Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

Wichtig ist – und dabei sind wir uns doch einig –, dass wir dem Leben nicht nur mehr Jahre, sondern den Jahren auch mehr Leben geben können. Dazu gehört, dass die Menschen Perspektiven bekommen, ihr Leben so weiterzuführen, wie sie es vorher geführt haben.

Das gebe ich Ihnen auch noch mit. Sie haben alle – alle außer uns – Mitglieder in der Bundesregierung. Ich gebe es jetzt einfach einmal allen mit. Teilhabe bis ins hohe Alter ist der Schlüsselbegriff. Teilhabe bedeutet, dass im normalen Alltag, dort wo die Menschen wohnen, egal, ob das eine Gemeinschaftseinrichtung oder noch zu Hause ist, wo sie wohnen, ob sie in der Familie oder alleine wohnen, sie dort die Möglichkeit haben, am gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben teilzuhaben. Sonst haben diese Menschen nichts davon.

Dafür müssen wir diese Menschen zu Hause und in den Einrichtungen aufsuchen. Wir haben vor sehr kurzer Zeit einen Beschluss gefasst, dass wir auch die Pflegeeinrichtungen in den sozialen Raum öffnen wollen, damit dieses gemeinschaftliche Leben auch für Menschen möglich ist, die letzten Endes darauf angewiesen sind, dort zu wohnen, wo sie gepflegt werden können. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen: dem Leben nicht nur mehr Jahre, sondern den Jahren auch mehr Leben geben.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin BätzingLichtenthäler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Gemeindeschwester weckt als Begriff vielfältige Assoziationen, besonders bei Menschen, die der Generation 50 plus angehören. Das durfte ich in den letzten Monaten immer wieder erfahren, wenn ich als Gesundheitsministerin bei großen und kleinen Terminen in Rheinland-Pfalz zur medizinischen und pflegerischen Situation gesprochen habe.

In Diskussionen wurde die Gemeindeschwester immer wieder als Beispiel von früher zitiert, die sich noch Zeit

für die Menschen genommen hat. Die Gemeindeschwester war die Person, die sich gekümmert hat. Sie hatte die ganze Person, die Familie, die Nachbarschaft, ja, das ganze Dorf im Blick.

Als ich im November 2014 die Arbeits- und Sozialministerkonferenz leiten durfte, fiel mir ein Antrag ganz besonders auf, der von der Frage handelte, wie die Qualität in der ambulanten Pflege gesichert werden kann. Dieser Antrag, der von allen 16 Ländern beschlossen wurde, empfahl, dass wir das Kümmern wieder stärker beachten sollten.

Der Antrag formulierte es so, dass die Menschen in unserem Land einen ganz zentralen Wunsch haben. Nämlich: Wir brauchen Menschen, die sich um die hochbetagten alten Menschen, die noch keine Pflege benötigen, kümmern, und die sich um Menschen kümmern, die sich als Angehörige, Nachbarn oder auch als bürgerschaftliche engagierte Menschen für das gute Leben älterer Menschen einsetzen.

Deshalb freue ich mich, dass wir nun in Rheinland-Pfalz mit dem Projekt Gemeindeschwester Plus als erstes Bundesland diese Lücke in der Begleitung und Unterstützung hochbetagter Menschen schließen. Ich erkläre es gerne noch einmal: Wir wollen mit der Gemeindeschwester Plus ein Angebot für sehr alte Menschen schaffen, die noch keine Pflege brauchen, sondern Unterstützung und Beratung in ihrem aktuellen Lebensabschnitt, eine Unterstützung und Beratung, die von unseren Partnerinnen und Partnern im Gesundheitswesen und in der Pflege so – auch aufgrund von leistungsrechtlichen Vorgaben – nicht erbracht werden kann.

