Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

Es sind entschuldigt Herr Thomas Günther, Herr Jochen Hartloff, Herr Dr. Dr. Rahim Schmidt, Frau Hedi Thelen, Frau Staatsministerin Vera Reiß wegen dienstlicher Verpflichtungen für das Land, Herr Staatssekretär Kopf ab 15:00 Uhr, Frau Staatssekretärin Jacqueline Kraege und Herr Burgard.

Meine Damen und Herren, ich sehe jemanden mit blonden Haaren – das gibt es öfter –, aber mit einem Kamm dazu. Ich freue mich also, dass Frau Theresa Lambrich, die Loreley des Jahres 2015, bei uns ist. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Dann hoffen wir einmal, dass es uns besser geht als den Schiffern.

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Ebenso begrüße ich Mitglieder der SPD der Verbandsgemeinde Rhein-Mosel. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Die in der Tagesordnung fehlende Drucksache zum Tagesordnungspunkt 13 wurde am 26. Juni 2015 fristgerecht verteilt. Änderungs-, Alternativ- und Entschließungsanträge werden bei dem jeweiligen Tagesordnungspunkt aufgerufen.

Haben Sie noch Punkte zur Tagesordnung, oder können wir sie so feststellen? – Wir stellen sie so fest. Meine Damen und Herren, dann haben wir unsere Tagesordnung für die nächsten drei Tage beschlossen.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

Arbeitsplätze und Mitbestimmung schützen – Solidarität mit den Beschäftigten der Post AG auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 16/5205 –

Das Wort erteile ich Herrn Kollegen Schweitzer. Es wird wie üblich verfahren, erste Runde fünf Minuten je Fraktion und zweite Runde zwei Minuten je Fraktion. – Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Gelegenheit, dass wir uns heute über ein Thema unterhalten, bei dem man sich natürlich auf den ersten Blick die Frage stellen könnte, wie denn der rheinland-pfälzische Landtag dazu kommt, mitten in einer tariflichen, in einer gewerkschaftlichen Auseinandersetzung ein Thema, nämlich das Thema Situation der Beschäftigten bei der Deutschen Post AG, zum Thema einer Aktuellen Stunde zu machen. Diese Frage will ich gleich beantworten.

Dieses Unternehmen Deutsche Post AG ist ein Unternehmen, dem es sehr gut geht. Es ist ihm in den vergangenen Jahren gelungen, am schwierigen Brief- und Zustellungsmarkt Marktanteile wiederzubekommen und zu halten. Ihr Anteil am Paketmarkt ist zwischen 2010 und 2014 von 39 % auf 43 % gestiegen. Die Umsatzrendite liegt bei 8,3 % und damit deutlich über dem Branchenniveau. Das freut uns. Das freut uns in der Politik vor allem deshalb, weil dieses Unternehmen, die Deutsche Post AG, noch zu einem relevanten Anteil dem deutschen Staat gehört. Meine Damen und Herren, darum kann und darf sich Politik nicht heraushalten, wenn die Beschäftigten auf der Straße stehen und nachts und tagsüber für Rechte streiken, von denen ich sage, es sind selbstverständlich erkämpfte Rechte der Beschäftigten. Wir stehen an ihrer Seite, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn eine der Forderungen der Gewerkschaft ver.di auch heute wieder die ist, nicht nur mit Blick auf die Situation der Beschäftigten, aber auch mit Blick auf das Unternehmen zu sagen, wir warnen davor, dass diese Deutsche Post AG zerschlagen wird – der Weg ist durch die Ausgründung von 49 Tochtergesellschaften schon beschritten werden –, ist das ebenfalls ein Punkt, an dem die Politik sagen muss: Was passiert in diesem Unternehmen? Was soll in Zukunft mit einem solchen Unternehmen in Deutschland passieren? – Wir wollen da schon früh in die Willensbildung mit eintreten.

