrag zitiert. Ich muss sagen, es ist schon bedenklich, dass wir das immer noch diskutieren. Für diejenigen, die damals noch nicht dabei waren, muss ich es noch einmal wiederholen. Im Jahr 2000 war ich in einem Beraterkreis des Bundesgesundheitsministeriums. Ich gebe das immer wieder gerne bekannt, ich bin auch ein bisschen stolz darauf. Damals haben wir darüber gesprochen, wie wir demenzielle Erkrankungen im Rahmen der Pflegeversicherung berücksichtigen können. Damals war Andrea Fischer von den GRÜNEN Bundesgesundheitsministerin.

Die meisten hier im Haus werden sich daran erinnern, dass das eine sehr bewegte Zeit war, nicht wegen der Pflegeversicherung, sondern wegen des Rinderwahnsinns. Es ist wirklich ein Wahnsinn, dass es heute – über zehn Jahre später – im Prinzip dieselbe Diskussion gibt, wie man demenzielle Erkrankungen besser berücksichtigen kann.

Ich wünsche der Großen Koalition – das kommt wirklich von Herzen, das gilt auch für unsere Partei – viel Erfolg dabei, vor allem eine zeitnahe Umsetzung. Das muss in dieser Legislaturperiode wirklich über die Bühne gehen.

Sie wissen, dass wir auch die gesamte Große Koalition in Berlin dafür kritisieren, dass man das jetzt wieder zweiteilig macht, erst eine kleine und dann eine große Reform macht. Wenn es denn klappt, muss das Umfeld mit einbezogen werden. Dazu brauchen die Kommunen

eine Beteiligung des Bundes und die entsprechenden bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen.

Dann wird das Land auch innerhalb dieser Rahmenbedingungen seine Verantwortung wahrnehmen und über die Pflegestrukturplanung hinaus die entsprechenden Quartierskonzepte auf den Weg bringen.

Wenn wir das nicht machen und auf kommunaler Ebene nicht verzahnen, dann sind es die Pflegebedürftigen und die pflegenden Angehörigen, und damit überwiegend Frauen – das wissen Sie auch –, die darunter zu leiden haben, die aus dem Beruf ausscheiden, denen letzten Endes die Karrieremöglichkeiten fehlen und die in der Gesellschaft ebenfalls exkludiert werden, also ausgeschlossen sind.

Im Zuge des inklusiven Ansatzes des gesamtgesellschaftlichen Blicks dürfen wir es nicht zulassen, dass immer mehr Angehörige, die pflegen, auch aus der Gesellschaft ausgegliedert sind.

(Glocke des Präsidenten)

Dazu brauchen wir die Kommunen, und dazu brauchen wir diese Pflegereform. Ich würde Sie bitten, diesem Antrag zuzustimmen.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn Ihnen noch etwas fehlt, Sie haben die Möglichkeit, das beim nächsten Mal von uns zu fordern. Dann werden wir darüber diskutieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Langner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich für den vorliegenden Antrag aus zwei Gründen bedanken. Zum einen wissen wir, Papier ist geduldig. Ich möchte den Koalitionsvertrag in Berlin nicht einfach als ein Papier bezeichnen. Er hat natürlich schon eine hervorgehobene Bedeutung. Aber wir wissen, das alles muss auch immer mit Leben und mit Inhalten erfüllt werden. Wir sind mitten in einem Prozess. Ich glaube, es ist gut, dass sich der rheinland-pfälzische Landtag unterstützend an die Seite der Landesregierung stellt.

Herr Dr. Konrad, Sie haben es angesprochen, es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir über eine Pflegereform reden. Ich glaube, wir haben auf der Strecke auch viel Zeit verloren. Es ist dringend notwendig, dass wir uns an die Arbeit machen.

Frau Thelen, Sie haben auch aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Die Pflege ist in der Tat eine gesamtgesellschaft

liche Aufgabe. Das wird dort noch einmal dokumentiert. Es wird auch die besondere Rolle der Kommunen deutlich gemacht, die eben neben den Ländern einen wichtigen, ich will an der Stelle sagen, einen wesentlichen Beitrag in dieser Frage leisten.