Protokoll der Sitzung vom 02.07.2015

(Simone Huth-Haage, CDU: Ja, selbstverständlich!)

aber es geht um die Partizipation der Eltern auch auf der überörtlichen Ebene. Die Eltern wissen schon, dass sie nur gemeinsam etwas erreichen können, wenn es darum geht, zum Beispiel auf Jugendamts- oder Landesebene mitzuwirken und ihre Profession einzubringen. Wenn man Bildungspartnerschaften ernst nimmt, müssen auch auf allen Ebenen demokratisch legitimierte Strukturen geschaffen werden, die Eltern die Mitwirkungsrechte gewährleisten, die wir alle unter dem Qualitätsaspekt befürworten.

Wenn man den Satz von den Eltern als Experten für ihr Kind ernst nimmt, so wie es in den CDU-Antrag steht, darf man diese Ressource nicht brach liegen lassen. Verbindliche Regelungen dazu fehlen.

(Simone Huth-Haage, CDU: Warum habt ihr es nicht gemacht?)

Damit könnte man Elternanliegen bündeln, auch auf überörtlicher Ebene an der Qualität der Elternarbeit mitwirken und die Expertise der Eltern institutionalisierter in die Entwicklungsprozesse frühkindlicher Bildung einspeisen.

Ziel muss es sein, durchgängig auf allen Ebenen durch demokratisch legitimierte Elternvertretungen die Qualität der Elternarbeit und damit die Qualität in den Kitas zu verbessern, weil gemeinsam geht es eben besser.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat die Kollegin Huth-Haage das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Partizipation von Eltern in der Kindertagesstätte, diesem Thema stellt sich die CDU-Fraktion sehr gerne. Wir freuen uns immer, wenn wir im Landtag über Eltern, über Kinder und über Familie debattieren; denn wir bekennen uns zu Artikel 6 Grundgesetz: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderem Schutze der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“

Meine Damen und Herren, Sie formulieren in Ihrem Antrag, Sie wollten die Elternmitbestimmung konkret rechtlich verankern. Das ist an und für sich gut. Da sind wir auch

bei Ihnen, aber ich frage Sie wirklich: Wenn Ihnen das so ernst ist, wie Sie es hier vorgetragen haben, warum sind Sie denn so spät in dieser Legislaturperiode mit diesem Thema aufgeschlagen? Sie hatten doch die ganze Legislaturperiode Zeit. Ich frage mich: Wenn es wirklich ein Anliegen ist, warum haben Sie dann nicht einen konkreten Gesetzentwurf vorgeschlagen? Warum ändern Sie nicht einfach das Kindertagesstättengesetz? Sie hätten doch alle Möglichkeiten.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen, da fehlt Ihnen der Gestaltungswille, und da fehlt Ihnen auch die Umsetzungsidee.

Ich sage Ihnen auch, dieser Antrag ist halbherzig. Ich will hier gar nicht die unrühmlichen Aussagen von zwei Ministerinnen gegenüber Eltern wiederholen,

(Zuruf aus dem Hause: Ah!)

aber ich will eines deutlich machen: Für uns sind Eltern keine Laien, sondern sie sind die allerersten und die wichtigsten Experten, wenn es um die Entwicklung ihrer Kinder geht.

(Beifall der CDU – Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Für uns sind Eltern auch keine Laien!)

Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Partnerschaft nur auf Augenhöhe funktioniert. Da bin ich auch vollkommen bei Ihnen, was die Arbeit in den Ausschüssen angeht, Frau Brück. Wir brauchen eine Erziehungspartnerschaft. Die Eltern leisten eine großartige Arbeit bei der Erziehung und auch bei der Arbeit in den Ausschüssen, und zwar auf Kita-Ebene, aber auch auf regionaler Ebene und auf Landesebene. Das ist überhaupt keine Frage.

(Zuruf der Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD)

Wir danken den Eltern für dieses wirklich wichtige und großartige Engagement.

Wir haben aber auch die Fördervereine angesprochen, weil ich glaube, diese sind auch ganz wichtig; denn was da an Geldern erwirtschaftet wird durch Beiträge, durch Spenden, durch das Organisieren von Festen und Basaren, ist auch immens.

(Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Das ist sehr löblich!)

Das hilft wirklich bei der Ausstattung, und das hilft auch, pädagogische Konzepte in den Kindertagesstätten umzusetzen.

