Es gibt noch einige weitere Knackpunkte, die angesprochen worden sind. Das betrifft den Betrag, der unter dem Strich nennenswert herauskommt. 7 Milliarden Euro, die wir jährlich bräuchten, 600 Millionen Euro, die wir möglicherweise bekommen. Das steht auch noch in den Sternen.
Dann ist die Frage nach der EU-Kompatibilität zu stellen. Es gibt Autoexperten, die sagen, wir bewegen uns in Brüssel auf ganz dünnem Eis, weil sie in Brüssel einen anderen Ansatz haben und von einer streckenabhängigen Maut ausgehen.
Ich glaube, es wäre gut, nicht nur intern die offenen Fragen zu klären, zum Beispiel die, die Herr Dr. Schäuble in Bezug auf die Frage gestellt hat, ob der Zoll das überhaupt leisten kann, wenn er über 50 Millionen KfzSteuerbescheide herausschicken muss.
Ich glaube, dass der Gesetzentwurf zumindest gut daran tun würde, wenn er diese Fragen ganz überzeugend regelt. Ich finde es auch gut, wenn dabei die Bundesländer einbezogen werden könnten, Herr Kollege Licht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor knapp einem Jahr, nämlich am 19. September 2013, hat dieser Landtag bereits über das Thema Pkw-Maut diskutiert. Zwischenzeitlich wurde – wir wissen es alle – auf Initiative der CSU in den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien eine Formulierung aufgenommen, nach der zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben für die Verkehrsinfrastruktur eine Pkw-Maut etabliert werden soll.
Frau Schmitt, es ist vollkommen richtig, Ihre Fragen müssen in der Berliner Koalition geklärt werden, vorher haben wir aus Sicht des Landes Rheinland-Pfalz große Schwierigkeiten, einen solchen Weg mitzugehen; denn diese Abgabe soll, jedenfalls nach dem Vorschlag von Bundesverkehrsminister Dobrindt, mehrere, nach meiner Einschätzung heute kaum unter einen Hut zu bringende Bedingungen erfüllen.
Insbesondere soll sie einerseits europarechtskonform sein, andererseits soll sie nur die Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw belasten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage hierzu ganz klar, der Grundgedanke einer Ausweitung der Nutzerfinanzierung von Verkehrsinfrastrukturen ist aus meiner Sicht richtig; denn die beiden hochrangigen Kommissionen, die Daehre-Kommission und die Bodewig-Kommission, die sich im Auftrag aller Länder mit der Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung befasst haben, sind zu folgenden zentralen Ergebnissen gekommen:
1. Der Erhalt unserer Straßen, Schienenwege und Wasserstraßen ist hoffnungslos unterfinanziert – bundesweit. Nach einhelliger Auffassung aller Länder – wir haben Verkehrsminister von SPD, CDU, CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – geht es um 7,2 Milliarden Euro jährlich, davon 4,7 Milliarden Euro für die Straße, summiert über alle Baulastträger, also Bund, Länder und Kommunen.
2. Wenn die Finanzierungslücken trotz aller Bemühungen nicht aus den staatlichen Haushalten geschlossen werden können, ist eine stärkere Nutzerfinanzierung der beste und gerechteste Weg, die notwendigen Mittel zu generieren.
Dabei ist es aus Sicht der rheinland-pfälzischen Landesregierung richtig, zunächst die Verkehre mit den höchsten ungedeckten Rechnungen heranzuziehen. Das spielt im Augenblick bei der Diskussion um die Maut leider noch immer eine zu untergeordnete Rolle; denn dies sind die schweren Nutzfahrzeuge, deren Infrastrukturkosten nur zu einem geringen Teil über die Mineralölsteuereinnahmen gedeckt sind.
So hat – Sie wissen es – ein moderner 40-Tonnen-Lkw einen etwa vierfach höheren Spritverbrauch im Verhältnis zu einem Pkw, das heißt etwa 30 Liter zu rund 7 Liter. Gleichzeitig ist der Straßenverschleiß – das ist das, was uns vor große Probleme setzt – aber nicht viermal so hoch, sondern um mehr als das 10.000-fache höher als bei den Pkw. Entsprechend hoch ist die Abnutzung von Straßen und insbesondere Brücken. Sie wissen, der Landesbetrieb Mobilität verantwortet 7.500 Brücken in unserem Land.
Es macht also Sinn, bei der Generierung zusätzlicher Finanzmittel für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur erneut die schweren Nutzfahrzeuge in den Fokus zu nehmen. Der im Koalitionsvertrag aufgezeigte Weg, nämlich die stufenweise Ausweitung der Lkw-Maut auf weite Teile des Bundesfernstraßennetzes und die Fahrzeuge auf 7,5 Tonnen zulässiges Gewicht zurückzunehmen – von 12,5 Tonnen auf 7,5 Tonnen, das ist der Vorschlag, den ich in der Verkehrsministerkonferenz unterbreitet habe –, ist stimmig und unterstützenswert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, weitaus schwieriger – die Vorredner haben das aufgezeigt – liegen die Dinge, wenn, wie im Koalitionsvertrag dargelegt, eine Pkw-Maut eingeführt werden soll, bei der per Saldo nur Halter im Ausland zugelassener Fahrzeuge zahlen. Bereits der ursprüngliche Ansatz, der sich am österreichischen und schweizerischen Autobahnmodell orientieren sollte, war angesichts der überhaupt nicht
ausgeräumten EU-rechtlichen Probleme und des katastrophalen Verhältnisses zwischen Aufwand und Nettoertrag kaum vermittelbar.
