Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

(Heiterkeit bei der AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: Erst provozieren, dann zurückrudern!)

sie hat in der ersten Runde ganz deutlich erklärt, wir stehen hinter der Polizei. Die Polizei ist gut ausgebildet. Sie ist gut ausgestattet. Wenn es der AfD auch nicht ins Weltbild passt,

aber die Ausstattung, die Ausbildung und die finanzielle Ausstattung der Polizei werden genauso von den Grünen wie von der gesamten Koalition mitgetragen. Sonst wäre es nicht so.

Auch wenn das die AfD nicht will, wir stehen natürlich hinter der Polizei, und wir bedanken uns für die Arbeit der Polizei. Das ist doch vollkommen klar, weil diese Einsätze nicht einfach sind. Deswegen ein herzliches Dankeschön an die Polizei.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, vereinzelt bei der CDU und der FDP)

Ich möchte aber auch sagen und klarstellen: Es gibt in jedem Bereich der Gesellschaft – egal ob es ein Sportverein ist, egal ob es eine Partei ist, egal ob es ein sonstiger Verband ist – die Möglichkeit, dass es dort ein rechtes Gedankengut gibt. Das muss man einfach untersuchen. Das gehört zur Gesellschaft. Man kann doch nicht sagen, ein bestimmter Teil der Gesellschaft – sei es die Bundeswehr, sei es die Polizei, sei es der Fischerverein von der Ecke – wäre vor Rassismus gefeit. Das kann nicht sein. Deswegen muss man ein Auge darauf haben. Da sind wir uns auch mit dem Innenminister einig.

Auch die Gewerkschaft der Polizei sagt, man muss ein Auge darauf haben und sich darum kümmern, dass es keine rechtsextremen Irritationen gibt. Meine Damen und Herren, aber wir sagen doch nicht, das sei strukturell, sondern wir sagen, wir müssen verhindern, dass so etwas strukturell werden könnte, um das klarzustellen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Junge, natürlich darf man Ihre Partei als rechtsextrem bezeichnen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Aber Ihre ist linksextrem! – Glocke der Präsidentin)

Herr Junge, aber Sie können nicht einzelne Mitglieder in dieser Runde als linksextrem oder als Linksextremistin bezeichnen. Gegen diese Verleumdung wehren wir uns. Das ist nicht grenzwertig, sondern das ist eine klare Verleumdung. Ich kann sie nur auffordern, das zurückzunehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Zurufe von der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit haben wir das dritte Thema der Aktuellen Debatte beendet.

Wir kommen zu den nächsten beiden Tagesordnungspunkten. Ich rufe die Punkte 11 und 12 der Tagesordnung gemeinsam auf:

...tes Landesgesetz zur Änderung des Landeshaushaltsgesetzes 2019/2020 (...tes Nachtragshaushaltsgesetz 2020) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/12720 – Erste Beratung

Landesgesetz über die Errichtung eines Sondervermögens „Nachhaltige Bewältigung der Corona-Pandemie“ (Corona-Sondervermögensgesetz) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 17/12717 – Erste Beratung

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 15 Minuten vereinbart. Zunächst begründet die Landesregierung. Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Doris Ahnen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die aktuell in Deutschland und in Rheinland-Pfalz wieder ansteigenden Infektionszahlen machen uns täglich bewusst, dass wir noch weit davon entfernt sind, die Corona-Krise bereits überwunden zu haben.

Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten: COVID19 ist eine hoch ansteckende Krankheit. Es gibt schwer erkrankte Menschen und Menschen, die gesundheitlich bedroht sind. Deswegen war und ist es richtig, Einschränkungen in Kauf zu nehmen und weiterhin alles zu tun, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Das will ich ganz deutlich sagen. Das ist unsere oberste Priorität.

Wir alle haben fordernde Zeiten hinter uns, und wir dürfen die Belastungen der vergangenen Monate nicht vernachlässigen. Viele Bürgerinnen und Bürger haben Angst um ihren Arbeitsplatz und machen sich große Sorgen um die Zukunft. Familien und Freunde haben sich oft schmerzlich vermisst. Gerade der fehlende enge Kontakt zu den älteren Familienmitgliedern war nur schwer erträglich.

