Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Das ist eine Volksweisheit, und das ist ein geflügeltes Wort, aber oftmals auch nur ein Lippenbekenntnis. Anders – dafür stehe ich, und darüber freue ich mich sehr – sieht das die Landesregierung in Rheinland-Pfalz. Mit dem bundesweiten Modellprojekt „Gemeindeschwester Plus“ ist ein Land, das seit vielen, vielen Jahren Vorreiter in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung ist, wieder ganz, ganz weit vornedran.
Meine Damen und Herren, andere Bundesländer – wir waren vor Kurzem mit dem Ausschuss in MecklenburgVorpommern – schauen, gerade was die Entwicklung bei den Gesundheitsfachberufen angeht, wirklich mit großem Respekt auf die Entwicklung in Rheinland-Pfalz.
Das Branchenmonitoring, unsere Gesundheitsfachberufe, aber auch zum Beispiel die gebührenfreie Ausbildung in der Kranken- und Altenpflege sind leuchtende Beispiele.
Wir sind sehr stolz – das darf ich sagen; ich bin selbst seit 1985 in der Pflege –, dass unsere Ministerpräsidentin Malu Dreyer aufgrund ihrer langjährigen Verdienste um die Pflege – ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf das Engagement der Pflegekammer hinweisen – vom Deutschen Pflegerat den Deutschen Pflegepreis verliehen bekommen hat. Diese Auszeichnung für das Land Rheinland-Pfalz zeigt, dass das
Kümmern und das Sorgetragen von besonderer Bedeutung sind. Das setzt sich in der Gemeindeschwester Plus fort.
Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Man muss ihn aber pflegen, für ihn Sorge tragen und sich um ihn kümmern. Die Gemeindeschwester Plus erreicht die Menschen, die hochbetagt sind, die vielleicht selbst lange die pflegerische Verantwortung in der Familie übernommen haben und dann allein sind.
Familienverhältnisse – das haben wir am Beispiel der Landesgartenschau gehört – verändern sich. Wenn niemand mehr da ist und die Einsamkeit eintritt, ist das ein großes Problem. Diejenigen, die selbst keinen Pflegebedarf haben, fallen dann aus dem Raster der Versorgung heraus. Die Prävention zu Hause und dort leben zu können, wo man hingehört, sind die Herausforderungen.
Es ist wissenschaftlich evaluiert, dass die Pflegebedürftigkeit von Menschen in hohem Alter besonders dann hoch ist, wenn sie allein sind. Zu dieser Vereinsamung kommt aber auch oftmals eine schlechte Ernährungssituation oder die Frage hinzu, wie ich den Anschluss an die aktive Gesellschaft finde, die noch da ist.
Ich möchte Bespiele nennen, damit es ein bisschen deutlicher wird. Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler hat vorhin schon den Gesang angesprochen. Zu nennen ist aber auch das Kartenspiel in der sorgenden Gemeinschaft vielleicht in der Nachbarkommune. Wir diskutieren im Ausschuss oftmals über die Frage der Ernährung von alten Menschen, wenn die Möglichkeit des Einkaufens nicht mehr gegeben ist oder der Geschmackssinn nachlässt. Es ist keine gesunde Ernährung, jeden Tag Toastbrot zu essen. Insofern wird es zu gesundheitlichen Einschränkungen kommen.
Ein Erzählkreis, vielleicht die Haushaltshilfe, die dann und wann kommen muss, oder das Organisieren eines Mittagessens – das wären Aufgaben, die die aufsuchende Gemeindeschwester Plus leisten könnte.
Das Projekt wird ein Jahr lang wissenschaftlich begleitet. Das ist sehr wichtig. Es wird nicht einfach nur gegangen, gekümmert, geschaut, gesorgt und vernetzt. Für diese ehrenamtliche Vernetzung braucht man hauptamtliche Kräfte.
Bei der Pressekonferenz am 20. März wurde vonseiten der Presse gefragt, für wie viele Menschen die Gemeindeschwester Plus zuständig ist. Bei einem Pflegestützpunkt sind 30.000 Menschen angesiedelt. In diesem Bereich der Sorgenden gibt es etwa 600 bis 2.400 hochbetagte Menschen ohne festgestellten Pflegebedarf. Diese müssen erreicht werden. Ich denke, dieses Aufgabengebiet kann die Gemeindeschwester Plus in Rheinland-Pfalz sehr wohl wahrnehmen. Angesichts der Pflegestützpunkte wird sie Synergien finden, die es zu nutzen gilt.
