Protokoll der Sitzung vom 18.08.2011

Deshalb nutzt es auch nichts, wenn sie zum Computerkurs oder Weiterbildungskurs in der BA geschickt werden – da gebe ich Ihnen recht –, sondern sie brauchen individuelle Programme, wie sie viele unserer Träger anbieten, damit man ihnen gerecht wird, sie unterstützt und ihnen ein Stück die Möglichkeit gibt, sich dem Arbeitsmarkt wieder zu nähern. Deshalb finde ich es fast ein bisschen schamlos, die Qualität der Maßnahmen jetzt dafür verantwortlich zu machen, dass die Mittel in diesem Bereich gestrichen werden; denn ich kann für viele Träger hier im Land sagen, dass diese Leute wirklich mit sehr viel Hingabe begleitet werden, seit vielen Jahren länger als das, was die BA zulässt, und wir auch hohe Erfolgsquoten bei diesen Trägern haben.

Ich nenne einmal den Bürgerservice, der in Trier jetzt massenhaft Stellen abbauen muss, weil es demnächst keine AGHs mehr gibt. Sie haben wahnsinnig hohe Erfolgsquoten. Ich glaube, über 70 % der Beteiligten dieser schwerstvermittelbaren Menschen werden dort an den Arbeitsmarkt herangeführt, qualifiziert, wieder beschäftigt, und sie finden auch einen neuen Sinn in ihrem Leben. Sie werden wieder Mitglieder in unserer Gesellschaft, die integriert sind, inkludiert sind. Man weiß, da gibt es auch wieder ein Selbstwertgefühl. Sie haben damit ihre Krise überstanden. Das heißt, wir haben viel mehr geschafft, als sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir haben sie auch wirklich in das gesellschaftliche Leben integriert. Darum muss es auch in Zukunft gehen.

Wenn Sie davon sprechen, dass es mehr Ermessen und mehr freie Förderung gibt, dann muss ich es Ihnen sagen, wir haben natürlich lange gekämpft, dass es freie Förderung gibt. Es ist aber kein Geld da. Frau Thelen, reden Sie einmal mit den Leuten vor Ort. Die Jobcenter sagen ganz klar: Bei dem Geld, das wir zur Verfügung haben, können wir vielleicht eine Maßnahme in der freien Förderung machen. Ansonsten läuft gar nichts. – Das ist eigentlich die Ironie. Das werfe ich der Bundesregierung vor. Ich werfe es auch Frau von der Leyen vor, dass sie sich in die Öffentlichkeit stellt und sagt: Wir geben den Trägern und den Jobcentern mehr Ermessensspielräume. – In Wahrheit ist es aber eigentlich nur eine Verschleierung der Tatsache, dass vor Ort überhaupt keine Möglichkeit des Agierens mehr vorhanden ist, weil das Geld fehlt. Das ist absolut unsozial und nebendran.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben in der Politik eine Verantwortung für die soziale Balance in diesem Land. Deshalb dürfen wir diese inzwischen auch recht große Gruppe armer Menschen, langzeitarbeitsloser Menschen, einfach nicht vergessen. Im Gegenteil, wir müssen dafür sorgen, dass wir es packen, sie in die Gesellschaft zu integrieren. Deshalb ist diese Instrumentenreform einfach nur abzulehnen, was wir natürlich auch tun. Sie ist nicht zustimmungspflichtig. Wir tun unser Bestes, um sie zu verbessern, aber sie wird uns auf den absolut falschen Weg führen. Davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Redezeit steht den einzelnen Fraktion nicht mehr zur Verfügung. Damit ist der erste Teil der Aussprache beendet.

Ich rufe die Aussprache über die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Bettina Dickes und Martin Brandl (CDU) , Einstellungen im rheinland-pfälzischen Schuldienst zum neuen Schuljahr – Nummer 2 der Drucksache 16/225 – betreffend, auf.

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dickes für die CDUFraktion.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eben alle gemeinsam die Antwort vernommen, eine optimale Versorgung an unseren Schulen sei schlichtweg nicht zu bezahlen. Frau Ministerin, zur optimalen Versorgung sprachen Sie dabei von den 100 %, die unseren Schulen nach Verordnungen zustehen, die Sie selbst geschaffen haben.

