Protokoll der Sitzung vom 24.06.2020

öffentlich-rechtlicher Körperschaften“ –, wenn man allein diesen Titel liest, fühlen sich alle Klischees gegenüber EURecht voll bestätigt: bürokratisch, technokratisch weit weg und sehr ins Detail gehend.

Wenn man sich dann aber klarmacht, dass dieses Gesetz – also die Richtlinie und damit auch die Umsetzung ins deutsche Recht – eigentlich dazu dient, die Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit zu schützen und dass das erforderlich wurde, weil offensichtlich zumindest einzelne EU-Mitgliedstaaten es mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Berufszugangsreglementierungen nicht so ganz genau genommen haben, dann könnte das doch Anlass für uns sein, sich nicht immer – auch wenn das keiner von Ihnen jemals tut – vorschnell aufzuregen oder zu schimpfen über die Technokraten in Brüssel, sondern wirklich den Bürgerinnen und Bürgern klarzumachen: Manchmal bedarf es eben auch solcher technokratisch wirkender Gesetze. Es ist im Interesse aller.

Diesen Appell wollte ich gerne losgeworden sein. Wir werden zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU, bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Steven Wink, FDP)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Illing.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Berufsfreiheit ist ein Grundrecht. Eingebettet in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union werden Berufs- und unternehmerische Freiheiten garantiert.

Dies beinhaltet Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt. Nationale Bestimmungen, die den Zugang zu reglementierten Berufen regeln, dürfen daher keine ungerechtfertigten oder unverhältnismäßigen Hindernisse schaffen.

Hier bei uns werden viele Regelungen zu diesen Themen in den öffentlich-rechtlichen Körperschaften – sprich: Kammern – reglementiert und umgesetzt. Diese Kammern sollen nun im jeweiligen Fachrecht verpflichtet werden, die Vorgaben dieser EU-Richtlinie zu beachten. Vorgesehen sind Änderungen im Heilberufsgesetz, im Architektengesetz sowie im Landesgesetz zum Schutz der Berufsbezeichnungen im Ingenieurwesen und über die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz.

Bereits heute müssen Berufsreglementierungen nach geltendem Verfassungs- und Europarecht den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit entsprechen. So soll die Richtlinie mit dem Landesgesetz so umgesetzt werden, dass auf der einen Seite den europarechtlichen Anforderungen genüge getan, hierüber hinaus aber auch nicht mehr reglementiert

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Rechts. Im Kern ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, dass Reglementierungen, die die garantierte Ausübung der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen, vier Bedingungen erfüllen sollten:

Anwendung in nicht diskriminierender Weise,

Rechtfertigung durch Ziele des öffentlichen Interesses,

die Verwirklichung des von ihnen verfolgten Ziels muss gewährleistet sein, und

es darf nur beschränkt werden, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Gerade Europa ist für unser Rheinland-Pfalz ein Garant für Frieden und Wohlstand. Ein enorm wichtiger Baustein für diesen Wohlstand ist, dass wir mit unseren Grenzen zu Frankreich, Luxemburg und Belgien auf eine transparente und ausgeglichene Berufsfreiheit mit gleichen Definitionen und Bedingungen auf beiden Seiten zurückgreifen können.

Deshalb unterstützt die SPD-Fraktion den Gesetzentwurf.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Lohr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Martin hat schon die richtigen Ausführungen dazu gemacht. Die müssen nicht eins zu eins wiederholt werden.

Bei dieser Umsetzung der Richtlinie gibt es seitens der AfD-Fraktion keine Beanstandung. Ich glaube, es ist auch kein Spielfeld, um über die EU an sich zu diskutieren. Die Richtlinie muss umgesetzt werden. Das ist bei diesem Sachverhalt unproblematisch.

Grundsätzlich lässt sich noch sagen, dass die Standards der Kammern in Rheinland-Pfalz sowieso schon den Ansprüchen genügen. Dementsprechend wird nur das Gesetz konkretisiert. Die Richtlinie wird umgesetzt, und die AfD wird diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Wink.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie Hans-Dietrich Genscher bereits sagte: „Europa ist unsere Zukunft, sonst haben wir keine.“

Die Europäische Gemeinschaft ist ein wichtiger Bestandteil unser aller Leben. Wir profitieren vom Schengenraum und haben erst kürzlich während der Corona-Pandemie erlebt, was es heißt, geschlossene Grenzen zu haben.