Die Gemeindeschwester Plus wird hochbetagte Menschen zu Hause besuchen und sie auf Wunsch beraten, aber nur, wenn sie diesen Besuch auch tatsächlich möchten. Bei einem solchen Besuch kann zum Beispiel gemeinsam besprochen werden, ob der Mensch die für ihn wichtigen Unterstützungs- und Hilfsangebote kennt, ob er weiß, wie er sie im Bedarfsfall nutzen kann. Dann kann es um die Nachbarschaft, die Einbindung in die weltliche oder kirchliche Gemeinde gehen, die Aktivierung alter Freundschaften und natürlich auch um die Frage, ob und welche präventiven Vorkehrungen getroffen werden können, um eine Pflegebedürftigkeit möglichst lange zu vermeiden.

Liebe Frau Thelen, deshalb wollen wir bewusst die pflegerische Expertise bei der Prävention und Gesundheitsförderung nutzen, ein Aspekt, den auch der Deutsche Berufsverband für Krankenpflege in einer ersten Stellungnahme betont. Das Projekt Gemeindeschwester Plus wird deutlich machen, dass Pflege als Profession Kompetenzen zur Stärkung hochbetagter Menschen hat. Auch aus Sicht der Professionalisierung dieses Berufes wird dieses Projekt ein Meilenstein sein.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Ich betone es noch einmal, die Gemeindeschwester Plus wird dabei keine Leistungen erbringen, die zurzeit von ambulanten Diensten erbracht und von der Pflegeversicherung finanziert werden. Die Gemeindeschwester Plus wird auch mit den Menschen zusammenarbeiten, die

sich schon heute ehrenamtlich um hochbetagte Menschen kümmern, meine Damen und Herren. Sie ist keine Alternative zu diesem bürgerschaftlichen Engagement, das in besonderer Weise von den Kirchen gefördert wird, sondern sie wird dieses Engagement ergänzen, unterstützen und fördern.

Hier können wir gut von der Hospizarbeit lernen. Auch in der Hospizarbeit gibt es hauptamtliche Fachkräfte, die ehrenamtliche Fachkräfte unterstützen, begleiten und beraten.

Meine Damen und Herren, ich erwarte auch, dass die Gemeindeschwester Plus über ihre praktische Arbeit der Kommune wichtige Hinweise für die Region geben wird, in der sie wirkt. Sie wird die Stärken und Schwächen der lokalen Netzwerke kennen, sie wird sehen, wo es vielleicht einen zusätzlichen Bedarf an sozialen Treffpunkten und weiteren konkreten Unterstützungsangeboten gibt. Sie kann so dazu beitragen, dass sich regionale Netzwerke und Unterstützungssysteme noch engmaschiger miteinander verknüpfen und dadurch auch die aktiven Nachbarschaften gestärkt werden.

Ich habe in der Osterwoche mit einem persönlichen Brief alle Landrätinnen und Landräte und alle Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister in Rheinland-Pfalz eingeladen, sich für eine Teilnahme an diesem Modell zu bewerben. Ich kann Ihnen versichern, die Resonanz auf dieses, wie ich finde, sehr innovative und wirklich spannende Projekt ist außerordentlich positiv. Die 24 Landkreise und zwölf kreisfreien Städte in RheinlandPfalz haben nun bis zum 21. Mai 2015 Gelegenheit, ihre Bewerbung für eine Teilnahme abzugeben. Mittlerweile wissen wir bereits von vielen Landkreisen und kreisfreien Städten, dass sie sich für eine Teilnahme an diesem Projekt bewerben wollen. Es sind besonders die Kommunen, die in den letzten Jahren begonnen haben, ihre Pflegeinfrastruktur vor Ort zu planen und zu gestalten.

Rheinland-Pfalz betritt mit diesem Projekt unter diesem besonderen Aspekt des Kümmerns bundesweit Neuland. Deswegen ist es uns wichtig, dass Expertinnen und Experten aus Rheinland-Pfalz in dieses Projekt eingebunden werden. Ich habe daher die Pflegegesellschaft Rheinland-Pfalz, die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, den Landesverband der Ersatzkrankenkassen Rheinland-Pfalz/Saarland, die Pflegekammer in Gründung, den Städtetag und den Landkreistag, die Landesärztekammer und die Landesseniorenvertretung eingeladen, das Projekt in einer Steuerungsgruppe fachlich zu begleiten und uns zu beraten.

