Protokoll der Sitzung vom 29.04.2020

Sie, meine Damen und Herren der CDU, wollen die Ausbaubeiträge abschaffen, wobei Sie sich mindestens dreimal in Ihrer eigenen Argumentation fundamental und auch entlarvend widersprochen haben.

Ich erinnere an die Rede Ihres geschätzten Kollegen Christof Reichert vom 24. August 2018 – ich tue das jedes Mal immer wieder gerne –, in der dieser ausführte – ich zitiere –:

(Unruhe zwischen SPD und CDU – Glocke des Präsidenten)

„Für die CDU wäre der Verzicht auf Straßenausbaubeiträge das absolut falsche Signal.“

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das kommt davon, wenn man nur abliest!)

Sowie: „Die Forderung nach einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist hingegen reiner Populismus.“ Der Protokollant verzeichnet Beifall der CDU. Man könnte also glauben, klare Linie bei der CDU – aber na ja.

Herr Schnieder hat seinerzeit die Ablehnung des Antrags der AfD auf Abschaffung der Straßenausbaubeiträge unter anderem damit begründet, dass der Antrag nur geschätzte Angaben zu den Kosten beinhalte. Kurz darauf hat er mit dem CDU-Antrag denselben Weg gewählt. Es erwächst durchaus der Eindruck, dass das Umdenken der CDU wohl in erster Linie wahltaktischen Überlegungen und nicht der Praxisrealität geschuldet ist.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Was sagt denn eigentlich Kubicki dazu?)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Hauptkritikpunkte an den Einmalbeiträgen beseitigt. In aller Regel gestalten sich wiederkehrende Beiträge für die Grundstückseigentümer sozialverträglicher als Einmalbeiträge, da die entstehenden Ausbaukosten innerhalb der Abrechnungseinheiten nicht auf einmal in einer größeren Summe, sondern in jährlichen geringeren Teilbeträgen zu zahlen sind.

Die oft zitierten Fälle extrem hoher Beitragszahlungen können so weitestgehend vermieden werden. Anlieger an klassifizierten Straßen wie die Anlieger an Ortsstraßen zahlen zukünftig die gleichen Beiträge. Darüber hinaus behalten die Kommunen bei Beibehaltung der Ausbaubeiträge ihre Planungshoheit bezüglich des Straßenausbaus.

Ausbaubeiträge können im Gegensatz zu Steuern vom Vermieter nicht über die Nebenkosten abgerechnet werden. Bei der Umstellung von Einmalbeiträgen auf wiederkeh

rende Beiträgen erhalten die Kommunen finanzielle und fachliche Unterstützung.

Ich möchte es damit bewenden lassen; denn die einzelnen Argumente sind zwischenzeitlich wohl hinreichend ausgetauscht worden. Mit dem heute eingebrachten Änderungsantrag schärfen wir den Entwurf an einigen Stellen nach und greifen Anregungen aus den Anhörungen und der Praxis auf.

Unter anderem soll die rechtssichere Bildung von Abrechnungseinheiten erleichtert werden. Zudem können für Maßnahmen, die vor dem 31. Dezember 2023 begonnen wurden, wahlweise noch Einmalbeiträge behoben werden.

Die Opposition sollte aufhören, den Menschen zu erzählen, bei Abschaffung der Straßenausbaubeiträge müssten sie künftig keine Kosten mehr für den Ausbau der Straßen bezahlen. Vordergründig natürlich ein gut ankommendes Argument – wer zahlt schon gerne.

(Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Dass dieses allerdings meist nicht zutreffend ist, lässt sich häufig an den Regelungen in den von Ihnen immer wieder genannten Ländern feststellen.

(Zurufe der Abg. Dr. Adolf Weiland und Christian Baldauf, CDU)

Dort erhalten Kommunen oft – sehr oft – zu wenig Geld vom Land, was dann durch Steuererhöhungen ausgeglichen wird.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Was sagt eigentlich der Landesvorsitzende der FDP dazu?)

Um abschließend nochmals Herrn Reichert zu zitieren: „Letztendlich – und das muss jedem klar sein – werden auch zukünftig die Bürgerinnen und Bürger die Straßen finanzieren, egal nach welchem Weg.“

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Schnieder das Wort.

(Vereinzelt Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen abschließenden Entscheidung über die Zwangseinführung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge lösen die regierungstragenden Fraktio

nen das grundsätzliche Problem der Menschen in diesem Land mit den Straßenausbaubeiträgen nicht.

