Das Angebot, in eine Loge im Mainzer Stadion hinzugehen, habe ich nicht angenommen. Ich wollte es nicht sagen, aber ich sage es jetzt.
Das müssen wir im Blick haben, wenn wir über die steigende Fluglärmbelastung diskutieren; denn im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet ist die Grenze der Belastung schon seit Langem mehr als erreicht.
Was ist noch zu tun? – Erstens sind da die seit mehr als zwei Jahren auf Eis liegenden Bundesratsinitiativen, bei denen es keine Bewegung gibt.
Diese müssen endlich vorangebracht werden. Da wir inzwischen unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und im Bundesrat haben, hilft hier nur eine parteiübergreifende gemeinsame Initiative. Für uns heißt das konkret, wie ich es bisher erfolglos seit Jahren fordere, die Parteien mit Regierungsverantwortung im Bund und in den Ländern müssen einen Grundkonsens über mehr Lärmschutz an Flughäfen und im Flughafenumfeld finden. Auch hier wiederhole ich gern das schon mehrfach Gesagte, in einem ersten Schritt ist es besser, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden als gar keinen; denn es führt kein Weg daran vorbei, Maximalforderungen sind beim Thema Fluglärm nicht umsetzbar, egal welche Koalition regiert.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lärm macht krank, und die körperliche Unversehrtheit ist grundgesetzlich geschützt. Deswegen ist es nicht länger hinzunehmen, dass unsere Lärmgesetze immer darauf abstellen, wo der Lärm herkommt, und nicht, was bei den Menschen ankommt. Es ist nämlich kaum noch auszuhalten, was über dem Mainzer Himmel geschieht, wenn hier bei Ostwind der Fluglärm gerade in den Sommermonaten morgens und auch abends ein unerträgliches Maß erreicht, dass man sich auf der Terrasse nicht mehr unterhalten kann, Kinder früh aufwachen und in der Schule nicht mehr konzentriert sind und es, wie wir eben auch gehört haben – die NORAH-Studie ist angesprochen, und andere Studien haben es auch belegt –, zu vielerlei Krankheitsbildern wie Herz-RhythmusStörungen und anderen kommt.
Da wird in dem Punkt der Bundesgesetzgeber seinem verfassungsgemäßen Auftrag, die Gesundheit der Menschen zu schützen, nicht gerecht. Wir werden es nicht mehr zulassen und einfach hinnehmen, dass man hier in Deutschland für jeden Rasenmäher mehr Lärmauflagen einhalten muss als für die Flugzeuge, die über uns drüberdonnern, meine Damen und Herren.
Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass dieser Ausbauwahn des Frankfurter Flughafens ein Ende nimmt und es auch mit der Region in Einklang zu bringen ist. Wir haben hier einen vorbildlichen Koalitionsvertrag in Rheinland-Pfalz, der gesagt hat, wir brauchen die Nachtruhe, und zwar von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr, und wir wollen dafür auch endlich eine bundesgesetzliche Grundlage schaffen. Wir brauchen aber mehr. Wir brauchen Lärmobergrenzen für Flughäfen gerade in Ballungsgebieten, weil es, wie gesagt, darauf ankommt, welcher Lärm bei den Menschen auch wirklich ankommt. Da gibt es auch keinen Durchschnittslärm, sondern Grenzen der Zumutbarkeit, die massiv überschritten werden.
Meine Damen und Herren, dann haben wir hohe Hoffnungen auf die Landtagswahl in Hessen gehabt. Es gab vielerlei Proteste auf beiden Seiten des Rheins, bei denen sich Fluglärmgeschädigte zusammengetan haben. Dann haben wir ein Wahlergebnis erlebt, das gezeigt hat, dass die bisherige Regierung, die schwarzgelbe hessische Landesregierung, krachend abgelehnt worden ist, auch für ihre Ausbaupolitik, was den Frankfurter Flughafen angeht. Es gab aber keine alternative Mehrheit dazu. Dann sind die GRÜNEN hingegangen und haben gesagt, wenn wir den Fluglärm auf Landesebene wirklich bekämpfen wollen, müssen wir den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau aufheben. Dafür hat es keinen Koalitionspartner gegeben. Das gehört zur ganzen Wahrheit dazu. Dazu war die SPD in Hessen nicht bereit, aber auch nicht die hessische CDU.
Vor diesem Hintergrund muss man sehen, dass das, was in Hessen passiert ist, ein zu kleiner, aber immerhin ein Schritt nach vorn ist. Der Hessische Landtag hat auf Antrag und Betreiben des GRÜNEN-Verkehrsministers – auf Antrag der dortigen Koalition – erstmals beschlossen, dass das Land Hessen sich für Lärmobergrenzen am Frankfurter Flughafen einsetzt. Das ist der erste kleine Schritt für das Ende einer reinen Ausbauideologie, die auf hessischer Seite unter CDU-Führung in den letzten Jahrzehnten geherrscht hat, meine Damen und Herren.
