Ich kann natürlich die Gereiztheit und die Frustration der Landwirte ein Stück weit nachvollziehen. Viele sind GAP-geschädigt, es gibt zahlreiche neue Vorschriften und Unklarheiten, ein Mehr an Bürokratie ist durch die Gemeinsame Agrarpolitik schon auf sie zugekommen, und hinzu kommen noch die Neuregelungen bei den Anträgen zur Flächenprämie. Das ist alles nicht besonders vergnügungssteuerpflichtig, und zuallerletzt kommt nun auch noch der Mindestlohn dazu, bzw. man muss sagen, es hat auch etwas mit dem Arbeitszeitgesetz zu tun.
Ich möchte noch einmal deutlich unterstreichen, die Landwirtschaft ist etwas Besonderes. Die starke Abhängigkeit vom Wetter, Schaderreger wie zum Beispiel die Kirschessigfliege, die leichte Verderblichkeit der Produkte oder die besondere Situation der Saisonarbeitskräfte sind dabei sicherlich zu erwähnen. Der Wettbewerb ist hart, das heißt, man muss sich überlegen, wie man die Kosten noch weiter senken kann.
Ich komme nun zu den Punkten, die Herr Zehfuß genannt hat. Herr Zehfuß, es tut mir leid, aber was Sie soeben erzählt haben, ist totaler Quatsch.
(Weitere Zurufe von der CDU – Licht, CDU: Haben Sie schon einmal einen Betrieb gehabt? Haben Sie schon einmal Leute eingestellt? Waren Sie schon einmal selbstständig?)
(Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU – Licht, CDU: Haben Sie so etwas schon einmal erlebt? Mein lieber Scholli!)
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns grundsätzlich einig: Der Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ist da. Wir leben alle damit, und wir finden ihn auch gut, und das ist in Ordnung so.
Wenn wir nun auf die Landwirtschaft zu sprechen kommen, darf ich mir vielleicht eine persönliche Bemerkung erlauben. 8,50 Euro ist in meinen Augen eigentlich zu wenig. Ich wäre für mehr, mein Mindestlohn wäre höher.
Den ich auch bezahlen möchte. Ich wäre für 10,00 Euro Mindestlohn. Das ist aber eine persönliche Anmerkung von mir, und ich glaube, auch in der Landwirtschaft habe ich einige Stimmen gehört, die auch gern 10,00 Euro bezahlen würden. – Damit kommen wir wieder zu den Erdbeeren für 88 Eurocent und zu den anderen Erdbeeren für 2,99 Euro, die auch immer ein Problem sind, und das sind unsere Produkte.
Ich komme nun zu den Ausführungen. Wir waren am Montag auf einer gemeinsamen Sitzung, und dort habe ich es gesagt und werde es auch heute noch einmal sagen: Die Kontrollen und die Aufzeichnungen über den Mindestlohn müssen sein, damit dieses Gesetz nicht unterwandert wird, aber sie müssen an den praktischen Alltag eines landwirtschaftlichen Betriebs und eines Weinbaubetriebs angepasst werden. Ich habe es schon am Montag gesagt und werde es heute noch einmal sagen: Am Feldrand und im Wingert gibt es keine Stechuhr. Dort gibt es keinen Chip.
Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin einige Sätze aus der Antwort an einen Tabakbauern von meiner Bundestagsfraktion zitieren. Es gibt keine besonderen Formvorschriften. Laut Aussage des Arbeitsministeriums reichen selbst handschriftliche Aufzeichnungen aus. Das klingt schon etwas praktikabler.
Der Arbeitgeber kann die Arbeitszeiten auch vom Arbeitnehmer aufzeichnen lassen. Das sind erste Dinge, die etwas praxisnäher sind. Ich finde, wir könnten über eine Wochen- oder eine Monatsarbeitszeit reden, und wir müssten praktisch herangehen. Das kann man bestimmt realisieren, und wir müssen auch mit den Spitzenarbeitszeiten rechnen. Herr Zehfuß hat es gesagt. Ich selbst bin Landwirt und Biobauer und habe keinen Weinbau und keinen Obstbau. Aber die Kirschessigfliege ist nun einmal da, und wir müssen ernten, und dann muss nun einmal von morgens 06:00 Uhr bis abends 22:00 Uhr gearbeitet werden, und am anderen Tag geht es weiter von morgens 06:00 Uhr und geht vielleicht nur bis nachmittags. – Es ist Regen angesagt, ich weiß es nicht. Daher müssen wir die Praktikabilität für die Landwirtschaft noch hineinbringen, das wäre mir auch ein großes Anliegen.
es ist auch kein Winzer und kein Bauer – diesen Berufsstand möchte ich schützen –, der da jetzt eine Lumperei machen möchte. Es geht nicht darum, die Leute auszubeuten. Es geht darum, ehrlich zu bezahlen. Das soll auch so sein. Das macht auch der Berufsstand. Wir sind ein ehrlicher Berufsstand.
Das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen. Die Unehrlichen sind – das habe ich heute Morgen gesagt und werde es heute Nachmittag noch einmal sagen – die Betriebe Straathof und Wesjohann, also all die, bei denen es nichts mehr mit Landwirtschaft zu tun hat und eine Ausbeutung von Mensch, Tier, Boden und Natur stattfindet.