(Beifall der CDU)

Ganz im Gegenteil: Sie schaffen eine Vielzahl neuer Probleme im Beitragsrecht; denn sie greifen mit dieser gesetzlichen Änderung klar in die kommunale Selbstverwaltung ein.

Die wiederkehrenden Beiträge, das unliebsame Kind, konnten in den letzten fast 35 Jahren nicht so recht überzeugen. Nach all dieser Zeit haben sich nur rund 40 % der Kommunen für ihre Einführung entschieden. Es ist für eine Mehrzahl der Gemeinden eben das falsche Instrument. Genau das wird den Gemeinden jetzt durch die Koalitionäre aufgezwungen, meine Damen und Herren.

Daneben entlasten Sie die Bürger auch tatsächlich in Gänze nicht; denn der Gesamtaufwand bei wiederkehrenden und einmaligen Beiträgen bleibt nahezu identisch.

(Beifall der CDU)

Lediglich die Aufteilung über einen längeren Zeitraum und die Verteilung auf eine Vielzahl von Köpfen ändert sich. Vor allem aber werden auch diejenigen mit einbezogen, die gar nicht unmittelbar von der jeweiligen Maßnahme profitieren.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das nennt man Solidarität! Verrücktes Konzept!)

Das Bundesverfassungsgericht hat einen engen Rahmen für die Verfassungskonformität wiederkehrender Beiträge vorgegeben. Ich bin überzeugt, dass die diesbezügliche Rechtsprechung

(Unruhe zwischen SPD und CDU – Glocke des Präsidenten)

auch nicht durch Gesetzesfiktionen, wie Sie es im Änderungsantrag versucht haben, umgedeutet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass die wiederkehrenden Beiträge nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar sind, wenn sichergestellt ist, dass ein konkretindividuell zurechenbarer Vorteil der Grundstückseigentümer in einem Abrechnungsgebiet vorliegt. Ich bin gespannt – um das vorsichtig auszudrücken –, wie dies flächendeckend und rechtssicher im Land umgesetzt werden wird.

In der Begründung Ihres Änderungsantrags wird die laufende Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz nahezu ausgeblendet.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: So ist es!)

Die dort im vorvergangenen Jahr getätigte Festlegung von 3.000 Einwohnern pro Abrechnungseinheit ist bestandskräftig in der Welt und wird durch Ihren Änderungsantrag auch nicht negiert. Daneben steigt der Verwaltungsaufwand bei der Einführung wiederkehrender Beiträge zum

Teil sogar deutlich. Auch das ist unstrittig. Sie führen eine Zwangsabgabe für alle ein,

(Beifall der CDU)

eine Art neue Grundsteuer, die alle Grundstückseigentümer belasten wird.

Dass das alles nicht so einfach ist, vor allem in der tatsächlichen Umsetzung, merken Sie selbst. Sie packen weitere Übergangsmöglichkeiten in Ihren geänderten Entwurf, also Einmalbeiträge auch nach 2024, wenn mit dem Ausbau vorher begonnen wurde. So ganz überzeugt sind Sie von Ihren neuen Regelungen nicht.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Monika Becker, FDP)

Sie bemächtigen sich dem kommunalen Finanzausgleich, um die Kommunen zu belohnen, die vor 2024 die Umstellung satzungsmäßig beschließen. Geld, das den Kommunen längst gehört, für dessen Hingabe Sie sich dann aber gerne abfeiern lassen wollen.

Weiteres Geld für anstehende rechtliche Unsicherheiten wird für Städtetag und Gemeinde- und Städtebund zur Verfügung gestellt, weil der wiederkehrende Beitrag eben doch nicht so unbedenklich in der Zwangseinführung ist, wie Sie es gerne glauben lassen wollen.

Eine wirklich dauerhafte und vor allem rechtssichere Lösung ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht erkennbar. Straßenausbaubeiträge, egal ob einmalig oder wiederkehrend, sind und bleiben unsozial und ungerecht.

(Beifall der CDU)

So wird es Ihnen mit dem heutigen Beschluss nicht gelingen, das Thema dauerhaft aus der öffentlichen Diskussion zu nehmen.

Interessant ist in diesem Gesetzgebungsverfahren der Blick auf die letzten Wochen. In einem – nennen wir es so – arg beschleunigten Verfahren soll heute der flächendeckende wiederkehrende Beitrag eingeführt werden. Die Angst der FDP vor der eigenen Basis muss groß sein. So groß, dass die normal terminierten Ausschusssitzungen für Anhörung und Auswertung nicht ausgereicht haben, sondern eine zusätzliche Terminierung gefunden werden musste.