Meine Damen und Herren, gerade auf dem Weg hierher ging es mir wie vielleicht vielen von Ihnen auch. Ich bin auf die Kolleginnen und Kollegen im Streikdienst von ver.di getroffen. Ich habe mich mit jemandem unterhalten, der mir gesagt hat: Herr Schweitzer, wissen Sie, ich bin keiner, der gerne streikt. Ich will eigentlich arbeiten, aber die Situation, was das Unternehmen mit uns vorhat, uns auszugliedern, uns aus dem Haustarif herauszubringen, uns am selben Arbeitsplatz in schlechtere Verhältnisse zu bringen, am nächsten Tag dieselbe Arbeit machen zu müssen, aber zu schlechteren Bedingungen, kann einen doch nicht ruhen lassen. Da müssen wir doch streiken. – Darauf habe ich ihm gesagt: Lieber Kollege, genau darum wollen wir heute diese Frage ins Parlament bringen. Wir sind an Ihrer Seite. –

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn bis 2020, wie es Wortmeldungen des Vorstands der Deutschen Post AG nahelegen, das Ergebnis des Unter

nehmens auf 5 Milliarden Euro anwachsen soll und wir von einem jährlichen Wachstum von 8 % auf einem – wie gesagt – sehr umstrittenen und heiß umkämpften Markt ausgehen können, sage ich, meine Damen und Herren, liege Kolleginnen und Kollegen: Gut, wenn das gelingt, aber das darf nicht auf Kosten der Beschäftigten gelingen, das darf nicht auf dem Rücken der Tarifbeschäftigten gelingen. Darum muss dieses Unternehmen eine andere Strategie finden, wie es Marktanteile behält und neue findet. Das darf aber nicht auf dem Rücken derer geschehen, die den erfolgreichen Weg bisher verantwortet haben. Das sind die Beschäftigten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was hat die Post vor? 49 Regionalgesellschaften sollen gegründet werden oder befinden sich schon in Gründung, zwei davon in Rheinland-Pfalz. Das heißt, von den 7.000 Beschäftigten der Deutschen Post AG in RheinlandPfalz sind schon heute allein am Standort Mainz 175 in die sogenannte DHL Delivery GmbH gegangen, meine Damen und Herren. Das sind Menschen, die den gleichen Job machen wie der Kollege, der noch im Haustarif beschäftigt ist, aber zu schlechteren Konditionen, bei schlechterer Absicherung. Meine Damen und Herren, das ist genau das, was wir am Arbeitsplatz nicht wollen, nämlich dass solche Verdrängungswettbewerbe über die Situation der Beschäftigten entscheiden.

Ich begrüße die Aktion von ver.di, die heute auch diese Landtagssitzung begleitet. Ich grüße auch die Kolleginnen und Kollegen von ver.di auf der Tribüne. Ich möchte deutlich sagen: Wir sind an Ihrer Seite, wenn es darum geht, die Deutsche Post AG als Gesamtkonzern zu erhalten. Wir sind an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Streikbruch, Tarifvermeidung – ich will nicht Tarifflucht sagen – das Wort zu reden, wie es in diesem Unternehmen offensichtlich vorkommt. Wir sind an Ihrer Seite, wenn es darum geht, gemeinsam – hoffentlich mit allen Kräften dieses Hauses – gegenüber der Bundesregierung deutlich zu machen, Zeitverträge, Werkverträge sind womöglich in einem geringen Umfang nötig, um Flexibilität am Arbeitsmarkt zu behalten, aber sie dürfen nicht als Instrument genutzt werden, um eine solche Tarifauseinandersetzung von hinten durch die kalte Küche zu bedienen und vor allem nicht, um Tarifbeschäftigte unter Druck zu setzen. Das ist die klare Botschaft, die von dieser Aktuellen Stunde ausgehen soll.

(Glocke des Präsidenten)

Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Kessel. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Die Tarifautonomie

ist ein wesentlicher Bestandteil der Koalitionsfreiheit und wird in Artikel 9 Abs. 3 unseres Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützt. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist Aufgabe der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände und ist nach dem Subsidiaritätsprinzip jeder staatlichen Einflussnahme entzogen. Auch Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind, sind verfassungsrechtlich geschützt.

Ein solcher Arbeitskampf wird zurzeit zwischen der Deutschen Post AG und der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ausgetragen. Von beiden Seiten der Tarifparteien gibt es unterschiedliche Verlautbarungen in den Medien.

Ver.di warnt vor einer Spaltung des Betriebs und der Belegschaft und sieht im Aufbau der DHL Delivery GmbH einen klaren Vertragsbruch.

