Das hat mir übrigens am Montagabend auch noch einmal der Vertreter der Diakonie extra mit ans Herz gelegt.
Meine Damen und Herren, was macht jetzt Sinn, um eine wirkliche Veränderung herbeizuführen? Ich will noch einmal ausdrücklich unterstreichen, dass nicht nur wir im Landtag von Rheinland-Pfalz uns damit beschäftigen. Die Bundestagsfraktionen haben sich auch aufgrund der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD über die Evaluation zu dem Prostitutionsgesetz von 2002, das damals SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verabschiedet hatten, noch einmal dezidiert geäußert. Julia – und andere natürlich auch, die hier sitzen –, du warst ja sicher auch dabei und hast das auch mit verhandelt. Man hat sehr früh gesehen, dass dieses Prostitutionsgesetz, das übrigens nur aus drei Paragrafen besteht, doch eine nachteilige Wirkung für Deutschland und vor allem für die Frauen hatte.
Man muss das hier einfach einmal ganz trocken festhalten. Mit diesem Gesetz, mit der Legalisierung bzw. der Abschaffung der Frage, dass das sittenwidrig ist, ist ein neuer Markt entstanden. Ein neuer Markt hat auch neue Angebote verlangt. Damals, ganz zu Beginn, als die Ostgrenze noch eine andere war als heute, kamen sehr viele illegale Frauen über Schlepper und Menschenhändler hierher. Heute kommen die Frauen zum Teil aufgrund der Freizügigkeit. Die Kollegin hat auch darauf hingewiesen, welche Gruppen da besonders aktiv sind und ihre eigenen Familienverbände in dieses kriminelle Gewerbe mit einbeziehen. Diese Situation, dass wir sehr viele Frauen mit ausländischem Hintergrund haben, macht die Situation für die Beratungen vor Ort – auch das haben wir gemeinsam herausgearbeitet – sehr viel schwieriger.
Ich will zu dem, was schon gesagt worden ist, nur noch einmal hinzufügen, dass es natürlich auch für die Polizei oder andere Behörden sehr, sehr schwierig ist, mit solchen Frauen positiv in Kontakt zu treten, weil sie von zu Hause eine andere Erfahrung mit der Polizei haben, um das einmal sehr deutlich zu sagen, und deswegen immer unter Angst und Schrecken stehen, wenn sie mit staatlichen Behörden – in welcher Schattierung auch immer – dann tatsächlich zu tun haben.
Diese ausländischen Frauen haben auch – das war sicher auch einer der bewegendsten Aspekte bei der Anhörung – enorme gesundheitliche Probleme. Das wurde hier auch schon angesprochen. Sie kennen oft keine Prävention in ihrer eigenen Gesundheitsvorsorge. Sie kennen kaum die Umstände von Schwangerschaft oder Verhinderung von Schwangerschaft, und sie sind oft sehr, sehr krank. Sie haben keinen Gesundheitsschutz. Ich denke, es macht wirklich Sinn, dass man
darüber noch einmal offen diskutiert, ob hier nicht eine stärkere Hilfe über eine Reglementierung wirklich zielführend wäre.
Frau Kollegin Spiegel, Sie haben zum Beispiel auch noch einmal die Kondompflicht angesprochen. Ich will dem nicht ausweichen. Ich will mich bei der Argumentation auf das zurückziehen, was Frau Kramp-Karrenbauer am Samstagmorgen gesagt hat. Im Saarland hat das Landesparlament diese Kondompflicht über die Hygieneverordnung eingeführt, und zwar sagt sie ausdrücklich, sie machen die Erfahrung, dass diese Pflicht über die Ausgabe von Kondomen hilft – das hatten wir auch schon einmal –, Kontakt zu finden und Beratung bekannt zu machen. Das ist ein Problem, das wir auch identifiziert haben, wie wir an die Prostituierten herankommen, wie wir mit Beratung helfen, wie sie überhaupt erfahren, dass es so etwas gibt.
Dieser geschützte Geschlechtsverkehr war einmal die Regel. Wenn man ihn wieder einführt, verdirbt er die Preise für Werbung für ungeschützten Sex. Sie wissen, dass viele damit werben und viele Zuhälter die Prostituierten mit allen Folgen dazu zwingen, die das nachher für die individuelle Gesundheit usw. hat. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig.
Ich will auch noch einmal sagen, das gilt für die Anmeldepflicht, das gilt aber auch für andere Regeln, die wir vorschlagen. Vielleicht ist nicht jede wirklich immer zu 100 % zielführend. Das haben wir in vielen anderen Bereichen auch. Aber solche Entscheidungen, die Strafbarkeit zu erhöhen oder die Strafbarkeit überhaupt möglich zu machen und so weiter – Kondompflicht, Anmeldepflicht, Anmeldekarten, wie auch immer sie das bezeichnen wollen –, senden ein Signal aus.