Meine Damen und Herren, die Gemeindeschwester Plus ist eine professionelle Ergänzung zum Ehrenamt, die Vernetzerin und die Kümmerin vor Ort. Wir, die SPDLandtagsfraktion, begrüßen die Initiative der Landesre
gierung ausdrücklich. Lassen Sie uns gemeinsam für die hochbetagten Menschen Sorge tragen – in dem Fall mit der Gemeindeschwester Plus.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler! Wer auf die Frage, welche Pläne die Landesregierung für die Zeit nach dem Modellprojekt – also 2018 – hat, um die nach Ihrer Darlegung erkannten Betreuungsprobleme alter und betagter Menschen in Rheinland-Pfalz zu lösen, antwortet, wir freuen uns, jetzt erst einmal starten zu können, der entlarvt die eigene Arbeit und das eigene Modellprojekt als ziemlich planlos. Damit werden Sie den Bedürfnissen der Menschen bei uns im Land nicht gerecht. Das kritisieren wir an dieser Stelle.
Ich will Ihnen auch sagen, was ich erwarten würde und erwartet hätte. Vielleicht haben Sie es getan und eben nur nicht richtig herübergebracht. Dazu haben wir hier, aber auch auf unseren Antrag hin im nächsten Sozialausschuss die Gelegenheit, in Ruhe zu reden.
Ich bin der Auffassung, wenn man hört, dass es noch weitergehende Betreuungsbedarfe gibt und man sich dieser Fragestellung annehmen will, muss man erst einmal ein Art Ist-Analyse machen und schauen, wie es in Rheinland-Pfalz aussieht und in welchen Flächen und Regionen unsere hochbetagten alleinstehenden Menschen leben. Dann muss man auch genau hinschauen, welche Bedarfe sie haben. Wir kennen die Aussagen. Wir haben sie auch in vielen Diskussionen gehört. Es gibt Alleinstehende und Hochbetagte.
Frau Anklam-Trapp hat eben richtig dargestellt, dass es Menschen gibt, bei denen wir die Sorge haben, dass sie ihren Alltag ohne Unterstützung nicht auf Dauer bewältigen können, und das durchaus auch noch eine große Zeitspanne vor einer möglichen Pflegebedürftigkeit.
Dann müssen wir auch noch einmal über das Thema Pflegebedürftigkeitsbegriff reden, weil dazu eine beginnende Demenz gehört. Auch diese Menschen müssen aufgefangen werden. Im Groben wissen wir, worum es geht. Ich meine, das allein kann nicht reichen zu sagen, ich führe jetzt einmal mit zwölf Gemeindeschwestern Plus in fünf Kommunen auf dreieinhalb Jahre ein Projekt durch. Dann schauen wir einmal weiter. Ich finde, es muss vorher klar sein, wie viele Menschen es sind, welche Bedarfe es gibt und wer diese Bedarfe erfüllen und abdecken könnte. Wir haben Strukturen im Land.
Wir haben nicht nur wie in vielen anderen Bundesländern unsere Altenhilfezentren, die Mobilen Sozialen Dienste und die Sozialstationen. Wir haben in den Landkreisen gerade für die Klärung des Pflegebedarfs und die Sicherstellung der Pflegebedürftigkeit unsere Beratungs- und Koordinierungsstellen und die Pflegestützpunkte. Wir haben in einzelnen Kommunen schon sehr aktive Seniorenselbsthilfevereine. Es gibt schon Strukturen. Insofern muss man schauen, wer in der Lage wäre, diese besonderen Bedarfe abzudecken, gegebenenfalls mit Unterstützung und der Anstellung weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Dann kann ich zu dem Ergebnis kommen und sagen: Ich halte es aber für sinnvoll, daneben auch noch einmal zu testen, ob es nicht auch eine Kraft sein könnte, die über eine Kommune zusätzlich beim Pflegestützpunkt angestellt wird. – Dann muss ich mich fragen: Bin ich, wenn ich diesen Bedarf auch quantifiziert habe, noch in der Lage, 2018, wenn das Projekt zu Ende ist, wirklich eine solche Hilfeleistung flächendeckend für alle hochbetagten Menschen in Rheinland-Pfalz anzubieten? – Nur wenn ich sage: „Ja, das kann ich, das will ich, und das werden wir stemmen“, habe ich eigentlich die Berechtigung, jetzt Kommunen und Träger in Modellprojekte zu schicken, um Dinge auszutesten.
