Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Diese Angst ist unbegründet. Sie haben die Zahlen gehört. Sie wissen, dass es keine Grundlage für das gibt, was Sie hier sagen. Ich glaube, die CDU hat auch selbst gemerkt, dass sie in dieser Debatte genau in die gleiche Richtung wie die AfD geht.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Bürgerbeteiligung!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist eine Debatte, die keine Sachdebatte ist,

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

weil das, was die AfD gesagt hat, natürlich keine sachliche Grundlage hat. Das wissen Sie doch auch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Von der Argumentation her, dass Sie hier ohne sachliche Argumentation diskutieren, halte ich es für richtig, dass die Landesregierung sagt: Wir beobachten die Situation. Wir werden Sachgrundlagen erheben und werden dann aufgrund dieser Sachgrundlagen entscheiden. – Das ist gute Politik. Das ist Politik, die Rheinland-Pfalz braucht. Das ist Politik, die auch in der Flüchtlingspolitik sinnvoll ist, meine Damen und Herren, und nicht Behauptungen, wie Sie es machen.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Christine Schneider, CDU: Es sprach der ideologiefreie Dr. Braun!)

Bei der Aktuellen Debatte gibt es nicht die Möglichkeit der Kurzintervention.

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Damit ist der erste Teil der Aktuellen Debatte beendet.

Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN DEBATTE

DITIB – ein Fall für den Verfassungsschutz? auf Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/942 –

Gibt es Wortmeldungen? – Herr Paul von der AfD hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kollegen, liebe Gäste! Am 23. Juli versammelten sich rund 40.000 ErdoganAnhänger in Köln. Die Teilnehmer wurden mit Bussen aus dem gesamten Bundesgebiet, auch aus Rheinland-Pfalz, nach Köln gebracht. Die Kundgebung beruhte auf einer sehr professionellen Organisation. Funktionäre leiteten die Aktivisten an.

Zu den Organisatoren gehörte vorrangig die TürkischIslamische Union, kurz DITIB. Die Eindrücke, die ich vor Ort insbesondere durch Gespräche mit den Art-Aktivisten sammeln konnte, lassen nur eine Einschätzung zu: Den Verantwortlichen ging es nicht um die türkische Demokratie, sie wollten eine Machtdemonstration des ErdoganLagers auf deutschem Boden inszenieren.

Auf die Pfiffe und abwertenden Handbewegungen, die das Lied der Deutschen begleiteten, möchte ich nicht näher eingehen.

(Heiterkeit des Abg. Martin Haller, SPD)

Sie legen ein allzu deutliches Zeugnis von einer in weiten Teilen gescheiterten Integrationspolitik ab.

Noch mehr müssen uns aber die „Allahu Akbar“-Rufe und die skandierte Forderung nach der Todesstrafe für Putschisten und damit dem unverhohlenen Ruf nach Rache und eben nicht nach Recht beunruhigen. Es drängt sich die Frage auf, ob diese Haltung mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit im Grundgesetz in Einklang steht.

Die AfD sagt ganz klar und deutlich: Nein. Wir halten sie schlichtweg für verfassungsfeindlich.

(Beifall der AfD)

Mittlerweile wissen wir, das alles ist keine Folklore, sondern geht mit Gewalt einher. In 35 Fällen hat die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen Übergriffe auf Erdogan-Gegner registriert. Diese Gewalt, die am Montag den Landtag in Düsseldorf beschäftigte, wurde von DITIB-Imamen durch Hasspredigten und Aufrufe zielgerichtet provoziert. Sie riefen dazu auf, Erdogan-Gegner den türkischen Behörden zu melden. Seitdem leben viele Oppositionelle hierzulande in Angst.

DITIB ist dafür verantwortlich, dass unser Land zur Arena innertürkischer Konflikte geworden ist. DITIB ist bereit, für die Durchsetzung von Machtinteressen den inneren Frieden unseres Landes aufs Spiel zu setzen. Unter dem Deckmäntelchen der Religionsfreiheit gehen Respektlosigkeit gegenüber Deutschland und Skrupellosigkeit Hand in Hand.

(Beifall der AfD)

Es ist höchste Zeit, sich ein genaues Bild von der Weltanschauung zu machen, die unter dem Dach der DITIB gepflegt wird. Ein von der türkischen Religionsbehörde Diyanet verantworteter Comic, der der Erziehung von Kindern dienen soll, ist bezeichnend. In ihm verklären Eltern den sogenannten Märtyrertod. Ich zitiere: Märtyrer sind im Paradies so glücklich, dass sie zehnmal Märtyrer sein wollen. – Ein Kind sagt: Natürlich will ich Märtyrer sein. Wer will nicht ins Paradies? –

Geisteshaltung und Propaganda erinnern in fataler Weise an den Islamischen Staat, der Jugendliche als Selbstmordattentäter missbraucht. Sie steht unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung diametral entgegen. Diese Verantwortung wiegt besonders schwer, da DITIB seit 2009 alle Muslime in Deutschland vertreten und Ansprechpartner des deutschen Staates sein will. Dieser Anspruch soll sich in den geplanten Moscheen in Bad Kreuznach und Germersheim widerspiegeln.