Frau Kramp-Karrenbauer hat meines Erachtens noch einmal zu Recht darauf hingewiesen, als wir zum Beispiel über die Vergewaltigung in der Ehe diskutiert haben – ich weiß nicht, wer schon im Parlament war, kann sich daran erinnern, dass das, wahrscheinlich in allen Parteien, keine leichte Diskussion war –, dass wir damit in einem Graubereich, in einem Bereich, den vorher niemand wirklich hat durchforschen können, in dem wirklich Gewalt gegen Frauen stattgefunden hat, bei dem aber niemand gewusst hat, wie man da strafrechtlich zurechtkommen soll und wie man das machen soll, ein Signal ausgesandt haben.
Wir wissen heute, dass wir damit eine Kettenreaktion bei der Beratung, in den Frauenhäusern, aber auch in der öffentlichen Diskussion ausgelöst haben. Den Frauen hat es, glaube ich – das kann man überhaupt nicht mehr bestreiten –, wirklich geholfen, dass wir diesen Straftatbestand eingeführt haben. Deswegen sind die Signale, wie sie in unserem Antrag aufgeführt sind – ob das die Altersgrenze ist oder andere Dinge –, absolut wichtig. Glauben Sie mir das, wir haben uns das noch einmal genau angeschaut.
Lassen Sie mich das zum Schluss ein bisschen zusammenfassen. Ich glaube, wir müssen uns – damit komme ich zu meiner Anfangskritik zurück – als Frauenpolitikerinnen, als verantwortliche Politiker insgesamt fragen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Ist es wirklich unser Ziel, dass wir eine Gesellschaft haben, in der Männer über Frauen über die sexuelle Gewalt Macht ausüben?
Ich glaube, dass kann es heute nicht mehr sein. Das muss der Vergangenheit angehören. Dann können wir – das werden unsere Vertreterinnen und Vertreter im Bundestag sicher auch machen – über viele Details noch einmal diskutieren. Übrigens diskutieren wir mit der SPD schon über die Frage, wie wir das mit der Bestrafung der Freier machen. Wie muss man das machen, damit es Sinn macht? – Dazu gibt es schon neue Vorschläge. Da kann man sicher über viele Details reden, aber ich glaube, wir müssen uns darauf verständigen und uns einig sein, dass jetzt endlich Lösungen auf den Weg gebracht werden müssen,
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kohnle-Gros, bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme: Das zum Schluss klang sehr danach, als ob Sie mit dem Gedanken spielen würden, Prostitution zu verbieten. Ja, wir sind dagegen, dass Männer über Frauen Macht ausüben. Ja, wir sind dagegen, dass Frauen für Männer Ware werden. – Ich glaube aber, mit Verboten an dieser Stelle kommen wir nicht wirklich weiter.
Lassen Sie mich noch einmal ganz kurz zusammenfassen, worüber wir reden. Wir reden über einen meist weiblichen – nicht immer, aber meist – Beruf, der unglaublich unterschiedlich, unglaublich schwierig, unglaublich gefährlich, psychische und physische Gesundheit beeinträchtigend, Sicherheit beeinträchtigend und besonders die Würde der Frauen ganz oft betreffend ist wie kein zweiter Beruf. Frau Spiegel hat das sehr ausführlich dargelegt.
Wir reden heute nicht – wir müssen darüber aber noch reden – über Menschenrechtsverbrechen wie Zwangsprostitution und Menschenhandel. Das ist ein ganz anderes Thema, das noch viel, viel komplizierter ist.
Wir reden über Frauen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen prostituieren und sich eben für diesen Beruf
entschieden haben. Zumeist hat das ganz viel mit sozialer Armut, Armutswanderung, wenig Bildung, keiner Berufsausbildung, beruflicher Alternativ- und Perspektivlosigkeit zu tun.
Wir reden heute über unsere politische Verpflichtung, für diese Art der Berufstätigkeit Arbeits- und Rahmenbedingungen mit zu gestalten, die dem Schutz dienen, so viel Schutz wie möglich, so viel Lebensperspektive, so viel Selbstbestimmung, so viel Würde wie irgendwie sicherbar, aber auch oft Befreiung aus Zwangszuständen, die trotz der legalen Prostitution dort erfahren werden, Befreiung von Gewalterfahrungen und manchmal sogar Abwehr von Lebensgefährdung.