Deshalb haben wir es auch drin. Ich finde es auch richtig, dass es drin ist. Bei Ihnen fehlen die Fördervereine nämlich. Das finde ich schlecht. Aber diese Arbeit der Ausschüsse, aber auch der Fördervereine hilft auch den Erzieherinnen. Sie schreiben in Ihrem Antrag – das ist vollkommen richtig –, es ist wichtig, die Elternarbeit zu intensivieren. Sie möchten mehr Gespräche, auch mehr Elterngespräche. Da muss aber auch die Frage erlaubt sein, wie wir das noch weiter bewerkstelligen wollen. All das ist nicht zum

Nulltarif zu haben. Sie müssen ehrlich sagen: Sind Sie hier bereit, auch mehr Mittel in den Haushalt zu stellen? – Wir können den Erzieherinnen nicht immer noch weitere Aufgaben aufbürden, gerade auch im Hinblick auf die Gespräche, die wir bei dem Kita-Streik in den letzten Wochen geführt haben, Frau Kollegin, Sie doch genauso wie ich.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will nur eines sagen, es ist wichtig, die Eltern einzubeziehen. Wir tun es. Wir wünschen uns, dass Sie es auch stärker tun werden, und insbesondere dann, wenn es wirklich um entscheidende Weichenstellungen im Leben der Kinder geht.

Ich will da etwas ansprechen. Wir sehen, dass die geänderte Praxis bei der Einschulung Eltern vollkommen außen vor lässt und das häufig auch zum Schaden der Kinder geschieht. In Rheinland-Pfalz ist es mittlerweile kaum mehr möglich, ein Kind aufgrund einer Entwicklungsverzögerung ein Jahr später einzuschulen.

(Carsten Pörksen, SPD: Ach Gott!)

Sie haben die großartige Arbeit der Schulkindergärten weitestgehend zerstört. Das war Ihr politischer Wille. Wir möchten hier wieder eine stärkere Mitbestimmung der Eltern haben. Da müssten Sie eigentlich doch auch bei uns sein.

(Beifall der CDU)

Wir sind der Meinung, dass es die Eltern am allerbesten entscheiden können, wann ihr Kind wirklich die Schulreife hat, wann es fähig ist, wann es bereit ist, in die Schule zu gehen. So, wie es jetzt läuft, haben Sie die Eltern bewusst ausgegrenzt. Das ist ein bisschen schade vor dem Hintergrund dieses Antrags. Wenn Sie es ernst meinen mit Ihrem Zugehen auf die Eltern, dann bitte nicht mit einem solch unkonkreten Antrag. Machen Sie einen konkreten Gesetzentwurf. Wir unterstützen Sie dabei auch gern, aber nur dann, wenn Sie es mit den Eltern wirklich ernst meinen und ihnen dann auch die Entscheidungsmöglichkeiten einräumen, wenn es wirklich um etwas geht, wenn es nicht nur um das Planen von Festen geht, sondern wenn es um die existenzielle Frage geht, wann ich mein Kind in die Schule schicke. Dann müssen Eltern auch entscheiden können.

(Beifall der CDU – Carsten Pörksen, SPD: Mein Kind kriegt Angst vor einer solchen Rede, meine Enkelkinder erst recht!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Kollegin Bröskamp das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete! Liebe Frau Huth-Haage, ich möchte direkt darauf eingehen, dass Sie gesagt haben, Eltern haben kein Wahlrecht, wann sie ihre Kinder in die Schule schicken.

(Carsten Pörksen, SPD: Das ist doch dummes Zeug!)

Ich bin ja nun auch Praktikerin, und ich habe durchaus selbst entschieden, meine Kinder als Kann-Kinder in die Schule zu schicken, und geboren sind sie am 24. Dezember, und niemand hat mir gesagt, ich dürfe das nicht. Das nur ganz kurz zu dieser Ergänzung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Simone Huth-Haage, CDU: Das ist auch nicht der Punkt! Früher geht doch immer! Bei Kann-Kindern ist das auch nicht der Punkt! Es geht darum, wenn man ein Kind zurückstellen möchte!)

Wenn wir aber von Partizipation reden, dann ist Partizipation grundsätzlich das Recht eines jeden Bürgers und einer jeden Bürgerin, nach seinem Interesse und seinem Vermögen an politischen, kulturellen und beruflichen Organisationen und Angeboten der Gesellschaft teilnehmen zu können. Das gilt insbesondere auch für den Kindertagesstättenbereich. Das bedeutet aber auch, dass in der Kita auch die Eltern die Unterstützung erhalten, die sie von dem Fachpersonal benötigen, und sie das Mitgestaltungsrecht, das sie haben, dann auch aktiv wahrnehmen können.

