Protokoll der Sitzung vom 25.02.2015

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich der Ministerpräsidentin das Wort erteile, möchte ich gerne Schülerinnen und Schüler der BBS Gerolstein vom Technischen Gymnasium, 11. Jahrgangsstufe, ganz herzlich bei uns in Mainz willkommen heißen.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Ministerpräsidentin Dreyer.

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen! Auch ich möchte noch einmal betonen, der Mindestlohn ist ein historischer Erfolg für die Bundesrepublik Deutschland, so wie der Titel des gemeinsamen Antrags von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute lautet. Es ist ein wirklich historischer Erfolg, von dem über 3,7 Millionen Menschen profitieren, zwei Drittel davon Frauen. Liebe Kollegen und Kolleginnen, das muss noch einmal betont werden.

Oft genug stehen wir im Plenum zusammen und diskutieren über die Armutssituation, über das Thema prekäre Beschäftigungsverhältnisse und über die Frage, wie Frauen eigentlich für ihre Zukunft sorgen können. Sie sind die Hauptbetroffenen prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Deshalb ist die Einführung des Mindestlohns ein guter Tag für Deutschland, aber auch und besonders ein guter Tag für die Frauen, die in der Vergangenheit schlecht bezahlt wurden und viel gearbeitet haben. Sie haben wenigstens die Sicherheit, dass sie in Zukunft 8,50 Euro pro Stunde erhalten werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum schließt der gesetzliche Mindestlohn eine Gerechtigkeitslücke in Deutschland? Das ist ganz einfach: Weil er zum einen unsere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen davor schützt, dass sie arbeiten gehen, und zwar vollschichtig, so sagt man, also rund um die Uhr, und dabei – zumindest in der Vergangenheit – weniger als 8,50 Euro verdient haben. Das ist nicht gerecht. Das kann man drehen und wenden, wie man will.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, es ist aber auch nicht gerecht, dass mein Frisör gute Löhne bezahlt und um die Ecke der Nachbarfrisör mit Dumpingangeboten zwar tolle Angebote für die Kunden macht, Haarschnitt für 5 Euro oder so, aber die Frauen, die dort arbeiten, verdienen so gut wie nichts. Es ist gerecht bezogen auf die Wettbewerbssituation unserer Wirtschaft, gerade mit Blick auf unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Liebe Kollegen und Kolleginnen, es geht auch um Standortvorteile gerade unseres Landes, in dem die Mehrheit der Unternehmen kleine und mittelständische Unternehmen sind. Deshalb ist es für die wichtig, dass es bezogen auf diesen Punkt Ordnung am Arbeitsmarkt gibt.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, natürlich ist es so, dass wir uns bei so umfassenden Veränderungen auf unserem Arbeitsmarkt, die die Einführung des Mindestlohns mit sich bringen, damit befassen müssen. Es wäre geradezu ein Wunder, wenn am 01. Januar 2015 der Mindestlohn eingeführt wird und am 02. Januar 2015 alles total reibungslos liefe. Man kann nur erstaunt sein. Der Antrag der CDU stammt vom 22. Januar 2015. Das ist

gerade einmal 20 Tage nach Einführung des Mindestlohnes. Darin wird festgestellt, dass Nachbesserungen notwendig sind, und zwar im Bereich unnötiger Pflichten im Zusammenhang mit der Dokumentation.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Ich möchte das hier noch einmal sehr deutlich sagen. Im Zeitalter der Digitalisierung und Automatisierung erstaunt es, dass es so schwer sein soll, den Arbeitsbeginn, das Arbeitsende, die Pause und den Urlaub zu dokumentieren. Nicht mehr und nicht weniger verlangt diese Dokumentation.

Mich persönlich erinnert das an meine erste Arbeitsstelle im rheinland-pfälzischen Landtag. Das ist etwa 20 Jahre her oder so ähnlich. Da gab es eine riesige Debatte über die Frage, ob wir Zeiterfassung einführen sollen. Das hat uns alle bewegt. Am Ende haben wir sie eingeführt, und alle waren glücklich.