Aber wir sind noch bodenständig. Darum sind wir rheinland-pfälzischen Landwirte und die anderen, die auch so wirtschaften wie wir, ehrliche Leute. Sonst käme doch keiner mehr nach 15 oder 18 Jahren. Ich habe mich mit Winzern unterhalten.
Darum möchte ich dafür plädieren, dass wir uns einmal gemeinsam, auch die Praktiker, an einen Tisch setzen und praktikable Lösungen vorschlagen, weil ich glaube, wenn wir das gemeinsam machen, sind wir auf einem ganz guten Weg und können es dann auch schaffen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich versuche, einmal ein bisschen Klarheit in eine Debatte zu bringen, in der, glaube ich, das eine oder andere noch einmal richtig einsortiert werden muss.
Verehrter Herr Zehfuß, ich möchte hier keine Wortklauberei betreiben, aber ich denke, es ist schon notwendig, dass man einmal schaut, welche Regelungen es gibt. Ich glaube, dass die Kolleginnen Landwirte und Landwirtinnen nicht den Anspruch erheben, sozusagen außerhalb des Gesetzes handeln zu wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen wir einmal zurück. Was ist passiert? Der Mindestlohn ist eingeführt worden. Das Gesetz stand bevor. Es hat dann der eine oder andere gesagt, damit verbinde ich Nachteile für meine Beschäftigten, das schränkt mich in meiner wirtschaftlichen Situation ein.
Man ist hingegangen und hat gesagt, ja, wir schaffen Übergangsregelungen. Danach kann es bis zum 31. Dezember 2017 möglich sein, abweichende Regelungen in einem repräsentativen Tarifvertrag zu regeln und damit den Mindestlohn von 8,50 Euro zunächst einmal außer Kraft zu setzen.
Das hat man für die Landwirtschaft gemacht. Man hat sich für die Landwirtschaft geeinigt, nicht 8,50 Euro als Mindestlohn zu nehmen, sondern man ist bei 7,40 Euro geblieben, also eine Entlastung der Landwirtinnen und Landwirte an dieser Stelle und eine etwas geringere Entlohnung für die Beschäftigten in der Landwirtschaft.
Wenn man einen solchen repräsentativen Tarifvertrag abschließt, dann müsste er nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärt werden. Das ist in diesem Fall geschehen. Insofern nimmt die Landwirtschaft diese Übergangsregelung, die der Gesetzgeber geschaffen hat, in Anspruch, und es gibt seit
dem 1. Januar 2015 diese Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau.
Insofern ist es Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, dass die Entscheidung, diese Übergangsfrist in Anspruch zu nehmen, eben dann auch beinhaltet, dass die Dokumentationspflichten und Regelungen bei Kost und Logis nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zu gelten haben. Dabei sind die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten nicht neu.
Wichtig ist also, viele dieser Regelungen, Herr Zehfuß, die Sie eben bemängelt haben, die auch die Landwirte beklagen, sind im Wesentlichen nicht Teil des Mindestlohngesetzes, sondern vielmehr des unter den Tarifparteien vereinbarten Tarifvertrages.
So ist zum Beispiel auch der von Ihnen monierte Auszahlungsmodus in diesem Tarifvertrag festgelegt worden. Insofern muss man immer bei dem, was Sie an Änderungswünschen haben, darauf hinweisen, dass es Sache der Tarifvertragsparteien ist, diese Dinge dann auch in Angriff zu nehmen.
Bundesministerin Nahles hat zugesagt, dass sie einen neuen Tarifvertrag zwischen Landwirtschaft und der IG BAU ebenfalls wieder für allgemeinverbindlich erklären wird, wenn sich die Sozialpartner auf einen solchen neuen Tarifvertrag dann auch entsprechend einigen.
Aber neben dem Arbeitnehmerentsendegesetz bestehen schon seit 1994 Aufzeichnungspflichten nach dem Arbeitszeitgesetz.
Danach sind die Arbeitgeber zur Aufzeichnung über die werktägliche Arbeitszeit über acht Stunden hinaus sowie über die Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen verpflichtet. Diese Regelungen gelten nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für alle Branchen.
Herr Zehfuß, es ist auch durchaus möglich – auch das habe ich noch einmal nachgesehen –, dass diese Aufzeichnungen von den Beschäftigten selbst erfolgen. Es müssen also nicht zwingend der Landwirt oder die Landwirtin dies entsprechend vornehmen.
Für die Landwirtschaft haben die Länder bezüglich der Dauer eine praxisnahe Gestaltung gefunden. Es konnte eine Verständigung mit den Landwirtschaftsvertretern dahin gehend erzielt werden, dass Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter bestimmten Voraussetzungen mehr als 10 Stunden pro Tag arbeiten dürfen. Auf Antrag kann eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeiten nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 des Arbeitszeitgesetzes sogar bis maximal 12 Stunden positiv beschieden werden.
Dieses Vorgehen in der Landwirtschaft orientiert sich an dem in Rheinland-Pfalz bereits seit dem Jahr 2014 üblichen Vorgehen. Ich möchte dabei sagen, mit diesen 12 Stunden gehen wir an die Grenzen des EU-Rechts. Auch das muss man an der Stelle deutlich sagen. Wenn
wir uns jetzt hier etwas zusammenbasteln würden, dann würden wir im Zweifelsfall irgendwann vor dem Europäischen Gerichtshof dafür die Konsequenzen bekommen.