Protokoll der Sitzung vom 24.07.2014

(Glocke der Präsidentin)

Es gibt eine neue Seite, die noch nicht im Netz ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Somit ist die Besprechung der Großen Anfrage und der

Antwort der Landesregierung erledigt.

(Bracht, CDU: Die CDU-Fraktion hat Antrag auf Ausschussüberweisung gestellt!)

Dann stimmen wir darüber ab. Wer der Ausschussüberweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen?

(Frau Klöckner, CDU: Das ist der Wahnsinn! Das ist ja peinlich! – Licht, CDU: Das ist jetzt ein Eigentor! – Frau Klöckner, CDU: So ein Eigentor gibt es gar nicht! – Weitere Zurufe von der CDU – Glocke der Präsidentin)

Somit ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

(Bracht, CDU: Es motiviert uns richtig, da nachzu- fragen! Da muss doch was drinstecken! – Dr. Weiland, CDU: So reagiert nur jemand, der etwas zu verbergen hat! – Weitere Zurufe von der CDU)

Die Besprechung der Großen Anfrage ist hiermit erledigt.

Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:

Flüchtlingsaufnahme in Rheinland-Pfalz human gestalten Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/3809 –

Dieser Antrag ersetzt den Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/3770 –.

Ich erteile Frau Kollegin Spiegel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben aktuell die größten Flüchtlingszahlen weltweit seit dem Zweiten Weltkrieg. Davon sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen 55 Millionen Menschen weltweit betroffen. Gut 30 Millionen Menschen weltweit sind in ihrem eigenen Land auf der Flucht. Die anderen suchen Zuflucht vor Krieg, Folter, Vertreibung oder vor dem sicheren Tod in den Nachbarländern, oder aber sie machen sich auf den Weg nach Europa. Wir haben auch hier in Rheinland-Pfalz die Situation, dass wir hohe Flüchtlingszahlen haben und bis Ende des Jahres mit etwa 9.000 bis 10.000 weiteren Flüchtlingen rechnen, die zu uns nach Rheinland-Pfalz kommen.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund freut es mich sehr – das möchte ich ausdrücklich sagen –, dass wir zu diesem Themenbereich einen gemeinsamen Antrag heute im Plenum beraten und besprechen, der

sich mit der humanen Flüchtlingsaufnahme in Rheinland-Pfalz befasst.

Ich glaube, dass sich eine Gesellschaft auch daran messen lassen muss, wie sie mit den Menschen umgeht, die hierherkommen, um Zuflucht zu suchen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz ausdrücklich bei den Kommunen, den Kirchen, den freien Trägern und den vielen Ehrenamtlichen vor Ort bedanken, die ihren Teil dazu beitragen, dass die Flüchtlinge, die zu uns kommen, ein Stück weit eine neue Heimat finden und wir sie hier tolerant und mit offenen Armen aufnehmen. Dafür vielen Dank!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist eine enorme Herausforderung – das möchte ich gar nicht kleinreden – für das Land und auch für die Kommunen, adäquate Unterkünfte und auch eine adäquate Versorgung der Flüchtlinge anzubieten. Es ist ganz wichtig – das wird auch in diesem Antrag betont –, dass wir diesen Menschen nicht nur ein Bett, ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen zur Verfügung stellen, sondern dass sie auch die Chance haben, vom ersten Tag an in unsere Gesellschaft integriert zu werden. Deswegen fordern wir mit diesem Antrag eine Aufstockung bei den Sprach- und Integrationskursen; denn diese Menschen aus aller Welt, die bei uns Schutz, Hilfe und Unterstützung suchen, brauchen mehr als ein Dach über dem Kopf. Sie brauchen die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu lernen und auf eine Beratungsinfrastruktur zurückzugreifen, um sich hier schnell zu integrieren und möglicherweise auch schnell arbeiten zu können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte aber auch sagen, ich glaube, das eine ist das, was wir hier im Land machen können und was die Kommunen leisten; das andere aber ist, dass wir, gerade aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen, nicht mehr umhinkönnen, auch nach einer europäischen Lösung zu suchen. Wir brauchen auf der europäischen Ebene eine Neuregelung der Flüchtlingspolitik. Es kann nicht sein, dass die Staaten, die im Moment viele Flüchtlinge aufnehmen, zum Beispiel Italien – man verfolgt das in den Medien –, von den anderen europäischen Ländern ein Stück weit alleingelassen werden. Hier fordern wir dringend eine europaweite Lösung, die für die europäischen Länder eine gerechte Lösung dieser Frage darstellt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich habe von den Sprachkursen und von der Migrationsberatung gesprochen. Es ist uns ein ganz wichtiges Anliegen, dass sich auch die Bundesebene in Zukunft stärker engagiert und Gelder für Sprach- und Integrationskurse für die Asylbewerberinnen und Asylbewerber