Ich möchte sagen, wenn wir garantieren wollen, dass der Mindestlohn ein echter Mindestlohn ist, dass man für 60 Minuten Arbeit 8,50 Euro verdient, dann ist es von den Arbeitgebern nicht zu viel verlangt, dass sie notieren und dokumentieren, wie die Zeitabläufe sind. Wenn sie nicht digitalisiert sind, können sie das natürlich handschriftlich machen. Es ist nicht ironisch gemeint, sondern es ist die Wahrheit, dass dazu ein Stift und ein Zettel genügen. Es ist nicht zu viel verlangt. Es ist keine überbordende Bürokratie, wenn man Arbeitszeiten dokumentiert.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit es sich nicht festsetzt, möchte ich ausdrücklich sagen: Das Ganze, die Aufzeichnungspflicht gilt nur für die Branchen des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes, nur für die dort genannten Wirtschaftsbranchen.

Da es in der Plenardebatte eine Rolle gespielt hat, möchte ich erwähnen, dass die Blaupause für das Mindestlohngesetz das Arbeitnehmerentsendegesetz ist. Die einzige Veränderung ist, dass darin eine Wochenfrist enthalten ist. Alles andere ist wie dort. Niemand, der im Bereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes, das gemeinsam in Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden ist, hat Klage darüber geführt, dass es eine solche Überforderung wäre, diese Dokumentation zu vollziehen. Deshalb habe ich die herzliche Bitte an die Kollegen und Kolleginnen der CDU, lassen Sie die Kirche im Dorf.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir alle haben ein ehrliches Interesse daran, dass Fragen, die bei der Umsetzung unklar sind, geklärt werden. Das machen Andrea Nahles und Sabine BätzingLichtenthäler herausragend. Viele Fragen haben wir inzwischen längst geklärt. Das sind die Pfälzerwaldhütten, Herr Billen.

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Es ist das Thema Sport und Ehrenamt, das inzwischen geklärt ist. Es gibt andere Schnittstellen, bei denen es Unsicherheiten gibt.

Es gibt dazu das wirklich ernst gemeinte Angebot, dass man diese Fragen klärt – die Personen gehen in den Ministerien eigentlich schon ein und aus. Diese Fragen sind klärbar. Wenn ich den Bereich Sport und Ehrenamt nenne, möchte ich noch etwas dazu sagen. Schon im Vorfeld der Verabschiedung dieses Gesetzes haben die Funktionäre des Sportes intensiv mit der Arbeitsministerin konferiert und überlegt, wie eine Regelung aussehen kann, die am Ende funktioniert.

Meine sehr geehrten Herren und Damen, das Thema gesetzlicher Mindestlohn ist für uns als Landesregierung, für uns als SPD, für die GRÜNEN ein Herzensthema. Wir wollen, dass diese Gerechtigkeitslücke in Deutschland geschlossen ist und bleibt. Wir werden alles daransetzen, dass die Fragen, die offen sind, anständig geklärt werden, damit wir keine Probleme in der Umsetzung haben. Dennoch sage ich, wenn wir Einigkeit darüber haben, dass Frauen beispielsweise oft viel zu schlecht bezahlt sind, dann brauchen wir ein Gesetz, das deutlich macht, dass sie in Zukunft wenigstens 8,50 Euro verdienen. Alles andere wäre eine Scheindiskussion.

Wir stehen zum gesetzlichen Mindestlohn, und wir werden in Zukunft dafür sorgen, dass wir denjenigen Unterstützung geben, die bei der Anwendung und Umsetzung Probleme sehen, und wir werden dafür sorgen, dass das entsprechend umgesetzt werden kann.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Kollegin Klöckner das Wort.

Den Fraktionen stehen jeweils 2 Minuten Redezeit zur Verfügung.

(Frau Klöckner, CDU: Zusätzlich!)

Zusätzlich. Aber jetzt erst mal 3 Minuten für die Kurzintervention.

Frau Präsidentin, Frau Ministerpräsidentin! Sie sagten, lassen wir die Kirche im Dorf. Das wünsche ich mir auch von Ihnen; denn Sie haben über etwas geredet, was überhaupt nicht das Problem ist. Es gibt einen klaren Beschluss, ein Gesetz. Dass wir für den gesetzlichen Mindestlohn sind, ist Gesetzeslage. Ich kenne keinen Antrag, mit dem jemand die Petition gestellt hätte, den Mindestlohn zurückzufahren. Hier im Hause kenne ich keinen.