Kinder und Jugendliche konnten nicht in die Kita und Schule, was Kinder und Eltern, insbesondere Alleinerziehende, vor enorme Herausforderungen gestellt hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, daher gilt allen Bürgerinnen und Bürgern unser ganz herzlicher Dank für die Geduld und das Durchhalten in den letzten Monaten.

(Beifall bei SPD, der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP, und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke für die gegenseitige Unterstützung und den Zusammenhalt. Das ist es, was unser Land so besonders und so liebenswert macht.

Die Ausmaße der aktuellen Wirtschaftskrise sind gravierend. Das Land steht vor einem Steuereinnahmeeinbruch

von über 2 Milliarden Euro in diesem und 875 Millionen Euro im nächsten Jahr, so die Steuerschätzung für RheinlandPfalz. Bundesweit ging das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) bereits im ersten Vierteljahr um 2,2 % gegenüber dem Schlussquartal 2019 zurück. Im besonders betroffenen zweiten Quartal war ein Einbruch von 9,7 % zu verzeichnen. In den vorliegenden Prognosen der Bundesregierung, des Sachverständigenrats und vieler anderer mehr geht man von einem Rückgang des BIP zwischen 6 und 7 % im Vergleich zum Vorjahr aus.

Wir erleben damit die tiefste Rezession der Nachkriegszeit mit den entsprechenden Auswirkungen auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Auch das soll gesagt werden: Zuletzt haben sich die wirtschaftlichen Aktivitäten belebt. Allerdings haben wir keine Sicherheit über den weiteren Infektionsverlauf und das Tempo der konjunkturellen Erholung. Ich bin davon überzeugt, in dieser Situation ist staatliches Handeln geboten. Landtag und Landesregierung, Bürgerinnen und Bürger, wir alle tragen Verantwortung für dieses Land, und in dieser Zeit spüren wir sie in besonderem Maße. Wir wollen unserer Verantwortung gerecht werden.

Wir haben diese Krise bisher gut gemeistert. Es sind an erster Stelle die Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz, die viele Einschränkungen in ihrem Leben, in Beruf und Freizeit mit großer Disziplin hingenommen haben. Gemeinsam konnten wir durch dieses umsichtige Verhalten die Pandemie-Welle deutlich abschwächen und in vielen Bereichen wieder ein Stück Normalität herstellen.

Der Kita- und Schulbetrieb sind angelaufen, Geschäfte haben geöffnet, und Restaurantbesuche und Kulturveranstaltungen sind in begrenztem Maße möglich. Zugleich spüre ich ein großes Verständnis für die nach wie vor geltenden Einschränkungen und Auflagen. Auch zukünftig wird ein sorgfältiges Abwägen der nächsten Schritte notwendig sein. Das findet auch gerade aktuell statt. Lassen Sie uns das Erreichte nicht leichtfertig verspielen.

Die Landesregierung hat schnell auf die Krise reagiert und dazu bereits im März dieses Jahres einen Nachtragshaushalt vorgelegt, damit wir die finanziellen Handlungsmöglichkeiten des Landes kurzfristig erweitern können. Wir haben den Gesundheitsschutz gestärkt, Arbeitsplätze gesichert und an vielen Stellen, an denen es notwendig war, geholfen. In der Zeit größter Unsicherheit und Eile war es richtig und die richtige Entscheidung, die Mittel in Höhe von 800 Millionen Euro im Haushalt zentral zu veranschlagen und bedarfsweise zu verteilen.

