Besten Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Corona-Pandemie hat die Bedeutung der regionalen Sicherung der Ernährung und verlässlicher Lieferketten wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Im Blickpunkt der EU-Ratspräsidentschaft im Agrarbereich stehen eine nachhaltige und resiliente Landwirtschaft und damit die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 2021 bis 2027, ihre Verbindung zum neuen Green Deal mit der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ sowie die Sicherung zukunftsfähiger ländlicher Räume.
Zur zukünftigen GAP strebt das Bundesministerium eine sogenannte allgemeine Ausrichtung bis Oktober an. Sie soll als einvernehmliche Ratsposition zentrale Eckpunkte für die Trilog-Verhandlungen im Hinblick auf das GAPLegislativpaket beinhalten. Darüber hinaus strebt die deutsche Ratspräsidentschaft im Agrarbereich Fortschritte beim Tierwohl und ein EU-weites Tierwohllabel sowie eine Stärkung der Position der Landwirte in der Lieferkette an.
Zu diesem Tierwohllabel möchte ich sagen: Das wird auch höchste Zeit. Die Idee der Bundesagrarministerin, ein freiwilliges Tierwohllabel in Deutschland einzuführen, war von Anfang an eine Schnapsidee,
zumal es das schon gab. Was da bisher abgeliefert worden ist, ist Null-Komma-Null. Ich sehe mit Freude, dass man abkehrt von der ursprünglichen Position und sich nun endlich dem Weg zuwendet, ein europaweites Tierwohllabel zu schaffen.
Das muss allerdings ein verbindliches Tierwohllabel sein. Marktwirtschaft braucht Transparenz. Wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher die Produkte nicht differenzieren können, können sie keine verantwortungsvolle Entscheidung treffen. Deswegen ist es eine logische Selbstverständlichkeit, kein freiwilliges Tierwohllabel zu schaffen.
Diese Versuche, sich mit einer Art freiwilligem Aufkleber der legislativen Verantwortung zu entziehen, ist nun nachweislich gescheitert. Ich bin sehr froh, dass man das erkannt hat, aber es muss auch geliefert werden. Es reicht natürlich nicht aus, nur zu sagen, wir wollen das auf europäischer Ebene. Die Bundesregierung muss sich dort auch durchsetzen.
Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass es nicht nachvollziehbar ist, weshalb das so lange dauert. Wir haben in kürzester Zeit Milliardenpakete auf europäischer Ebene zustande gebracht. Da geht es um ganz andere Fragen von noch größerer Bedeutung, aber wir müssen so etwas meines Erachtens mühelos verhandeln können.
Dann zur GAP: die Landwirtschaft ist systemrelevant. Wir haben das im Mai-Plenum an dieser Stelle diskutiert. Wir brauchen stabile landwirtschaftliche Betriebe zur Ernährungssicherung. Zudem ist es genauso wichtig, dass unsere Betriebe Umwelt- und Klimaschutzleistungen erbringen können sowie vitale ländliche Räume zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Eine starke GAP ist daher auch in Zukunft unerlässlich für ein stabiles Europa.
Richtig ist auch: Unsere landwirtschaftlichen Betriebe stehen vor einem Berg an komplexen Herausforderungen. Vor Überforderung müssen sie daher dringend geschützt werden. Sie brauchen Perspektiven, und sie brauchen Planungssicherheit. Mit dem Beschluss des Europäischen Rats vom 21. Juli wurden in budgetärer Hinsicht für den mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 in Verbindung mit dem Wiederaufbaufonds die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Unsere Forderung der Beibehaltung der Direktzahlungen in bisheriger Höhe konnte nahezu uneingeschränkt auch in der neuen Förderperiode fortgesetzt werden.
Für die zweite Säule, die Förderung der ländlichen Entwicklung, der Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, können sogar zusätzliche Mittel erwartet werden. Dennoch steckt der Teufel im Detail. Im Gegensatz zu dem zufriedenstellenden Budget, das im Übrigen noch der Ratifizierung der 27 mitgliedstaatlichen Parlamente bedarf, ist beim Legislativpaket für die GAP noch nichts festgelegt. Wir fordern daher von der Bundesregierung die Verlässlichkeit, dass die Einkommenswirkung und die Risikoabsicherung uneingeschränkt erhalten bleiben, auch bei den Direktzahlungen.
