Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

Herr Minister Schweitzer, Sie haben nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie es mich gleich zu Beginn offen ansprechen: Die Organspende in Deutschland steckt in einer Krise, die sich durchaus auch in Rheinland-Pfalz bemerkbar macht. Zwar schneidet Rheinland-Pfalz bei den absoluten Spenderzahlen im Ländervergleich nach wie vor noch vergleichsweise günstig ab, aber ich lasse keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, dass mich dies in keiner Weise beruhigt oder uns gar dazu veranlassen sollte, dass wir uns zurücklehnen. Deshalb bin ich Ihnen auch sehr dankbar, dass wir heute die Gelegenheit einer öffentlichen Debatte, einer Landtagsdebatte, nutzen.

Woher kommt es, dass die Organspende in einer Vertrauenskrise steckt? – Dies hat zunächst einmal mit der Aufdeckung der Manipulationen in den verschiedenen Lebertransplantationszentren in Deutschland im Jahr 2012 zu tun. Daraufhin wurden zahlreiche gesetzliche, aber auch untergesetzliche Maßnahmen ergriffen, um weitere Manipulationen zu verhindern und auch neues Vertrauen in das System der Organtransplantation in Deutschland zu schaffen.

Ich möchte einige Beispiele nennen. Es geht um die Implementierung des Sechs-Augen-Prinzips und von Transplantationskonferenzen in den Richtlinien der Bundesärztekammer. Es geht um die Einbindung der Länder in die Überwachungstätigkeit der Prüfungs- und Überwachungskommission, und es geht darum, dass eine Ländervertretung im Aufsichtsrat der Deutschen Stiftung Organtransplantation möglich wurde. Es geht um eine Genehmigungspflicht der Richtlinien der Bundesärztekammer durch das Bundesministerium für Gesundheit, meine Damen und Herren, und es geht nicht zuletzt auch um die Strafbewehrung von Manipulationsfällen.

Dennoch stehen die Bemühungen auf allen Ebenen der Politik und der Selbstverwaltung noch vor großen Herausforderungen. Um Vertrauen zurückzugewinnen, haben Bund, Länder und Selbstverwaltung im August 2012 beschlossen, alle Transplantationsprogramme flächendeckend retrospektiv zu überprüfen. Die Prüfungen dauern noch an; daher kommen trotz der vielfältigen Maßnahmen weiterhin zurückliegende Manipulationsfälle in einzelnen Zentren ans Licht. Das System der Organtransplantation und damit auch die Organspende gerät in der Öffentlichkeit immer wieder einmal in die Schlagzeilen.

In Rheinland-Pfalz ist es uns vor einiger Zeit gelungen, gegen den Bundestrend anzukämpfen. Unsere Zentren sind nicht nur gut aufgestellt, sondern sie haben sich auch seit Langem selbst dazu verpflichtet – und dies betone ich ausdrücklich –, Fehlanreize im Bereich der Organtransplantation zu vermeiden.

Zusätzlich zur Entscheidungslösung, die die Krankenkassen zur regelmäßigen Information ihrer Mitglieder und zur Aufforderung zu einer Entscheidung verpflichtet, betreibt die Landesregierung mit ihren Partnerinnen und Partnern der Initiative Organspende unerlässlich Sensibilisierung und Aufklärung. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen des Landtags, die vor mir geredet haben, sehr dankbar, dass sie schon darauf hingewiesen haben.

Ich bin auch sehr dankbar für den Hinweis auf die Wanderausstellung „Herz verschenken“. Alle hatten die Gelegenheit, sie im Foyer des Plenarsaals anzuschauen und zu erleben. Sie wird noch an weiteren 21 Orten zu sehen sein, und ich kann Ihnen sagen, dass sie so großen Anklang gefunden hat, dass es inzwischen auch Duplikate dieser Ausstellung gibt.

Alljährlich wird der Tag der Organspende begangen, und gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Region Mitte – das ist die für uns zuständige Stelle –, haben wir in jedem Jahr ein Krankenhaus für vorbildliches Engagement im Bereich der Organspende ausgezeichnet und geehrt.

Meine Damen und Herren, in diesem Jahr wird das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, und zwar der Standort des Evangelischen Stifts St. Martin in Koblenz, ausgezeichnet. Das hat im letzten Jahr 18 Organspenden ermöglicht und damit mehr als jedes Krankenhaus in Deutschland.