Am 7. Juli 2014 – darüber diskutieren wir heute – hat nun Herr Bundesverkehrsminister Dobrindt die Länder und die Öffentlichkeit damit überrascht, dass das komplette öffentliche Straßennetz in Deutschland für Pkw mautpflichtig werden soll. Während dies vordergründig den Charme hat, dass Länder und Kommunen an den Einnahmen teilhaben müssen und das Problem von Maut-Ausweichverkehren entfällt, stellt sich jetzt in allen Bundesländern mit Grenzen, also insbesondere in den Grenzregionen, ein ganzes Bündel neuer Fragen.
Für Rheinland-Pfalz bedeutet dies konkret: Welche Einbußen wird es im Einzelhandel der rheinlandpfälzischen Grenzregionen geben? – Als Beispiel nenne ich die Stadt Trier oder das Designer Outlet Center in Zweibrücken. Wie viele Gäste aus Frankreich und den Benelux-Ländern werden der Gastronomie und dem Übernachtungsgewerbe in Rheinland-Pfalz wegen der Pkw-Maut fernbleiben? Wie werden die Reaktionen in Luxemburg, Belgien und den Niederlanden sein? – Frau Schmitt, Sie haben erste, sich aufbauende Reaktionen beschrieben. Kommt die Retourkutsche, sodass am langen Ende deutsche Bürger indirekt die deutsche PkwMaut mitbezahlen?
Dass die bayrische Landesregierung als Initiator und treibende Kraft für die Pkw-Maut bei dem Konzept von Verkehrsminister Dobrindt aufgrund dieser Stolpersteine an den eigenen Landesgrenzen selbst ins Straucheln geraten und gespalten ist, erscheint mir geradezu als Beleg für die Problematik der Pkw-Maut.
Bereits vor einem Jahr hat die Landesregierung im Landtag eine Reihe von kritischen Anmerkungen zu dem vom bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer ins Spiel gebrachten Vorschlag einer deutschen Pkw-Maut gemacht.
Das am 7. Juli vom Bundesverkehrsminister vorgelegte Konzept ist entlang der heute bekannten Parameter nicht geeignet, diese Vorbehalte zu entkräften; denn gerade für die Grenzregionen – Rheinland-Pfalz ist das Bundesland mit den meisten Außengrenzen und damit den meisten Nationalstaaten an seinen Grenzen – sind neue unkalkulierbare, das heißt, gegenwärtig überhaupt nicht bezifferbare Risiken für Einzelhandel und Gastgewerbe hinzugetreten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach dem Dafürhalten der rheinland-pfälzischen Landesregierung muss daher nun zwingend auf den Prüfstand, welche Risiken das von Verkehrsminister Dobrindt verfolgte Konzept einer Pkw-Maut für unsere Grenzregionen mit sich bringen wird. Insgesamt abzuwarten bleibt auch, wie sich die EU-Kommission abschließend zu den deutschen Vorschlägen positionieren wird.
Ich habe Herrn Dobrindt in einem Kamingespräch der Verkehrsministerkonferenz gefragt, wie denn die Vorabstimmungen mit der EU-Kommission verlaufen seien. Er sagte mir, dass zunächst einmal nur seine EU-Experten dies beurteilt hätten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss möchte ich anmerken, bei dieser schwierigen Sachlage geht die Landesregierung davon aus, dass der Vorschlag des Bundesverkehrsministers zur Pkw-Maut bis zur Vorlage eines Gesetzentwurfs, der für die zweite Jahreshälfte angekündigt wurde, noch einige Metamorphosen erfahren wird. Wir wollen einmal sehen, was dann dabei herauskommt.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun noch einmal Frau Kollegin Blatzheim-Roegler das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat alles sein Gutes, und ich bin ein positiv denkender Mensch. Ich denke, die Debatte heute und das, was Herr Bundesverkehrsminister Dobrindt vorgelegt hat, ist auch ein Türöffner für ein Nachdenken darüber, wie wir die Infrastruktur, von der wir uns alle einig sind, dass sie unterfinanziert ist, maßgerecht finanzieren können. Wenn man also etwas Gutes tun will und dafür sorgen will, dass mehr Mittel für den Erhalt der Infrastruktur bereitgestellt werden können, dann wäre – dies hat auch Herr Minister Lewentz soeben angedeutet – die Ausweitung der Lkw-Maut zunächst einmal das probatere Mittel. Die meisten Straßenschäden werden eben durch die Lkw verursacht und nicht durch die Pkw.
Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen. Nach einer Berechnung der „Allianz pro Schiene“ verursachen Lkw jedes Jahr in Deutschland ein gesamtstaatliches Defizit von sage und schreibe 13 Milliarden Euro. Staatseinnahmen in Höhe von 14 Milliarden Euro stehen somit volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 27 Milliarden Euro gegenüber. Dies ist einer Studie der TU Dresden zu entnehmen. Damit wird jeder Lkw in Deutschland mit jährlich 5.091 Euro von der Allgemeinheit finanziell gefördert. Somit subventioniert der Steuerzahler oder die Steuerzahlerin nicht nur den Autoverkehr, sondern auch jetzt schon den Lkw-Verkehr massiv.
Als Fazit glaube ich, die vorgelegten Maut-Pläne sind ein großer Murks. Sie verunsichern unsere grenznahen Regionen, und ob des drohenden Wegezolls für unsere ausländischen Gäste sind tatsächlich auch schon die Betriebe verunsichert. In den Niederlanden hat ein Witzbold schon die Idee gehabt, Autofahrern aus Deutschland dafür extra hohe Parkgebühren abzuknöpfen.
Also, wenn wir Glück haben, verschwinden die Pläne im Sommerloch; das wäre ein geradezu würdiges Begräbnis für die unausgegorenen Dobrindtschen Ideen.
Frau Kollegin Blatzheim-Roegler, die Pläne werden mit Sicherheit nicht im Sommerloch verschwinden, dafür ist das Thema viel zu ernst.
Dafür ist die Infrastruktur viel zu unterfinanziert, als dass man sich darüber nicht mehr Gedanken machen müsste. Dazu gehören natürlich auch diese Debatte und diese Diskussion.
Herr Minister Lewentz, wir sind uns ohne Frage in vielen Punkten in Rheinland-Pfalz durchaus einig. Das sind die Fragen, die man stellen muss: Wollen wir, dass die Nachbarfamilien aus Frankreich und aus Belgien Eintrittsgeld bei uns bezahlen müssen, wenn sie nur über die Grenze fahren, um bei uns die Restaurants zu besuchen? – Das muss geklärt werden. Wer kontrolliert, ob es Kreisstraßen betrifft?
Dies sind Fragen, die in der Tat in diesem Eckpunktepapier nicht gelöst sind. Darum ist es auch richtig, dass Christdemokraten und Sozialdemokraten diese Fragen stellen und auch in einer konstruktiven Weise weiterentwickeln wollen. Am Schluss muss etwas dabei herauskommen, mit dem alle tragfähig arbeiten können.
Ich möchte aber zu Ihren Anmerkungen auch kritisch feststellen, wenn das einzig Konstruktive an Ihren Vorschlägen ist, allein die Lkw-Maut anzuheben, dann halte ich das nicht für zielführend. Es geht dabei nicht nur um 2 oder 3 Euro. Um es adäquat zu ersetzen, würde dies eine riesige Belastung des Industriestandortes Deutschland mit sich bringen.
Aus Umfragen deutscher Autobesitzer geht hervor, dass sie durchaus mit dem Vorschlag einverstanden sind, weil sie sehen, dass wir als Transitland genutzt werden. Wir sind durchaus dazu bereit, die Infrastruktur bereitzustellen, aber dann muss auch ein weiterer Beitrag erfolgen. Dieser Beitrag muss EU-konform sein, das ist ohne Frage, und dazu gibt es noch eine Menge zu tun. Die Diskussionen werden dazu beitragen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Licht, um es unsererseits noch einmal
zusammenzufassen: Wir stehen zum Koalitionsvertrag. Der Koalitionsvertrag gilt, und das akzeptieren wir auch so. Wir sind uns einig, wir brauchen mehr Mittel für die Infrastruktur, und zwar weit mehr als diese 600 Millionen Euro.
Herr Kollege Licht, aber wir wollen eben nicht, dass Rheinland-Pfalz unter dem Strich zu den Verlierern dieser Maut-Regelung gehört. Das gilt für das Land insgesamt, und zwar sowohl touristisch als auch wirtschaftlich, aber es gilt natürlich auch für jeden einzelnen Autofahrer; denn Sie wissen, in Rheinland-Pfalz als einem Flächenbundesland sind gerade die Berufspendler schon über jedes Maß hinaus belastet.
Deswegen wäre es gut, wenn Herr Dobrindt zunächst einmal in seinen eigenen Reihen für Klarheit sorgen würde. Es wäre vielleicht auch nicht schlecht, wenn sich Frau Klöckner als Vizebundesvorsitzende der CDU beim Bundesverkehrsminister dafür einsetzen würde. Das eine ist, vor den Folgen zu warnen, aber das andere ist, auch tatsächlich etwas zu verändern. Ich glaube, vor diesem Hintergrund ist es auch wichtig, die Abstimmung mit den Länderministern zu suchen.
Herr Licht, Sie haben soeben auch die Frage der LkwMaut angesprochen, und darüber bin ich schon ein wenig verwundert. Die Lkw-Maut ist in diesem Koalitionsvertrag auch klar geregelt. Darin heißt es:
Diese werden wir durch zusätzliche Mittel aus der Nutzerfinanzierung durch Lkw ergänzen. Die bestehende Lkw-Maut wird auf alle Bundesstraßen ausgeweitet, und sie wird weiterentwickelt. –