Wir wollen, dass auch und gerade für die kleineren und mittleren Betriebe etwas getan wird. Für die setze ich mich als Landwirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz natürlich besonders ein.
Herr Gies, weil Sie sagen, die Landesregierung muss das alles ausgleichen, will ich an der Stelle auch sagen, dass wir als Länder bestimmte Dinge nicht ausgleichen können. Was ich sehr bedauere und für die Landwirtschaft in RheinlandPfalz wirklich sehr nachteilig ist, ist, dass wir keine stärkere Förderung der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe auf europäischer Ebene bekommen.
Das wäre gut und richtig, und das wäre wichtig. Die Bevölkerung will kleinbäuerliche Strukturen haben. Wir in Rheinland-Pfalz haben sie. Aber es gibt eben keine höhere Förderung für die ersten Hektare. Dass es die nicht gibt, liegt nicht an der Europäischen Union. Das liegt auch nicht an anderen Ländern, sondern das liegt an der Bundesrepublik Deutschland und – um es ganz klar zu sagen – an der Bundeskanzlerin, die das nicht will.
Die EU-Kommission spricht ganz offen darüber. Das hat damit zu tun, dass die Bundeskanzlerin aus MecklenburgVorpommern kommt und man dort sehr große Agrarbetriebe hat. Herr Gies, das kann man nicht in Rheinland-Pfalz
ausgleichen. Sie könnten allerdings etwas dafür tun, wenn Sie in der eigenen Partei Ihre Bundeskanzlerin von diesem Weg abbringen würden.
Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und darüber hinaus haben kein Verständnis dafür, dass riesige Agrarbetriebe genauso behandelt werden wie kleinbäuerliche Strukturen. Das befördert den Strukturwandel. Es wäre wichtig und richtig, anders vorzugehen. Insofern hoffe ich, dass sich an dieser Stelle in den nächsten Jahren etwas verändert.
Ich will noch einmal zum Thema „Tierwohl“ zurückkommen. Die Tierhaltung muss umgebaut werden. Wir brauchen ein EU-weites verbindliches Tierwohllabel. Ich bin in großer Sorge um unsere Tierhalter. Ich halte die Vorschläge der Borchert-Kommission sowohl inhaltlich wie auch operativ, insbesondere in finanzieller Hinsicht, für nicht umsetzbar. Ich finde sie auch unzumutbar. Weder sehe ich angesichts der unflexiblen Haltung des Bundes bei der GAK die erforderliche Absicherung in der Investitionsförderung noch die notwendige Unterstützung in der sich abzeichnenden Kostenmehrbelastung.
Die Tierwohlabgabe sehe ich mehr als kritisch. Das Instrument halte ich für verfassungsrechtlich in hohem Maße bedenklich und für hyperbürokratisch bezüglich der Administration einschließlich der Kontrollierbarkeit. Ich glaube, dass wir das System damit überfordern und das ein völlig ungeeignetes Instrument ist, um zur ökonomischen und damit existenziellen Verlässlichkeit der bäuerlichen Betriebe beizutragen. Deswegen werde ich mich diesem Vorschlag auch nicht anschließen und hoffe, dass man einen besseren Weg findet.
Wir dürfen nicht ständig um das eigentliche Problem herumregulieren. Man kann nicht mit zusätzlichen Steuern das Problem der Tierhaltung lösen. Das kann man nur in den Ställen lösen. Ich bevorzuge immer eine Politik, die unmittelbar an dem Problem ansetzt und nicht ausweicht und auf Umwegen versucht, irgendeine Reparaturmaßnahme auf den Weg zu bringen. Deswegen hoffe ich, dass dieser Vorschlag nicht weiterverfolgt wird und wir klare und verlässliche Regeln bekommen, dann aber auch mit öffentlichen Mitteln unsere Landwirtinnen und Landwirte in die Lage zu versetzen, die notwendigen Investitionen dafür zu tätigen; denn die Landwirtschaft darf nicht alleine gelassen werden, ansonsten werden wir alle ärmer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Horst Gies, Schutzpatron von Julia Klöckner!
Da sitzt die Landwirtschaftspolitik der 70er- und 80erJahre. Das haben wir heute noch einmal von Horst Gies in Vertretung für die CDU-Fraktion gehört. Kein Landwirt in der Fraktion, kein Praktiker und die CDU-Fraktion ist schon am Schwimmen.