Lassen Sie uns die Kirche im Dorf lassen. Lassen Sie uns über das reden, womit die Betroffenen wirklich ernsthaft Probleme haben.

Werfen Sie uns wirklich das Datum vor, wann wir uns um die Probleme gekümmert haben, die jetzt evident sind? Ich bedanke mich, dass Sie das noch einmal dokumentiert haben, dass die CDU schnell handelt.

(Beifall der CDU)

Wir müssen nicht aufgefordert werden.

Das Gesetz ist nicht das Problem. Die Verordnung ist das Problem. Wenn man hineinschaut, dann hat auch Frau Nahles gesehen, dass man mit einigen Punkten über das Ziel hinausgeschossen ist. Wenn man einen solchen Klärungsbedarf hat, dann ist es mehr als richtig, dass man sich dem widmet. Nichts anderes sagt unser Antrag. Oder zeigen Sie uns in unserem Antrag, dass wir gegen 8,50 Euro für Frauen und Männer sind. Es ist ein bisschen unlauter, uns so etwas zu unterstellen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerpräsidentin, wenn wir schon einmal dabei sind, lassen wir die Kirche im Dorf. Sie sind Mitglied der SPD Deutschland. Sie sind im Bundesvorstand mit dabei als Ministerpräsidentin. Sie haben im Bund eine Generalsekretärin, Frau Fahimi. Lassen wir die Kirche im Dorf. Sie sagt Folgendes: „Wer es als Arbeitgeber nicht schafft, einen Stundenzettel ordentlich auszufüllen, ist entweder ein Gauner oder schlichtweg zu doof.“ Da muss ich Ihnen sagen, das finde ich unanständig. Ich hätte von Ihnen als Ministerpräsidentin erwartet, dass Sie deutlich machen, dass das nicht Ihre Meinung ist.

(Pörksen, SPD: Entschuldigen Sie sich für irgend welche Leute von Ihnen? – Zurufe von der SPD: Oh!)

Man macht sich über Unternehmer, die für die Steuern sorgen, uns in unserem Mandat bezahlen und Fragen haben, lustig. Frau Ministerpräsidentin, einiges ist noch offen. Beispielsweise ist die Frage offen, wie die Anrechnung von Vergütungsbestandteilen geht. Das ist eine offene Frage, die Unternehmer haben. Es geht nicht nur um die Dokumentation der Arbeitszeiten. Es geht auch um die Frage der Aufteilung, Splittung oder Anrechnung, wenn es um Praktikanten geht. Das sind Fragen, die man hat. Die haben wir zur Sprache gebracht. Dass beim Pfälzerwaldverein nachgebessert werden musste, zeigt doch, dass es ein Problem gegeben hat.

(Beifall der CDU)

Um es ganz deutlich zu machen, sage ich: Wir hätten uns umgekehrt von Ihnen gewünscht, dass Sie einmal über Ihren Schatten springen, wenn eine Opposition, die tief in den Kommunen, den Unternehmen, aber auch in der CDA (Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft) bei den Arbeitnehmern verankert ist, gemeinsam auf Probleme hinweist, die der Koalitionspartner in Berlin annimmt, weil wir gemeinsam verabredet haben, dass eine Überprüfung des Gesetzes nach einiger Zeit erfolgt,

dann hoffe ich sehr, dass Sie offen sind, das hinnehmen können und nicht auf anderen Feldern eine Debatte über die Frage führen, ob man für Mindestlohn ist oder nicht, wenn eine Opposition etwas Gutes macht. Sagen Sie lieber einmal, dass Unternehmer keine Gauner sind, sondern die Voraussetzung dafür schaffen, dass wir in diesem Land Wohlstand haben.

(Beifall der CDU)

Bevor ich jetzt dem Kollegen Alexander Schweitzer das Wort erteile, möchte ich noch weitere Schülerinnen und Schüler bei uns begrüßen, und zwar von der IGS Contwig, IGS Waldfischbach, 9. und 10. Jahrgangsstufe. Herzlich willkommen in Mainz!

(Beifall im Hause)

Zunächst erteile ich Frau Ministerpräsidentin Dreyer das Wort.

Punkt 1: Frau Klöckner, in unserer Partei gibt es keine Generalhaftung für Dinge, die von Einzelnen gesagt werden.

(Frau Klöckner, CDU: Aber bei Unternehmern schon!)