Meine Damen und Herren, ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit diesem Projekt Gemeindeschwester Plus für hochbetagte Menschen in Rheinland-Pfalz, die noch selbstständig leben und wohnen, ein gutes Angebot machen, das ihnen helfen wird, genau diese Selbstständigkeit länger zu bewahren und Lebensqualität sicherzustellen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich darf Gäste im Landtag begrüßen. Es sind hier anwesend Mitglieder der Kolpingfamilie Mörsch. Herzlich willkommen im Landtag in Mainz!

(Beifall im Hause)

Außerdem begrüße ich Mitglieder der Senioren-Union im Kreis Neuwied. Herzlich willkommen bei uns im Mainzer Landtag!

(Beifall im Hause)

Herr Wäschenbach von der Fraktion der CDU hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, über die Diagnose sind wir Sozialpolitiker uns alle einig. Aber hier wird wieder einmal ein effekthascherischer Weg gewählt, der nicht abgestimmt ist, sondern es wurde aus der Hüfte heraus geschossen.

(Beifall bei der CDU)

Das Gelingen wirksamer Netzwerke der unterschiedlichen Akteure der Seniorenarbeit vor Ort setzt zwei Dinge voraus: zum einen, dass es eine Planungshoheit der Kommune gibt, die gestärkt werden muss, und zum anderen, dass die Finanzkraft der Kommunen wiederhergestellt wird, um die künftigen Aufgaben der sozialen Daseinsvorsorge wahrnehmen zu können.

(Beifall bei der CDU)

Wegen lokaler Beratung und Hilfeplanung ist eine abgestimmte kommunale Steuerung von Wohnangeboten, Begegnungsmöglichkeiten, Verkehr, Nahversorgung, Barrierefreiheit, Beratung, Pflege und Infrastruktur erforderlich. Die beiden wichtigen Dinge, Planungshoheit und Finanzkraft der Kommunen wiederherstellen, haben sie nicht geklärt, sehr verehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Dann frage ich mich, woher Sie die Fachkräfte bekommen wollen. Wir haben jetzt schon zu wenige Pflegekräfte am Bett, zu wenige Pflegekräfte in den stationären Einrichtungen. Diese ausgebildeten Kräfte ziehen Sie jetzt ab für Beratungsgespräche, für Dialoge. Viele verunglimpfen die Aufgabe sogar als „Babbelschwester“.

Dem möchte ich mich nicht anschließen. Aber Sie sollten die Aufgaben noch einmal überdenken, ob die Aufgaben nicht durch vorhandene Strukturen, z. B. durch ehrenamtliche Leute, wahrgenommen werden können.

(Beifall bei der CDU)

Das hat mich heute Morgen schon sehr irritiert: Es sind drei Aussagen getroffen worden, dass die Lücke des Kümmerers geschlossen werden soll. Ich bin vorsichtig, dies so zu formulieren. Ich empfinde es als eine Ohrfei

ge gegenüber all denjenigen, die sich jetzt schon in ihrer Freizeit kümmern und gute Arbeit machen,

(Glocke des Präsidenten)

ob es hauptberuflich oder niederschwellig ehrenamtlich ist.

(Beifall bei der CDU)

Aber hier zu behaupten, es wäre niemand da, der sich kümmert, das ist nicht richtig und eine Strafe für all diejenigen, die heute schon gute Arbeit vor Ort leisten.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Anklam-Trapp das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Eigentlich habe ich gedacht, nach der ausführlichen Rede unserer Ministerin Frau Bätzing-Lichtenthäler, es wäre jetzt erklärt, auch nachdem wir in der Mündlichen Anfrage wirklich lange darüber diskutiert haben.

(Frau Klöckner, CDU: Parlament abschaffen!)

Nein, Frau, wie war der Name? – Fraktionsvorsitzende.

(Frau Klöckner, CDU: Oh! Frau Brede-Hoffmann 2!)

Wir reden gerne darüber und nehmen unsere Wortmeldungen wahr.