Für das kommende Jahr haben wir uns gemeinsam mit der Initiative Organspende vorgenommen, noch stärker als bisher die jungen Menschen in den Fokus zu nehmen. Das sind tatsächlich die, die man ansprechen muss, wenn es um eine Lebensentscheidung geht. Die Kampagne „Let the beat go on“ soll in erster Linie Aufklärung und Sensibilisierung in den Blick nehmen.

Darüber hinaus sind wir bereit, unser Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz zu novellieren. Ich hatte darüber schon im zuständigen Ausschuss Auskunft gegeben. Es geht insbesondere um die Frage der Freistellung. Da ist der rechtliche Rahmen geschaffen. Es geht uns auch darum, dass wir das insbesondere im Bereich der Finanzierung der Freistellung umsetzen.

Lassen Sie mich zu guter Letzt sagen, dass die Frage der Sensibilisierung und Aufklärung eine Frage der Politik ist, aber nicht ausschließlich eine Frage der Politik. Dafür braucht man Partnerinnen und Partner. Dafür braucht man aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger, Initiativen der Selbsthilfe, andere Organisationen und sicherlich Einrichtungen wie Schulen und Bildungsstätten.

Alle müssen mitziehen, damit wir diese Frage der Organspende nicht als eine Frage der Krise, wie wir es heute diskutieren müssen, sondern vor allem der Chance auf Leben und Weiterleben diskutieren können. Ich glaube, das würden wir uns alle miteinander wünschen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Vielen Dank. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/4029 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Ich rufe die Punkte 17 und 18 der Tagesordnung gemeinsam auf:

Die Situation von Prostituierten weiter verbessern

Antrag der Fraktionen der SPD und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/4043 –

Situation der Prostituierten in Rheinland-Pfalz – Maßnahmen zur Verbesserung der rechtlichen

und tatsächlichen Gegebenheiten

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/4052 –

Es wurde eine Grundredezeit von 10 Minuten vereinbart. Die Begründung sowohl zu Punkt 17 als auch zu Punkt 18 der Tagesordnung erfolgt jeweils durch ein Mitglied der antragstellenden Fraktion.

Ich erteile Frau Kollegin Elsner das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute mit dem Thema Prostitution. Das Gesetz von 2002 sollte die Situation der Prostituierten vor allem in sozialen und rechtlichen Bereichen verbessern. Vor allem wurde die Sittenwidrigkeit abgeschafft. Dieses Gesetz sollte die Möglichkeit eröffnen, dass sich Prostituierte sozialversichern und selbstständig ihrem Gewerbe nachgehen können.

Die Evaluation in 2007 hat gezeigt, dass diese hehren Ziele, die vom Gesetzgeber gewünscht waren, nicht umsetzbar waren und ein Bedarf zur Nachsteuerung und Weiterentwicklung besteht.

Nur rund 1 % aller Prostituierten hatte demnach einen Arbeitsvertrag. Auch die Möglichkeit der Altersvorsorge wurde nur von maximal der Hälfte der Befragten in Anspruch genommen.

Der Bundesgesetzgeber hat diese Gesetzeslücke erkannt und strebt eine erneute Novellierung an. Hierbei geht es um die legale, selbstbestimmte Möglichkeit, ein Gewerbe auszuüben und die Situation der Prostituierten praxisgerecht zu verbessern.

Im März beantragten alle Fraktionen gemeinsam eine Anhörung zu diesem Thema. Im Juni fand hierzu im Ausschuss eine Aussprache statt. Auch hier war es einhellige Meinung der Fraktionen, einen gemeinsamen Antrag im Plenum einzureichen. Noch vor der Sommerpause legten die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD-Fraktion der CDU-Fraktion einen Antragsentwurf mit der Bitte um Stellungnahme bzw. Nennung von Änderungsbedarf vor.

Danach wurde uns mehrfach signalisiert, dass der Antrag soweit in Ordnung ist, jedoch zwei bis drei Änderungen vorgenommen werden sollten. Gespräche über Änderungsbedarf waren trotz mehrfacher Nachfrage nicht möglich.

Jetzt, 10 Tage vor dem Plenum, hielten Sie es für richtig, uns eine Neufassung der CDU-Fraktion vorzulegen. Keine Rede mehr von dem Versuch, einen gemeinsamen Antrag zu stellen. Gemeinsam waren wir zu dem Beschluss gekommen, dass die aufsuchende, beratende Arbeit durch das Gesundheitsamt einer gesetzlichen Regelung vorzuziehen ist.