Nichtsdestotrotz fordert die Europäische Gemeinschaft auch die Umsetzung von Recht, insbesondere solcher Richtlinien wie dieser. Wir begrüßen, dass den Mitgliedstaaten ein Prüfungsschema zur Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen im Bereich öffentlich-rechtlicher Körperschaften zur Verfügung gestellt wird.

Die EU-Richtlinie ist von den Mitgliedstaaten bis zum 30. Juli 2020 in nationales Recht umzusetzen. Dieser Gesetzentwurf setzt die Anforderungen der EU-Richtlinie um, geht jedoch darüber nicht hinaus. Hierin sehen wir einen guten Kompromiss zwischen der Umsetzung von EU-Richtlinien und der Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten. Daher stimmen wir als FDP-Fraktion dem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute die Umsetzung der EURichtlinie 2018/958. Diese hat zum Inhalt, die Grundlage für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen im Bereich öffentlich-rechtlicher Körperschaften zu schaffen.

Die Richtlinie aus dem Jahr 2018 muss nun bis zum 30. Juli 2020 umgesetzt werden. Änderungen werden im Heilberufsgesetz, im Architektengesetz, im Landesgesetz zum Schutz der Berufsbezeichnungen im Ingenieurwesen sowie über die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz nötig.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr hat der Umsetzung der Richtlinie bereits zugestimmt und befürwortet die Annahme im Plenum. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmt dem Gesetzentwurf zu.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Staatssekretärin Schmitt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem europäischen Binnenmarkt verdanken wir einen wesentlichen Teil unseres Wohlstands, diesem und den ihm zugrunde liegenden vier Freiheiten: der freie Warenverkehr, der freie Kapital- und Zahlungsverkehr, die Dienstleistungsfreiheit und die Personenfreizügigkeit. Die beiden Letztgenannten können durch Berufsreglementierungen eingeschränkt sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein berufserfahrener Dienstleister seine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nicht ausüben darf, weil seine Berufsqualifikationen nicht anerkannt werden bzw. andere, für ihn nur aufwendig oder nicht erfüllbare Berufsqualifikationen vorausgesetzt werden.

Aus diesem Grund gilt seit 15 Jahren die EURichtlinie 2005/36 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, die in Bundes- und Landesrecht umgesetzt wurde. Hier werden die Mitgliedstaaten unter anderem aufgefordert, die Verhältnismäßigkeit von Berufsreglementierungen offenzulegen.

Die EU-Richtlinie 2018/958 konkretisiert das Verfahren, mit dem die Verhältnismäßigkeit neuer Berufsreglementierungen geprüft und offengelegt werden muss. Der vorliegende Gesetzentwurf dient dazu, diese Richtlinie in Landesrecht umzusetzen, was final bis zum 30. Juli dieses Jahres erfolgt sein muss.

Wesentlicher Umsetzungsschritt ist der vorliegende Entwurf für ein Artikelgesetz mit Änderungen im Heilberufsgesetz, im Architektengesetz und im Landesgesetz zum Schutz der Berufsbezeichnungen im Ingenieurwesen und über die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz. Der Entwurf ist eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie.

Zweiter Umsetzungsschritt ist ein Prüfschema für die obersten Landesbehörden und die Kammern für die Heilberufe sowie die Architekten- und Ingenieurberufe. Über dieses wird der Ministerrat demnächst im Rahmen der Änderung seiner Gemeinsamen Geschäftsordnung beschließen. Dort soll das Prüfschema als Anhang eingefügt werden. Über die Geschäftsordnung wird auch die Umsetzung der Richtlinie für die Landesverwaltung erreicht.

Dritter Umsetzungsschritt ist die Zentralisierung der Pflege der Datenbank der reglementierten Berufe. Darin sind alle Daten über Berufsreglementierungen einzutragen und zu pflegen. Dies gilt auch für das Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Diese Aufgabe wird zukünftig die Aufsichtsund Dienstleistungsdirektion übernehmen.

Heute steht der erste Umsetzungsschritt, das Artikelgesetz zur Abstimmung. Neben ihrer Zustimmung hierzu bitte ich Sie auch darum, die Richtlinie ebenfalls für Gesetze aus der Mitte des Landtags umzusetzen. Nach unserem Kenntnisstand prüft die Landtagsverwaltung diese Frage, die sich

aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in diesem Artikelgesetz regeln lässt.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/11877 – in zweiter Beratung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Das Gesetz ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der AfD angenommen.