Die Zahlen, die Sie uns eben genannt haben, waren eindrucksvoll. Es war eine klare Aussage dabei, Rheinland-Pfalz ist prima. Die Versorgung an Schulen mit Lehrern ist weiterhin auf hohem Niveau. Die individuelle Förderung unserer Kinder ist gesichert, und rheinlandpfälzische Schüler sind von Natur aus so intelligent, dass es auf ein paar Stunden weniger Mathematik oder Chemie, Französisch oder Latein oder gar keine bildende Kunst oder gar keine Musik überhaupt nicht ankommt, die vielleicht in diesem Jahr nicht erteilt werden.

(Hoch, SPD: Am besten alles zusammen!)

Was sind schon 40 Stunden weniger Chemie in einem Schuljahr? – Peanuts! Das fangen nämlich die hoch motivierten Lehrkräfte auf, die trotz besserer Bedingungen in anderen Bundesländern hiergeblieben sind, die gern auf Planstellen für die Freude auf sechs Wochen unbezahlten Sommerurlaub verzichten, weil der Vertrag endet, und für den Kick, wenn man das Glück hat und nach den Sommerferien vielleicht dann doch erneut wieder eingestellt wird, und manche fünfzehnmal in Folge, die Kettenverträge und Zeitverträge annehmen, die Sie als Landesregierung, als Sozialdemokraten,

eigentlich aufs Schärfste kritisieren. Die Lehrer in Rheinland-Pfalz aber machen das gern. Sie nehmen die Verträge an, und es macht ihren Unterricht auch besonders hoch motiviert und gut. Dann spielen fehlende Stunden bei uns überhaupt keine Rolle.

(Beifall bei der CDU – Frau Ebli, SPD: Da wird ständig was behauptet!)

Frau Ministerin, nach den vielen, vielen Gesprächen mit Schulleitern, mit Lehrern, mit Schülern in den vergangenen Wochen kann man auf Ihre Jubelberichte nur noch mit Sarkasmus reagieren;

(Pörksen, SPD: Sie reagieren mit Unwissenheit!)

denn die Situation, die uns die Akteure vor Ort schildern, die sie erleben, sind so grundlegend anders als das, was sie gern glauben mögen. So viel bitterer, was uns allein diese Woche unzählige Lehrer mitgeteilt haben – – –

(Pörksen, SPD: Unverfrorenheit! Wir sprechen doch erst nächste Woche mit ihnen!)

Natürlich nur uns. Das verstehe ich.

Wir beklagen schon seit Jahren den hohen Unterrichtsausfall und hören von Ihnen immer wieder betrübt, es gäbe einfach nicht mehr Lehrer am Markt. Aber es gab ja den Hoffnungsschimmer, durch Schülerrückgang könnten Kapazitäten frei werden.

Herr Ministerpräsident, wir kennen Ihr Versprechen, das Sie unter anderem im März bei einem Interview der VBE-Zeitung genannt haben. Sie sagten: Die Bildung hat für mich höchste Priorität. Das sehen Sie daran, dass wir die demografische Dividende ins System zurückgeben. –

(Frau Klöckner, CDU: Aha!)

Frau Ministerin, noch einmal, die optimale Versorgung sei schlichtweg nicht zu bezahlen, das bedeutet auch, dass wir nur noch fast halb so viele Planstellen haben wie noch vor zwei Jahren.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Was?)

Das bedeutet, dass zumindest die Schulen empfinden, dass sich der Ausfall verdoppeln könnte.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das bedeutet, dass Sie bei weiteren Aufgaben für die Schulen fast die Hälfte der fertigen Referendare in diesem Jahr nicht einstellen. Es ist für uns ein klarer Fall, Sie brechen Ihr Wahlversprechen.

(Beifall bei der CDU)

Sie sparen auf Kosten der Bildung unserer Kinder. Diese Sparversuche haben sich in beispiellosen Protesten vor den Sommerferien und auch während der Ferien gezeigt. Diese Sparversuche decken sich auch mit den Erlebnissen unserer Schulleiter, die noch niemals so spät Verträge für Vertretungskräfte bekommen haben, in

der letzten Woche vor Schuljahresbeginn teilweise dreimal oder viermal einen neuen Stundenplan stricken mussten, die verzweifelt herumtelefoniert haben, um Vertretungskräfte zu finden, und sagen, bei zwei Dritteln der Kräfte haben sie gehört: Wir haben leider schon eine Planstelle in Hessen. Für Rheinland-Pfalz stehen wir nicht mehr zur Verfügung. –

Das heißt dann, dass ein Schulleiter berichtet, dass bei ihm in den Klassen 5 bis 8 nicht eine einzige Klasse die vollen dreißig Stunden Unterricht hat, die ihr zustehen.