Die Entwicklung von Problemlösungen muss sich aber an realen Bedingungen orientieren. Sie müssen empirisch sein und dürfen nicht den moralinsauren Finger haben. Damit kommen wir keinen Schritt weiter. Der einfache Menschenverstand, der uns hin und wieder in der Politik ganz schön weit führt, führt hier überhaupt nirgendwo hin. Wir müssen hinhören und fragen, was die in diesem Beruf Tätigen, die davon betroffenen Frauen uns sagen, und was die Menschen sagen, die ihnen helfen, die sie kontrollieren, die versuchen, ihren Alltag, diesen Wahnsinn des Alltags, ein wenig besser zu gestalten: Menschen aus Beratungssystemen, Ordnungsbehörden, Polizei, Gesundheitssystem. – Frau Elsner hat sie alle aufgezählt.
Die gemeinsam beschlossene Anhörung hat das – ich sage, wunderbarerweise – gemacht. Ja, es ist hingehört worden. Es ist gefragt worden. Es ist zugehört worden, was geschildert wurde. Die Antwort liegt heute in unserem rot-grünen Antrag vor. Die wichtigsten Punkte haben meinen Vorrednerinnen, Frau Elsner und Frau Spiegel, schon längst erklärt. Deshalb muss ich sie nicht wiederholen.
Um es noch einmal zu sagen: Wir alle wissen, und keiner macht sich vor, dass das, was wir darin vorschlagen, wenn es 1 : 1 umgesetzt wird, nicht dazu verhelfen wird, diesen Beruf zu einem goldenen Beruf zu machen, dass das dazu führen wird, dass diese Arbeit gesund, sicher und selbstbestimmt in letzter Konsequenz ist. Nein, das glauben wir nicht. Wir versuchen aber zu verbessern, was man verbessern kann. Wir tun das aus Respekt vor diesen Frauen, die die Dienstleistung der Prostitution so erbringen. So sagen sie das selbst.
Wir verlangen von uns selbst, Rahmenbedingungen zu verändern, die dieses Arbeiten halbwegs erträglich machen. Das tut der Antrag, der von uns vorgelegt worden ist, aus dem Respekt vor der Würde dieser Frauen, aber auch aus dem Respekt vor der Arbeit der Menschen, die in diesem Bereich helfen, beraten und kontrollieren wollen. Aus dem Respekt – dieser Respekt hat meiner Ansicht nach überhaupt keine politische Farbe – und nicht aus dem moralinsauren Finger heraus, hätte es das Ziel unserer heutigen Diskussion sein müssen – das ist das Wichtigste, was ich Ihnen heute sagen möchte –, uns auf einen gemeinsamen Antrag zu einigen.
Der Respekt vor diesen Frauen, die Notwendigkeit, für diese Frauen Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten, hätte dazu führen müssen, dass es einen Vorschlag dieses Hohen Hauses gibt.
Werte Kolleginnen von der CDU, Sie hatten das Angebot dazu. Es lag lange genug vor. Sie hätten mit uns arbeiten können, und wir hätten unter Garantie den gemeinsamen Antrag zusammen erarbeiten können.
Stattdessen liegt von Ihnen ein Antrag vor, in dem etwas passiert, was diesen Respekt nicht mehr vollständig beinhaltet. Sie machen Vorschläge, die von den Angehörten explizit abgelehnt worden sind.
Damit können wir uns nicht einverstanden erklären. Aus diesem Grund können wir diesen Antrag nicht beschließen. Aus diesem Grund können wir nicht noch einmal in einem Ausschuss darüber diskutieren,
sondern aus diesem Grund werden wir heute für unseren Antrag stimmen und Ihren Antrag ablehnen. Das ist schade, aber Sie haben die Chance, diesen Respekt zu zeigen – –
Ich will nur noch einmal ganz kurz auf die Anhörung und auf Ihre erste Bemerkung in unsere Richtung zurückkommen, Frau Brede-Hoffmann, dass wir ein totales Verbot der Prostitution haben wollen. Sie haben sicher nicht richtig überlegt, was Sie da gesagt haben. Das ist sicherlich nicht unsere Intention.
Es gibt eine Gruppe in Rheinland-Pfalz – ich glaube, die muss ich beim Namen nennen –, die wirklich ein absolutes Verbot möchte. Das ist Frau Schwester Lea Ackermann von SOLWODI, die wir, glaube ich, alle parteiübergreifend schätzen. Sie ist der Meinung, Prostitution gehört verboten. Wir sind in den vergangenen Wochen auch gefragt worden, warum wir nicht dezidiert dafür eintreten. Das tun wir nicht. Wir möchten nicht, dass die Prostitution in die Illegalität gedrängt wird und damit ein Dunkelfeld entsteht, das wir überhaupt nicht mehr in den Griff bekommen können.