Diese Antwort bleiben Sie aber schuldig. Ich kann mir vorstellen, weshalb. Das wird schon eine Größenordnung sein. Mich würde schon einmal interessieren, mit welcher Größenordnung wir rechnen müssen. Den Betrag konnten Sie heute noch nicht nennen. Ich finde, das ist auch etwas planlos. Ehe ich in ein Modellprojekt gehe, muss ich wissen, was es mich insgesamt kostet, und ob ich diesen Betrag finanziert habe. Wenn ich das weiß, dann kann ich sagen, ich mache ein Modellprojekt.
Sie schreiben aus. Die Ausschreibung läuft. Die Bewerbungsfrist ist am 21. Mai. Die Kommunen wissen bis heute nicht, was Sie von Ihnen bekommen, Frau Ministerin. Das geht nicht. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich glaube, wir brauchen ganz bestimmt eine aufsuchende Hilfe.
Sie nehmen sich mit der Konstruktion Ihres Modellprojektes selbst viele Möglichkeiten, um alternative Hilfeformen zu testen. Das halte ich für mehr als schade. Damit gehen vielleicht auch potenzielle Hilfemöglichkeiten für unsere Seniorinnen und Senioren verloren. Ich mache ein Fragezeichen, ob ich wirklich – damit knüpfe ich an Ihr Beispiel von eben an –
für die Organisation der Chorprobe tatsächlich die Qualifikation einer Fachpflegekraft mit Case Management, Care Management und mit der Kompetenz zur sozialräumlichen Planung brauche.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich ging eigentlich davon aus, weil die vielen, vielen Nachfragen eigentlich alles mit der Ministerin geklärt hatten,
Frau Thelen, ich habe aber tatsächlich bemerkt, man kann viel fragen und viel beantworten lassen und trotzdem nicht so viel davon profitieren. Ich erkläre Ihnen also noch einmal, wozu man Modellversuche macht.
Modellversuche macht man, um Dinge herauszufinden. Wenn Sie eine saubere Studie, zudem auch eine saubere akademische Studie, machen,
dann müssen Sie zwei Dinge unterscheiden. Sie müssen erstens eine saubere Planung haben, die das testen kann, was Sie tatsächlich als Fragestellung haben.
Hier ist die Fragestellung, inwiefern wir abseits von der Pflegeberatung einen zusätzlichen Filter vorweg brauchen, mit dem wir Menschen erreichen, die eben gerade noch nicht in der Pflegebedürftigkeit sind oder nicht unmittelbar davor stehen, für die nämlich dann die Pflegestützpunkte gar nicht zuständig sind.
Ich erinnere Sie daran, was den Pflegebedürftigkeitsbegriff angeht. Frau Thelen, Sie wussten, dass die Replik kommt. Zu dem Pflegebedürftigkeitsbegriff gibt es seit 2009 eine entsprechende Vorlage des einberufenen Sachverständigenrates. Sie wissen, wer in Berlin regiert hat, und Sie wissen, wir haben es immer wieder wiederholt, wer es verschlafen hat, den Pflegebedürftigkeitsbegriff endlich auszuweiten.
Selbst mit dem damals vorgeschlagenen Pflegebedürftigkeitsbegriff würden Sie genau den Personenkreis – was wir jetzt überprüfen wollen – nicht erreichen. Womit sonst, wenn es kein entsprechendes Leistungsrecht gibt, als mit einem Modellversuch, wollen Sie denn überprüfen, ob Sie diesen Personenkreis mit dem Einsatz von Personal erreichen, ob Sie tatsächlich klären können, wie bei diesen Personen Prävention und Rehabilitation vor Pflege, eigentlich das Grundprinzip der Pflegeversicherung, dass man im Vorhinein verhindert, dass Menschen pflegebedürftig werden, erreicht wer
Dieses Modellprojekt sagt doch ganz klar, wir wollen es mit den Pflegestützpunkten verbinden. Wir wollen es durch Pflegekräfte betreiben lassen. Wir wollen die Menschen zu Hause aufsuchen lassen. Ich sehe nicht, dass das, was Sie eben gesagt hatten, dies in irgendeiner Weise infrage stellen würde.
Wichtig ist – und dabei sind wir uns doch einig –, dass wir dem Leben nicht nur mehr Jahre, sondern den Jahren auch mehr Leben geben können. Dazu gehört, dass die Menschen Perspektiven bekommen, ihr Leben so weiterzuführen, wie sie es vorher geführt haben.