zur Verfügung stellt, die nach Deutschland – und nach Rheinland-Pfalz – kommen.

Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen: Es gibt leider immer auch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die den Flüchtlingen entgegenschlagen. Lassen Sie mich daher ein ausdrückliches Dankeschön all denen aussprechen, die dieser rechten Gewalt und dieser rechten Stimmungsmache ganz entschieden entgegentreten und die diese Menschen auf der Landesebene und vor Ort mit offenen Armen empfangen und versuchen, ihren Teil dazu beizutragen, dass die Menschen in Rheinland-Pfalz einen guten neuen Start haben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, und hier sind wir alle gefragt.

(Glocke der Präsidentin)

Ich möchte mich bei allen herzlich bedanken, die ihren Teil dazu beitragen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Gäste im Landtag begrüßen. Ich glaube, sie gehen gerade wieder. Nichtsdestotrotz möchte ich es nicht versäumen, Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis 14 – Bad Neuenahr-Ahrweiler – sowie Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt Puderbach sehr herzlich zu begrüßen.

(Beifall im Hause)

Herr Kollege Kessel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Besucher! Die sprunghaft steigende Zahl der Asylbegehren bundesweit und damit auch in Rheinland-Pfalz stellt sowohl für das Land als auch für die rheinland-pfälzischen Kommunen eine große Herausforderung dar. Wenn wir die Flüchtlingsaufnahme in Rheinland-Pfalz human gestalten wollen, wie es in unserem gemeinsamen Antrag formuliert ist, müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen hat die Landesregierung nunmehr überplanmäßige Ausgaben in Höhe von 45,2 Millionen Euro im Einzelplan 07 eingestellt. Der Begründung, dass zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung der überproportionale Anstieg der Flüchtlingszahlen nicht bekannt gewesen sei, müssen wir jedoch wiedersprechen. Unsere Fraktionsvorsitzende, Julia Klöckner, kritisierte in ihrer Rede zum Haushalt eindringlich die viel zu niedrigen Ansätze bei der Flüchtlingshilfe. Wenn auch konkrete Zahlen nicht vorausgesagt werden konnten, so war doch die Tendenz eines starken Anstiegs der Flüchtlingszahlen zweifelsfrei erkennbar.

Die Maßgabe des Finanzministers, die überplanmäßigen Ausgaben zumindest zum Teil im Einzelplan 07 am

Ende des Haushaltsjahres zur Gegenfinanzierung zur Verfügung zu stellen, haben wir bewusst in die Forderungen an die Landesregierung in dem gemeinsamen Antrag übernommen. Mit dem zusätzlichen Geld hat das Land die Kapazitäten in den Aufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende in Trier und in Ingelheim deutlich erweitert. Auch in den Kommunen wurden und werden neue Flüchtlingsunterkünfte geschaffen.

Aber es geht nicht nur darum – die Kollegin Spiegel hat es schon betont –, Unterkünfte für die Menschen zu finden, sondern auch darum, diese Menschen bestmöglich zu integrieren, ihnen Zugang zu Bildung, Sprache und Arbeit zu verschaffen, damit sie am sozialen und gesellschaftlichen Leben in Deutschland partizipieren können, wie es in dem Antrag zu Recht heißt. Es ist für uns deshalb nur schwer zu verstehen, dass das Land die Sprachförderung in den Kindertagesstätten zurückgefahren hat und sogar beabsichtigt, sie in den kommenden Jahren weiter zurückzuführen.