Wie von mir an dieser Stelle zugesagt, hat die Landesregierung in jeder Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses detailliert über die Mittelverwendung berichtet. Den Vorwurf, man wisse bis heute nicht, wie viel Geld für welche Zwecke genau ausgegeben wurde, kann ich daher nicht stehen lassen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr verehrte Abgeordnete, ich möchte mich an dieser Stel

le bei Ihnen herzlich bedanken. Dank der zügigen Beratung und dem gemeinsamen Beschluss konnten wir schnell handeln und sofort die wichtigen Maßnahmen auf den Weg bringen. Spätestens seit der Steuerschätzung im Mai war klar, dass wir im laufenden Haushaltsjahr erneut reagieren müssen, um die massiven Einnahmeeinbrüche im Landeshaushalt, aber auch bei den Kommunen ausgleichen zu können.

Ich habe damals bereits einen zweiten Nachtragshaushalt nach der Sommerpause angekündigt. Inzwischen haben wir einen besseren Überblick, welche Maßnahmen jetzt sinnvoll und notwendig sind, um die Folgen der CoronaPandemie nicht nur kurzfristig, sondern auch auf mittlere Sicht bewältigen zu können.

Vor diesem Hintergrund haben wir den Entwurf eines zweiten Nachtragshaushalts für das Jahr 2020 vorgelegt und wollen ein Sondervermögen zur nachhaltigen Bewältigung der Corona-Pandemie errichten. Der zweite Nachtragshaushalt konzentriert sich auf die Finanzierung der durch Corona bedingten konjunkturellen Steuermindereinnahmen und der im Sondervermögen gebündelten Coronabedingten Maßnahmen zur Bewältigung der Krise. Die wenigen sonstigen Punkte betreffen im Wesentlichen absehbare Mehrausgaben im Unterhaltsvorschussgesetz sowie bei den Integrationsmitteln und der Eingliederungshilfe zur zusätzlichen Unterstützung der Kommunen.

Insgesamt sind im zweiten Nachtragshaushaltsplan 2020 Gesamteinnahmen von rund 17,2 Milliarden Euro und Gesamtausgaben von rund 20,7 Milliarden Euro vorgesehen. Die im ersten Nachtragshaushalt veranschlagte Nettokreditaufnahme steigt von rund 638 Millionen Euro um rund 2,8 Milliarden Euro auf rund 3,45 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren, eine solch hohe Kreditaufnahme muss – das ist mir als Finanzministerin besonders bewusst – gut begründet sein. Das ist sie. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir kraftvoll auf diese Krise reagieren müssen. Es hilft nicht, wenn wir gegen die Krise ansparen und damit die Konjunktur zusätzlich schwächen. Ich nenne steigende Arbeitslosigkeit und die anhaltende Gefahr von Insolvenzen im Unternehmensbereich.

Mit dem zweiten Nachtragshaushalt sieht die Landesregierung weitere, erhebliche Mittel vor. Es geht jetzt darum, das Gesundheitswesen zu stärken, es geht jetzt darum, die Wirtschaft anzukurbeln, daraus Nachhaltigkeit zu generieren, das Recht auf Bildung zu wahren sowie eng an der Seite der Kommunen zu stehen. Darüber hinaus ergänzen und kofinanzieren wir das Bundeskonjunkturprogramm. Wir setzen jetzt die richtigen Akzente in zentralen Zukunftsfeldern, die unser Land nachhaltig stärken werden.

Unsere Haushaltspolitik ist auch bei diesem zweiten Nachtragshaushalt verantwortungsbewusst und vorausschauend. Die Steuermindereinnahmen werden, wie von der Schuldenbremse vorgesehen, durch konjunkturell bedingte Kreditaufnahmen abgedeckt. Zudem hat der Landtag bereits mit dem ersten Nachtragshaushalt 2020 im Rahmen der Schuldenregel das Vorliegen einer außergewöhnlichen

Notsituation festgestellt und deswegen rund 572 Millionen Euro zusätzliche Kredite freigegeben. Diese notsituationsbedingten Kredite sollen nunmehr um rund 629 Millionen Euro auf rund 1,2 Milliarden Euro erhöht werden.