Die Partizipation der Eltern ist immerhin gesetzlich festgeschrieben im Sozialgesetzbuch VIII. Das Hauptinteresse von uns allen muss immer sein, das Kindeswohl ganz vorne hinzustellen und das im Auge zu haben. Das gilt für alle. Das gilt für die Eltern, und das gilt auch für das Fachpersonal in Kindertagesstätten.

Ich möchte ganz kurz einen geschichtlichen Exkurs darstellen und ganz weit in das Jahr 1922 zurückgehen. Da gab es das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Das sieht die Jugendhilfe insoweit vor, dass sie als Ausfallbürge dann greift, wenn die Familienerziehung versagt. Im nationalsozialistischen Regime machte die Erziehung dagegen eine extreme Kehrtwende zu der totalen Erziehung von staatlicher Seite.

In den 70er-Jahren fand die Rückbesinnung wieder auf die Familie und die Erziehungsleistung der Familie statt. Mit dem Kinder- und Jugendgesetz 1990 – das ist auch das Sozialgesetzbuch, das ich gerade zitiert habe, § 8 – wurde vor allem die Jugendhilfe als soziale Dienstleistung konzipiert, die den Familien helfen sollte, für die eigenverantwortliche Partizipation am gesellschaftlichen Leben die nötigen Fähigkeiten, Strategien und Ressourcen zu entwickeln.

Eltern haben – unser Antrag bezieht sich auf die Elternpartizipation – die Möglichkeit, zum Beispiel durch Besuche, Teilnahmeaktivitäten und Gespräche am Kindergartenleben ihrer eigenen Kinder teilzuhaben. Sie haben die Möglichkeit, sich im Elternausschuss, im Verbandsgemeindeelternausschuss, in Kreiselternausschuss oder auch im Landeselternausschuss zu engagieren. Das begrüßen wir. Da möchten wir die Eltern auch motivieren, dies noch auszuweiten. Wir haben sicherlich in manch einem Gremium ein Defizit, wo wir keinen Verbandsgemeindeelternaus

schuss haben oder auch keinen Kreiselternausschuss. Ich möchte hier deutlich die Eltern auffordern, aber auch die Jugendämter, dafür zu sorgen, die Eltern zu mobilisieren, dass sie diese Gremien schaffen, damit sie sich dann auch entsprechend vertreten können, zum Beispiel auch im Jugendhilfeausschuss.

Man muss allerdings ehrlich sein; denn ganz reibungslos funktioniert es nicht immer in allen Kindertagesstätten. Es gibt auch verschiedene Ängste von beiden Seiten, sowohl von den Erzieherinnen und Erziehern als auch von den Eltern. Da geht es um die Wertschätzung, gegeneinander dem anderen diese Professionalität – das wurde gerade in Bezug auf die Eltern als Experten dargestellt –, aber auch den Erzieherinnen und Erziehern die Professionalität zuzugestehen und auf Augenhöhe miteinander im Sinne der Kinder zu verhandeln und im Sinne der Kinder auch zu arbeiten.

Unter anderem können zum Beispiel auch Elternbefragungen hilfreich sein, damit man überhaupt einmal hört: Wo ist denn hier vielleicht der Wunsch? Was können wir denn vielleicht tun, und wo können wir gemeinsam unsere Kita und die pädagogische Arbeit unter anderem zum Beispiel auch weiterentwickeln?

Wie gerade schon gesagt, ist vor allen Dingen die Wertschätzung untereinander die ganz besondere Voraussetzung, dass allen, die am Kindergarten oder auch in der Tagespflege – das schließt die Kindertagespflege überhaupt nicht aus – beteiligt sind, ein vernünftiges Zusammenarbeiten möglich ist.

Allerdings müssen wir auch – das haben Sie gerade erwähnt – berücksichtigen, dass die Finanzierung auch auf Bundesebene – ich habe es im letzten Plenum schon gesagt – für eine bessere Personalausstattung gewährleistet sein muss. Die Bertelsmann-Studie – das hatte ich das letzte Mal zitiert – hat das deutlich gemacht.

(Glocke des Präsidenten)

Wir wollen die Partizipation von Eltern weiter stärken, und wir wollen auch den qualitativen und quantitativen Ausbau weiter fortsetzen. Das ist uns ein wichtiges Anliegen.

Danke schön.