Herr Reichel, ich bin froh, dass Sie Unterstützung für die Bundesratsinitiative der Landesregierung signalisieren. Es ist wichtig, dass man hier jetzt auch gemeinsam mit den Hessen voranschreitet und die Mehrheiten auch im Bundesrat sammelt; denn bei aller Anstrengung, die wir hier auf Landesebene unternehmen, die entscheidende Musik spielt im Bund. Da brauchen wir endlich Gesetzgebung, die wirklich die Gesundheit der Menschen schützt und nicht nur den wirtschaftlichen Profit von einigen Wenigen, wie die Fraport und anderen, meine Damen und Herren.
Da muss man schon sagen, dass der Koalitionsvertrag der Großen Koalition eine Ohrfeige für die Fluglärmgeschädigten ist, wenn es dort heißt, eine allgemeine Nachtruhe an Flughäfen und Betriebsbeschränkungen
für Fluglärmobergrenzen wird es mit SPD und CDU nicht geben. Wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, dass wir da auch die Kolleginnen und Kollegen im Bund überzeugen. Lärm macht krank, und es ist der verfassungsgemäße Auftrag auch des Bundesgesetzgebers, endlich dafür zu sorgen, dass die Menschen ihr Recht auf eine angemessene Ruhe haben, nicht nur, aber vor allem auch in der Nacht, nicht nur hier im Rhein-Main-Gebiet, sondern überall dort, wo Menschen stark von Lärm betroffen sind.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Verkehrslärm macht krank. Daran kann es gar keinen Zweifel geben. Die Landesregierung hier in Rheinland-Pfalz kämpft gegen alle Bereiche des krank machenden Verkehrslärms. Ich will Ihnen zwei Punkte außerhalb der heutigen Überschrift nennen. Ich habe gerade dem Landesbetrieb Mobilität eine umfangreiche Handreichung an die Hand gegeben, wie Tempo-30Begrenzungen innerorts deutlich verstärkt werden können. Auch das ist dem Aspekt Lärm geschuldet. Wir haben jetzt am 9. Mai die nächste große Demonstration gegen Bahnlärm in Koblenz. Herr Staatssekretär Dr. Griese und ich werden die Landesregierung vertreten. Wir sind also auf allen Bereichen gegen krank machenden Verkehrslärm aufgestellt.
Durch den Ausbau des Flughafens Frankfurt am Main ist allerdings eine neue, bisher nicht dagewesene Lärmbelastung durch Fluglärm für die Bewohnerinnen und Bewohner von Mainz und Rheinhessen entstanden. Die mit der Südumfliegung eingeführten Flugrouten belasten seitdem viele Tausende Menschen in Rheinland-Pfalz. Dies gilt für die Anwohnerinnen und Anwohner, die sowohl in der Hauptbetriebsrichtung als auch in der Nebenbetriebsrichtung des Frankfurter Flughafens betroffen sind.
Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie diese Region eine Steigerung des Fluglärms durch die maximale Ausschöpfung des Planfeststellungsbeschlusses mit 701.000 Flugbewegungen im Jahr verkraften sollte. Die Entscheider auf der anderen Rheinseite enttäuschen die vom Fluglärm geplagten Bürgerinnen und Bürger in Mainz und in Rheinhessen. Die in Aussicht gestellte Genehmigung für das dritte Terminal treibt die Menschen um. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn es sie auf die Barrikaden treibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stellen fest, dass wir eine deutlich überproportionale Lärmbelästigung in Rheinland-Pfalz hinnehmen müssen. Flugauf
sicht und andere in der Verantwortung handeln offenkundig frei nach dem Motto „Wasch mir den Buckel, aber mach mich nicht nass“.
Wir sind uns hier im Hause einig – das haben alle Vorredner zum Ausdruck gebracht –, dass Gesundheit gefährdet und natürlich Lebensqualität durch Fluglärm eingeschränkt wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotzdem darf ich als zuständiger Verkehrsminister im Namen der Landesregierung ausdrücklich den Bürgerinnen und Bürgern in der Landeshauptstadt und in Rheinhessen versichern, wir tun alles, um diese Situation mit kontinuierlichen Maßnahmen zur Reduzierung des Fluglärms bzw. der Verbesserung des Fluglärmschutzes zu verbessern, die wir einfordern, bis hin zur Änderung der entsprechenden Gesetze, zum Beispiel des Luftverkehrsgesetzes.
Hauptkritikpunkte der Landesregierung sind die für die Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest geänderte Frankfurter Luftraumstruktur sowie die geänderten An- und Abflugrouten. Die Landesregierung fordert eine gerechte Verteilung der zusätzlichen, infolge der Kapazitätserweiterung des Frankfurter Flughafens erfolgten Lärmbelastung durch lärmreduzierende Maßnahmen wie der Aufteilung der Flugbewegungen.
Die vollständige Verlagerung der Luftfahrzeuge von den Direktabflugrouten auf die Südumfliegung, insbesondere der schweren und damit auch lauten Luftfahrzeuge, ist für uns – ich denke, da spreche ich für uns alle hier im Raum – nicht akzeptabel. Mit mehreren Gutachten konnte die rheinland-pfälzische Landesregierung aufzeigen, dass lärmärmere Flugrouten für Rheinhessen und für Mainz möglich sind.