Der Pandemie-Titel aus dem ersten Nachtragshaushalt wird weitgehend in die ressortbezogenen Einzelpläne überführt, damit die weiterhin notwendigen Hilfen im Bereich der Kultur, der Vereine, der Jugendbildungsstätten und anderen fortgeführt werden können. 200 Millionen Euro verbleiben zentral. Zugleich wird der Titel um 116,8 Millionen Euro reduziert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich haben wir geschaut, wo wir Ausgaben reduzieren können. Dies ist bei der Anpassung der Zinsausgaben in Höhe von minus 170 Millionen Euro erfolgt. Bereits im ersten Nachtragshaushalt haben wir die Rücklagenzuführungen in Höhe von 150 Millionen Euro gestrichen. Hinzu kommt nun die Auflösung der Gigabit-Rücklage in Höhe von weiteren 50 Millionen Euro.

Lassen Sie mich aber auch sehr deutlich sagen, dass wir unsere künftige Handlungsfähigkeit absichern müssen und daher die Haushaltssicherungsrücklage nicht antasten werden. Ich sage ganz klar: Wir planen weder hier noch für den Haushalt 2021 eine Entnahme aus der Rücklage. Um eine Rücklage für Wahlgeschenke handelt es sich also wahrlich nicht. Dieser Vorwurf dürfte damit im Gegenteil endgültig ausgeräumt sein. Wer von Ihnen kann mit Gewissheit sagen, wie lang die Krise noch anhält, welche Haushaltsrisiken sich noch ergeben werden und welche Aufgaben noch vor uns liegen?

(Abg. Martin Haller, SPD: Frau Beilstein kann das!)

Ich trete für eine solide Haushaltspolitik ein: vor der Krise, während der Krise und für die Zeit nach der Krise.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit unserem Sondervermögen beschreiten wir übrigens keinen Sonderweg in Rheinland-Pfalz. Auch der Bund und andere Länder haben ihre Rücklage für die Nachtragshaushalte nicht aufgelöst. Mit dem Sondervermögen bündeln wir Maßnahmen, um die über das Jahr 2020 hinaus anhaltenden negativen Folgen der Pandemie zu bewältigen oder zumindest abzumildern. Wir tun dies kraftvoll, zielgerichtet und verantwortlich. Dem neuen Sondervermögen werden dazu Mittel des Landeshaushalts im Umfang von über 1 Milliarde Euro zugeführt. Wir setzen über 1 Milliarde Euro für die Zukunft dieses Landes ein. Das ist ein kraftvolles Signal für die Bekämpfung von Wirtschaftskrise und Pandemie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin davon überzeugt: In diesen Zeiten ist Weitsicht und Gemeinsinn besonders wichtig. Es geht gerade jetzt um Zusammenhalt. Es geht darum, in der Gesellschaft füreinander einzustehen. Um es auf den Punkt zu bringen: Nur wenn jeder an den anderen denkt, ist an alle gedacht. Deshalb zeigt diese Kri

se auch, dass wir einen handlungsfähigen Staat brauchen, einen Staat, der alle in den Blick nimmt.

Daher spreche ich an erster Stelle die Erhaltung unserer Daseinsvorsorge an. Liebe Sabine Bätzing-Lichtenthäler, die Corona-Pandemie hat uns gerade im Vergleich mit anderen Staaten vor Augen geführt, wie wichtig ein Gesundheitswesen ist, das leistungsfähig ist und allen Menschen zur Verfügung steht. Darum investieren wir in die Krankenhäuser, in die Pandemievorsorge im Gesundheitswesen und in die Unimedizin insgesamt 270 Millionen Euro. Hinzu kommen 150 Millionen Euro des Bundes aus dem Zukunftsprogramm Krankenhäuser für ein gutes Gesundheitssystem.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf enthält auch ein klares Bekenntnis zum Öffentlichen Personennahverkehr, der ein günstiges und zugleich ökologisches Verkehrsmittel ist und in besonderem Maße unter der Corona-Krise gelitten hat. Hierfür stellen wir in Ergänzung zu den Mitteln des Bundes von rund 128 Millionen Euro weitere Landesmittel in Höhe von bis zu 75 Millionen Euro bereit.