An dieser Stelle möchte ich allen Akteuren auf der kommunalen Ebene für ihre herausragenden Anstrengungen danken. Die eigentliche Arbeit wird in den Kommunen geleistet, neben den kommunalen Einrichtungen insbesondere durch kirchliche Organisationen wie Caritas oder Diakonie und durch freie Träger wie DRK oder auch Arbeiterwohlfahrt. Neben den Hauptamtlichen gilt es, auch den vielen ehrenamtlich Engagierten herzlich zu danken.

Die notwendigen Strukturen müssen weiter ausgebaut und die Migrationsberatungsstellen, die Kindergärten und die Schulen personell aufgestockt werden. Wir freuen uns auch, dass in den gemeinsamen Antrag die Forderung an die rheinland-pfälzische Landesregierung aufgenommen wurde, mit dem Bund weiter über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung zu verhandeln, mit dem Ziel, die Rechte von Flüchtlingen effektiv zu schützen und die Verfahrensdauer zu verkürzen. Die Rechte der Flüchtling effektiv zu schützen und die Dauer der Anerkennungsverfahren zu verkürzen, stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern bedingen sich gegenseitig.

Einerseits geht es darum, alles zu tun, um diejenigen Menschen, die als politisch Verfolgte oder als Flüchtlinge zu uns zu kommen, würdig aufzunehmen und unterzubringen. Andererseits geht es angesichts der steigenden Flüchtlingsströme aber auch darum, die Anerkennungsverfahren der Asylbegehrenden zu beschleunigen. Die Bundesregierung hat hierauf bereits reagiert und 300 neue Stellen für das zuständige Bundesamt beschlossen.

Parallel dazu wurde im Bundestag ein Gesetzentwurf eingebracht, der neben einem schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt, der Behandlung von minderjährigen Flüchtlingen als Erwachsene erst ab einem Alter von 18 Jahren – nicht, wie bisher, ab einem Alter von 16 Jahren –, Verbesserungen in der Bleiberechtsregelung, Lockerungen bei der Residenzpflicht und einer Förderung des frühzeitigen Spracherwerbs auch vorsieht, die drei Westbalkanländer Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten einzustu

fen. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres kamen aus diesen drei Balkanstaaten bundesweit 13.700 Asylbegehrende. Im Vergleich dazu: Aus Syrien kamen rund 10.000 Menschen, die Asyl beantragten. Dabei liegt die Anerkennungsquote der syrischen Flüchtlinge zu Recht bei praktisch 100 %, während sie bei den Asylbegehrenden aus den Westbalkanstaaten gegen null tendiert.

Infolge der Einstufung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten wird kraft Gesetzes vermutet, dass dort keine politische Verfolgung droht. Damit können aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten schneller bearbeitet und ihr Aufenthalt in Deutschland schneller beendet werden. Jeder Asylbewerber hat jedoch Anspruch darauf – darauf möchte ich explizit hinweisen –, darzulegen und prüfen zu lassen, dass er, abweichend von der allgemeinen Lage, im Herkunftsstaat mit Verfolgung rechnen muss und deshalb auch Anspruch auf Asyl hat.

Mit einer solchen Regelung könnten im Land dringend benötigte Kapazitäten für Bürgerkriegsflüchtlinge geschaffen und Asylverfahren schneller bearbeitet werden. Die Aufnahme einer großen Zahl von Schutzbedürftigen erfordert eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung. Dazu brauchen wir die Zustimmung und die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger, die wir haben und die es zu erhalten gilt. Die CDU-Fraktion ist froh, dass es gelungen ist, im Sinne dieser großen humanitären Herausforderung einen gemeinsamen Antrag zu beschließen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Sahler-Fesel das Wort.