Die AfD hat die Landesregierung gefragt, ob die DiyanetBildergeschichte in rheinland-pfälzischen Moscheen zur Unterweisung eingesetzt wird oder dort kursiert. Dass dies möglich ist, lässt eine dem nordrhein-westfälischen Innenministerium abgegebene Stellungnahmen DITIBs erahnen. Das Innenministerium stellte fest, dass DITIB nicht bereit war, sich klar genug von den Aussagen des Comics zu distanzieren.

Es ist an dieser Stelle besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass DITIB ihrer Struktur nach eine abhängige Filiale der mächtigen türkischen Religionsbehörde Diyanet ist. Die in deutsche DITIB-Moscheen entsandten DiyanetImame sind quasi türkische Staatsbeamte. Diyanet wiederum ist de facto unmittelbar an die Weisungen Erdogans gebunden.

In der Wissenschaft heißt es lapidar – ich rede von einem Standardwerk von 2012, das jedermann in der Bibliothek ausleihen kann –: Die Funktionäre betrachten DITIB als Organ des türkischen Staates, und dieser Staat habe eine Religion, den Islam. Er stehe an erster Stelle, der deutsche Staat an zweiter.

Die Grundstücke, die DITIB erwirbt, betrachtet sie als Besitz des türkischen Staates. Fazit: Es ist nicht möglich, DITIB als inländische Organisation zu betrachten.

DITIB ist ein Machtinstrument eines fremden Staates auf deutschem Boden und damit der verlängerte Arm Erdogans in die Bundesrepublik.

(Beifall der AfD)

Geht die Türkei weiter den Weg der Islamisierung, besteht die große Gefahr, dass DITIB abermals und in größerem Maßstab Taktgeberin von Konflikten auf unseren Straßen wird. Die Landesregierung sollte nicht versuchen, sich mit langwierigen Begutachtungen Zeit zu verschaffen. Sie sollte DITIB durch den Verfassungsschutz beobachten lassen und sich insbesondere auf der Bundesebene dafür einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Hüttner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verfassungsschutz ist ein wichtiger Teil unserer staatlichen Ordnung. Er hat die Aufgabe, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen. Seine Grundlagen entnehmen wir dem Landesverfassungsschutzgesetz. Darin ist im Kern geregelt, dass man Bestrebungen gegen den Bestand von Bund und Land, Bestrebungen gegen die Sicherheit von Bund und Land und Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beobachten und auszuwerten hat.

Es ist also Aufgabe des Verfassungsschutzes – das entscheidet er selbst –, Meinungen, Einstellungen usw. auf den Prüfstand zu stellen und unter den genannten Punkten zu prüfen und zu bewerten. Das ist sicherlich mehr, als es in dem einhundertseitigen Bericht, den der Verfassungsschutz letztendlich in seinem Jahresbericht vorlegt, auch Erwähnung findet.

Dabei geht es nicht um eine Vermutung; denn es ist höchstgerichtlich geregelt, dass es um tatsächliche Anhaltspunkte geht. Es geht auch nicht darum, dass das Auffallen Einzelner letztendlich bewertet wird, sondern es geht darum, dass eine ganze Organisation im Hintergrund steht.

Sehr geehrter Herr Paul, Sie wissen sehr wohl, was Sie da sagen; denn es gibt auch Debatten in eine andere Richtung. Das sollte gerade Ihnen bewusst sein.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für die Religion, DITIB, wurde 1984 gegründet. Die DITIB ist ein Dachverband für bundesweit mehr als 900 Ortsgemeinden und vertritt vorwiegend türkische Sunniten. Unter Ortsgemeinden

in diesem Zusammenhang versteht man Moscheen mit angeschlossenen Bildungs-, Sport- und Kulturangeboten. Die DITIB untersteht der Aufsicht der staatlichen Religionsbehörde der Türkei. Das ist insoweit zutreffend und ist auch überall nachzulesen. Es wird auch kein Geheimnis darum gemacht. Diese wiederum ist dem türkischen Ministerpräsidenten angegliedert.

DITIB vertritt in Deutschland etwa 70 % aller Muslime. Das sind etwa 3 Millionen Menschen. Es ist mit großem Abstand die größte Migrantenorganisation in Deutschland.

DITIB bekennt sich auf seiner Homepage eindeutig zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Grundgesetz. Dort heißt es auch, dass jede Art von Gewalt und Aufruf zur Gewalt abgelehnt wird.

Nach dem Putsch in der Türkei und den anschließenden Reaktionen in der Türkei und auch in Deutschland führt nun die AfD – und eigentlich nur die AfD in RheinlandPfalz – an, DITIB müsse vom Verfassungsschutz beobachtet werden, da es sich um den verlängerten Arm des türkischen Ministerpräsidenten Erdogans handeln würde. Zudem führen sie an, dass es zwischen verschiedenen Anhängern der verschiedenen türkischen Bewegungen Gewalt geben würde und andere Stellen tatenlos zusehen würden.

Wir brauchen in Deutschland keine Stellvertreterdebatten. Wir brauchen keine Stellvertreterauseinandersetzung zwischen den verschiedenen politischen Richtungen irgendeines Landes.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Aber das bedeutet noch ganz lange nicht, dass diejenigen, die sich dort nicht verstehen, gegen unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung stehen und unseren Bestand und unsere Sicherheit damit gefährden würden.