(Baldauf, CDU: Hört, hört!)

Das heißt, dass ein anderer Schulleiter sagt, die Klassen 7 bis 9 haben bei ihm überhaupt keinen Sportunterricht, und Kunst und Musik werden sie auch nur epochal unterrichten. Das heißt, dass sich die Lage an den Schwerpunktschulen zum Beispiel immer weiter zuspitzt.

(Frau Brede-Hoffmann: Die haben wir gar nicht mehr!)

Teilweise haben wir mehr als ein Drittel der Kinder in einer Klasse mit sonderpädagogischem Förderbedarf wie Lernbehinderung, Autismus und so weiter.

(Frau Brede-Hoffmann: Was?)

Aber die wenigen Förderlehrer, die wir an den Schulen noch haben, werden teilweise sogar in andere Klassen gesteckt, um dort Vertretungsunterricht zu halten. Frau Ministerin, das ist keine optimale Versorgung, sondern das ist ein Sparen auf Kosten unserer Kinder.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Fuhr von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Dickes, es ist in hohem Maße bedauerlich, dass Sie es immer wieder versäumen, auf die in einer sachlichen Debatte vorgebrachten Argumente mit einem differenzierten Blick einzugehen, und stattdessen immer wieder Katastrophengemälde in den Raum stellen, die mit der Realität wirklich nichts zu tun haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Rosenbauer, CDU: Wenn die Leute das erzählen, stimmt das!)

Wenn ich mir die Beantwortung der Fragen durch die Frau Ministerin heute Morgen in Erinnerung rufe, sehe ich folgendes Bild vor mir: Die Frau Ministerin ist sehr differenziert auf die Situation in unseren Schulen, auf die Schwierigkeiten des Lehrermarktes und auf Mängelfächer eingegangen sowie darauf, was das für unsere

Schulen bedeutet. Sie berücksichtigen das in keiner Weise, sondern greifen immer Einzelbeispiele heraus,

(Pörksen, SPD: Sie erfinden sie!)

und auf dieser Grundlage stellen Sie dann Behauptungen in den Raum: Dort fällt ein halbes Jahr lang das Fach aus, dort ein halbes Jahr lang jenes. – Das ist der Situation und der Arbeit in unseren Schulen wirklich nicht angemessen.

(Baldauf, CDU: Das sind aber viele Einzelbeispiele! – Pörksen, SPD: Alle erfunden!)

Wir alle haben einen Wahlkreis, und wir alle sprechen mit den Vertretern der Schulen in unserem Wahlkreis. Auch ich habe das aufgrund der Diskussionen, die es schon vor dem Schulferienbeginn gab, in den vergangenen Wochen sehr intensiv getan. Die Rückmeldungen, die ich bekommen habe, sind positiver als das, was Sie hier darstellen.

Ich will nicht, wie Sie es tun, anhand von Einzelbeispielen über die Situation im ganzen Land diskutieren. Ich will Sie aber darauf hinweisen, dass es eine Transparenz gibt, was die Unterrichtsversorgung im ganzen Land betrifft. Wir haben ein klares Verfahren, und es wird ein Bericht vorliegen, in dem dargestellt ist, wie die strukturelle Unterrichtsversorgung in Rheinland-Pfalz zu dem entsprechenden Stichtag ist. Dieser Bericht kommt mit gutem Grund im Herbst heraus. Stichtag ist der 2. September; die Rückmeldungen haben bis zum 10. September zu erfolgen. Das wissen Sie.

Nur um Ihnen ein paar Fakten in Erinnerung zu rufen: Wir haben es in Rheinland-Pfalz mit fast 570.000 Schülerinnen und Schülern zu tun, die von über 42.000 hauptamtlichen Lehrkräften unterrichtet werden. Dieses Geschäft bewirkt, dass zu Beginn eines Schuljahres manche Stellen noch nicht besetzt sind, manche Verträge noch nicht abgeschlossen sind und dass das, auch durch die Schulaufsicht, erst dann umgesetzt wird. Deswegen haben wir ein klares, transparentes Verfahren, in dem das beschrieben ist. Sie sind mit Ihren Katastrophenmeldungen wieder einmal zu früh dran.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Wie immer! Wie jedes Schuljahr!)