Wir konnten letzte Woche lesen, dass der Spitzenkandidat der CDU-Fraktion, der CDU-Rheinland-Pfalz, im RheinHunsrück-Kreis auf einer Wahlversammlung massiv kritisiert worden ist,
dass er in seiner Rede nicht einmal das Wort „Landwirtschaft“ in den Mund genommen oder überhaupt das Thema „Landwirtschaft“ auf der Kette hat.
Wir können in Kleinen Anfragen lesen, welche naiven Fragen Christian Baldauf stellt. Ob Förderung rückwirkend möglich ist, was Investitionen in der Landwirtschaft überhaupt möglich macht oder nicht. Wenn man solche Fragen als Praktiker liest, wenn man auf Veranstaltungen fährt, auf denen Julia Klöckner und Christian Baldauf auf den landwirtschaftlichen Höfen auftreten, dann gehen die Bauern auf die Barrikade.
Horst Gies, Sie werden in den nächsten Tagen erleben, wie Tausende von Bauern in Rheinland-Pfalz und Koblenz auf die Straße gehen, um für ihre Themen Werbung zu machen, und Sie negieren hier das Land Rheinland-Pfalz. Sie negieren, dass es bei der Bauernmilliarde auf Bundesebene nichts gibt, keine Aussage, keine Förderrichtlinie, nichts. Beim Insektenschutzprogramm: keine Antwort. Bei der Ackerbaustrategie: keine Antwort. Bei der Düngeverordnung ist alles am Schweben. Bei der Kastenstandhaltung werden die Bauern im Stich gelassen. Bei der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft werden die Bauern im Stich gelassen. Bei der Ferkelkastration werden die Bauern im Stich gelassen.
(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Christian Baldauf, CDU, und Michael Frisch, AfD – Unruhe bei der CDU)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Kollege Weber! Die Latte ist jetzt hochgelegt, aber die Emotionen sind geweckt.
Das ist gut so; denn es war schon eine gewisse Provokation vom Kollegen Horst Gies, sich hier hinzustellen und den Blick ausschließlich auf Rheinland-Pfalz zu lenken. Einmal ganz abgesehen davon, dass die Landwirtschaftspolitik ein Kernpolitikfeld der Europäischen Union ist, um das noch einmal in Erinnerung zu bringen. Aber scheinbar sind Sie wirklich in den 70er-Jahren hängen geblieben, wobei diese Kernpolitik schon in den 50er-Jahren geboren wurde, um das noch einmal klarzustellen.
Wer sich hier hinstellt – Kollege Weber hat alle Handlungsfelder heruntergelesen –, der muss wissen, dass gerade in allen großen Schwebezuständen – ich nenne nur die Düngepolitik – – –
Wo wären wir denn jetzt, wenn nicht die Länderagrarminister den Bund ständig und penibel auf den Weg gebracht hätten, damit wir überhaupt zu einer Entscheidung kommen, damit wir überhaupt zu einer praktischen Umsetzung kommen? Da ist es eben mit Sonntagsreden nicht getan. Auch wenn die Landwirtschaftsministerin gerne im Modus möglicherweise der ehemaligen Weinkönigin in Sonntagsreden schwelgt, müssen wir Sie auffordern, dass die Themenbereiche abgearbeitet werden, dass sie liefern muss.
Ich möchte abschließend noch ein Beispiel nennen. Das ist die sogenannte Richtlinie über unlautere Handelspraktiken, die seitens der EU-Kommission nun schon seit zwei Jahren verabschiedet ist und noch theoretisch bis Ende nächsten Jahres in die Umsetzung gehen kann. Darin wird nämlich geregelt, dass Obst- und Gemüsebauern nicht länger dem Lebensmittelhandel schutzlos ausgesetzt sind, sondern einseitige Lieferverträge sittenwidrig sind und ein Lebensmittelhandel nicht kurzfristig eine Lieferung von fünf Paletten Frischobst oder Salat oder was auch immer, also von verderblicher Ware, stornieren kann,
was nämlich momentan Fakt ist. Da erwarte ich von einer Bundeslandwirtschaftsministerin mehr als immer nur schöne Worte. Den Landwirten wäre geholfen, wenn man zum Beispiel diese Richtlinie etwas schneller umsetzen würde und nicht bis zur Ultima Ratio, bis zum Tag der Tage, wartet.
(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)