Die Deutsche Post AG hält dagegen, dass seit der Gründung der DHL Delivery GmbH bisher 6.000 Mitarbeiter unbefristet eingestellt worden seien. Davon seien 2.000 vom externen Arbeitsmarkt zu wettbewerbsfähigen Löhnen gekommen, die in regionalen Tarifverträgen zwischen ver.di und den Arbeitgeberverbänden der Speditions- und Logistikbranche vereinbart worden seien. Die Löhne und Gehälter der 130.000 Tarifbeschäftigten in diesem Unternehmensbereich bei der Deutschen Post AG sollen nicht angetastet werden. Für sie gelte der Haustarifvertrag weiter.

Der Einstiegsgrundlohn für einen Paketzusteller bei der Deutschen Post AG läge bislang bei knapp 12,00 Euro pro Stunde. Die Einstiegsgrundlöhne der Angestellten der DHL Delivery GmbH lägen in der Spanne zwischen 10,32 Euro bis 18,00 Euro pro Stunde und im Durchschnitt bei knapp 13,00 Euro und damit etwas über dem Durchschnittslohn der Deutschen Post AG.

Hinzu kämen noch Zuschläge je nach geltendem regionalem Tarifvertrag sowie zusätzliche qualitätsbezogene Prämien und die Möglichkeit, gegen zusätzliches Entgelt auch individuell die eigene Wochenarbeitszeit aufzustocken. Damit würden die Mitarbeiter von DHL Delivery zu den bestbezahlten Paketzustellern gehören. – So weit die Verlautbarung der Deutschen Post AG.

(Zurufe von der SPD)

Ungeachtet der Darstellung der Deutschen Post AG wurde mit der Gründung der Tochtergesellschaft eine Zweiklassengesellschaft bei der Post geschaffen.

(Alexander Schweitzer, SPD: Jetzt sind wir auf dem richtigen Weg)

Der steigende Marktanteil von DHL ist ein Beleg für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens; Herr Kollege Schweitzer hat es schon angesprochen.

(Alexander Schweitzer, SPD: Richtig!)

Schon deshalb dürfen schlechtere Arbeitsbedingungen bei Wettbewerbern nicht als Vorwand dienen, das Einkommen der eigenen Beschäftigten durch Ausgliederungen zu kürzen.

(Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Die CDU – die CDA auch – steht uneingeschränkt hinter dem Streikrecht als einem natürlichen Element der Tarifautonomie.

(Beifall der CDU)

Es ist das legitime Recht der Beschäftigten und der sie organisierenden Gewerkschaft, auch mit Streik für gute Arbeitsbedigungen in der Zustellbranche zu kämpfen, selbst wenn damit für die Kunden vorübergehende Unannehmlichkeiten verbunden sind. Wir fordern die Tarifparteien auf, an ihrer Sozialpartnerschaft festzuhalten und eine weitere Abwärtsspirale bei den Arbeitsbedingungen gemeinsam zu verhindern.

(Beifall der CDU)

Dieser Appell richtet sich an die Tarifparteien und schließt ausdrücklich die Aufforderung ein, einen fairen Arbeitskampf ohne den Einsatz von Streikbrechern zu führen. Dabei haben wir jedoch immer zu beachten, dass die Tarifautonomie jede Art der Einmischung von außen, auch und gerade von staatlichen Institutionen, verbietet. Getreu dem Subsidiaritätsprinzip sollen wir die Verhandlungen bei den Tarifparteien belassen; denn dort und nicht im Plenum des Landtags sind sie zu führen.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wir bedanken uns für Ihren Entwurf einer gemeinsamen Resolution zur Solidarität mit den Beschäftigten der Post AG, der gestern bei uns einging. Auch wir sind sehr daran interessiert, zu einer fraktionsübergreifenden Resolution zu kommen.

Vieles, was in dem Entwurf steht, können wir problemlos unterschreiben. Bei den Forderungen an die Bundesregierung hinsichtlich der verbindlichen Gestaltung von tariflichen Vereinbarungen im Falle von Ausgliederungen und der gesetzlichen Regelung, die den Einsatz von Leiharbeitskräften in bestreikten Betrieben verbietet, haben wir allerdings noch verfassungsrechtliche Bedenken und möchten gern mit Ihnen darüber sprechen.

Vielen herzlichen Dank.