Diese Vorschläge wurden von der Deutschen Flugsicherung und von der Fluglärmkommission bisher nicht akzeptiert.
Es besteht derzeit überhaupt keine Notwendigkeit, schwere Flugzeuge über den Umweg der Südumfliegung zu führen, da die mit dem Bau der neuen Landebahn verbundenen Möglichkeiten der Kapazitätsausweitung auf bis zu 126 Flugbewegungen je Stunde derzeit bei Weitem noch nicht ausgenutzt wurden. Es war unnötig, diese Verkehre über Rheinland-Pfalz zu führen.
Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat bereits 2011 entschieden, gegen die Festlegung der Flugrouten vorzugehen. Das Land selbst – wir wissen das – ist nicht klageberechtigt. Die Landesregierung hat deshalb die Klage der am meisten betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften der fünf Ortsgemeinden KleinWinternheim, Ober-Olm, Lörzweiler, Nackenheim und Nierstein des Landkreises Mainz-Bingen fachlich unterstützt und trägt die Kosten hälftig. Wir stehen auch weiterhin an der Seite unserer Bürgerinnen und Bürger.
Dieses An-der-Seite-Stehen bedeutet in dem Fall, die Landesregierung unterstützt auch weiterhin fachlich sowie finanziell das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Um dem Lärmschutz grundsätzlich und nachhaltig im Luftverkehrsrecht zu mehr Geltung zu verhelfen, hat die Landesregierung eine bei den Betroffenen viel beachtete Bundesratsinitiative mit einem sehr weitgehenden Antrag vom 1. März 2013 angestrebt. Meine Kollegin Höfken und ich stehen in sehr intensiven Gesprächen, um im Bundesrat Mehrheiten organisieren zu können und weiter voranzukommen; denn diese rechtlichen Dinge sind die Möglichkeiten, die uns nachhaltig stärken würden. Die rheinland-pfälzische Initiative konzentriert sich auf eine Aufwertung des Lärmschutzes und die Einführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Festsetzung und wesentlichen Änderung von Flugrouten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, kein Zweifel, der Luftverkehr ist ein wichtiger Bestandteil für die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands. Ich denke, nahezu jede und jeder von uns wird diesen Flughafen für Abflüge und Landungen benutzt haben. Das gehört sicherlich auch zur Wahrheit.
Negativ zu bilanzieren sind allerdings die Lärmauswirkungen des Luftverkehrs, wie ich und meine Vorredner sie beschrieben haben. Deshalb erwarte ich von dem neu zu erstellenden nationalen Luftverkehrskonzept auch, dass darin eine umfassende Lärmminderungsstrategie für den Luftverkehr verankert wird.
Die Ministerpräsidentin und ich haben in unterschiedlichen Gesprächen unter anderem mit unseren hessischen Amtskollegen und in Gesprächen mit Vertretern von Fraport deutlich gemacht, dass die Fluglärmbelastung in Rheinhessen und Mainz, insbesondere ein noch möglicher Anstieg auf bis zu 701.000 Flugbewegungen pro Jahr, völlig inakzeptabel ist.
Da ich eben die Zwischenrufe zu Herrn Staatssekretär a. D. gehört habe, kann ich Ihnen sagen, die Kollegen der CDU werben, wenn wir Regierungsgespräche führen, in einem Maße für die Fraport, dass ich das auch einmal sehr breit schildern könnte. Das will ich aber an der Stelle weglassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns geht es darum, dass wir Gerechtigkeit erfahren und der Luftverkehr und damit der Fluglärm gerecht verteilt wird. Wir wollen in den Gremien, zum Beispiel in der Fluglärmkommission, mitbestimmen können. Wir haben dort Gastrecht. Jetzt gibt es die neue Überlegung, die wir ablehnen, dass Landkreisen das Stimmrecht entzogen wird. Damit wäre der Landkreis Mainz-Bingen nicht mehr stimmberechtigtes Mitglied der Fluglärmkommission. Ich will ganz, ganz deutlich sagen, das können wir nicht akzeptieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Eindruck ist, mit dem Modell, während der Nacht das sechsstündige Flugverbot um eine Stunde zu verlängern – Sie wissen, es wurde am Frankfurter Flughafen seit dem 23. April ein Lärmpausenmodell im Probebetrieb eingeführt –,
werden ganz allein hessische Kommunen entlastet. Für die rheinland-pfälzische Seite ist dagegen keine Entlastung vorgesehen. Auch das ist eine Situation, die wir nicht akzeptieren können.
Deswegen stehen wir im Moment in intensiven Gesprächen, um einen erneuten Anlauf mit Blick auf den Bundesrat auf den Weg zu bringen. Viele Bundesländer haben in Bezug auf die Verantwortung für große Flughäfen in Ballungsgebieten ganz eigene Interessenlagen. Ich hoffe aber doch sehr, dass wir in unserer Verantwortung im Interesse der Menschen in der Landeshauptstadt, in Rheinhessen bis hin nach Bad Kreuznach an der Stelle vorankommen. Wenn die Kolleginnen und Kollegen in Hessen uns dabei unterstützen, ist uns das sehr lieb.