Ebenso wurde deutlich, dass ein Beratungsangebot auch in der jeweiligen Muttersprache erfolgen muss, was von den Institutionen wie Roxanne in Koblenz mit mehrsprachigen Flyern unterstützt und erfolgreich durchgeführt wird.

Verbesserungsbedarf gibt es nach einhelliger Meinung bei der Vernetzung der unterstützenden, beratenden und kontrollierenden Einrichtungen. Hierzu gehören zum Beispiel das Gesundheitsamt, die Schuldnerberatung, die Arbeitsagentur und soziale Institutionen. Wichtig sind bei diesem Punkt vor allem niedrigschwellige und aufsuchende Angebote, die von den Prostituierten eher angenommen werden.

Eine ganz hohe Bedeutung hat dabei eine qualifizierte erste Beratung. Wie wir erfahren konnten, führt das oft dazu, direkt eine Ausstiegsberatung vorzunehmen. Die in Ihrem Antrag vorgesehene verpflichtende Untersuchung durch die Gesundheitsämter wird von den Betroffenen als unverhältnismäßig und stigmatisierend klar abgelehnt.

Über die Bestrafung der Freier kann man sich sicherlich streiten. Aber laut Aussage von Fachleuten kommt jeder dritte Hinweis auf Misshandlungen aus dem Kreis der Freier.

Wir wollen Flatrate-Bordelle verbieten, dass ein Bordell gewerberechtlich angemeldet werden muss, dass die Prostitutionsstätte definiert und bestimmten Standards

entsprechen muss und ein verbessertes Aufenthaltsrecht. Aber im Gegensatz zu Ihnen wollen wir das mit Kindernachzug. Das steht in Ihrem Antrag nicht.

Wir wollen nicht das Schutzalter, wie von Ihnen gefordert, von 18 auf 21 Jahre erhöhen, da das regelmäßig ins Leere läuft. Die Anhörung hat gezeigt, dass damit wieder viele Frauen in die Illegalität getrieben werden.

Unsere heutige Debatte legt den Schwerpunkt nicht auf kriminelle Tatbestände wie Zwangsprostitution oder Menschenhandel. Dabei würden wir über Menschrechtsverletzungen sprechen, die selbstverständlich nicht mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit der Prostitution beantwortet werden dürfen. Wir sprechen hier und heute über Prostitution als einer selbstbestimmten beruflichen Tätigkeit. Wir waren uns einig, für diese Frauen wollen wir die berufliche Situation verbessern. Dafür wollten wir uns gemeinsam einsetzen.

Danke schön.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Frau Kollegin Spiegel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider ist die öffentliche Diskussion über Prostitution oftmals stark geprägt von Vorurteilen, moralisierenden oder skandalisierenden Wortbeiträgen und erhobenen Zeigefingern. Ich hoffe sehr, dass die Debatte heute im Landtag einen Beitrag dazu leistet, das Thema einerseits aus der Tabuzone zu holen und andererseits keine moralischen Kategorien aufzufächern.

Vielmehr – das ist mir wirklich ein Herzensanliegen – soll es um die Situation der in der Prostitution arbeitenden Frauen und darum gehen, wie wir soziale, gesundheitliche, rechtliche und gesellschaftliche Situationen verbessern können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Deshalb bin ich dem gesamten Frauenausschuss sehr dankbar, dass wir fraktionsübergreifend beschlossen haben, uns des Themas anzunehmen und hierzu eine Anhörung durchzuführen. Die Anzuhörenden kamen aus Beratungsstellen, aus der Wissenschaft, aus der Polizei und aus der Prostitution. Sie haben uns ausführlich und differenziert über die rechtliche und tatsächliche Situation der Prostituierten in Rheinland-Pfalz informiert.

Lassen Sie mich dabei zunächst einmal feststellen, dass Prostitution keine Randerscheinung unserer Gesellschaft ist. Schätzungsweise – ich weiß, man muss bei solchen Zahlen immer sehr vorsichtig sein, denn es gibt eine hohe Dunkelziffer, genaue Schätzungen sind sehr schwierig, weshalb die Zahlen sehr volatil sind – arbeiten etwa 20.000 Prostituierte in Rheinland-Pfalz.