Protokoll der Sitzung vom 28.08.2020

Es kann keinen besseren Zeitpunkt für unseren Antrag geben. Die POG-Neuerungen werden derzeit im Innenausschuss bearbeitet. Pflegen wir die Regelungen in diese Novelle ein.

Was wollen wir? Wir wollen den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware intensivieren, das heißt wir wollen den Fotoabgleich mit den sogenannten Gesichtserkennungssystemen des Bundeskriminalamts (BKA) ausbauen und in Technik investieren, damit beispielsweise auch schlechtere Aufnahmen gewinnbringend ausgewertet werden können.

Wir wollen intelligente Kamera-, Aufnahme- und Aufzeichnungssysteme einsetzen. Diese Systeme erkennen bestimmte Muster bzw. Schemata von Objekten oder das Verhalten von Personen und werten diese danach aus. Wenn eine Bedrohungslage erkannt wird, können die Sicherheitsbehörden punktgenau, schnell und frühzeitig eingreifen.

Gerade dieser Punkt ist aus verfassungs- und datenschutzrechtlichen Gründen sicherlich ein sensibles Thema. Darüber sind wir uns auch im Klaren. Um hier einen breiten Konsens zu erzielen, lassen Sie uns eine Expertenkommission einsetzen, die die genauen Rahmenbedingungen für eine Testphase festsetzt. Neben den rechtlichen Aspekten können hier auch finanzielle und praktische Erwägungen berücksichtigt werden.

Wir wollen intelligente, automatisierte, biometrische Gesichtserkennung perspektivisch zur gezielten Bekämpfung von Schwer- und Schwerstkriminalität einsetzen. Wir wollen mit Software Bilder aufgenommener Personen in Echtzeit mit Bildern in einer Datenbank abgleichen.

Kriminalität reicht aber immer auch über die Landesgrenze hinaus. Deswegen ist es wichtig, dass bundesländerübergreifende Voraussetzungen geschaffen werden. Wir brauchen also ein einheitliches, bundesweit nutzbares System. Die Landesregierung muss darum bei den anderen Bundesländern um Unterstützung für eine bundesländerübergreifende Softwareentwicklung in einer Verbundlösung werben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, ich konnte das Thema anreißen und Sie von der Sinnhaftigkeit eines Einsatzes intelligenter Kamera- bzw. Aufnahme- und Aufzeichnungssysteme überzeugen. Wir würden gerne mit Ihnen über die heutige Plenarsitzung hinaus sachgerecht darüber diskutieren. Stimmen Sie also gleich mit uns für die Überweisung des Antrags an den Innenausschuss.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Wolfgang Schwarz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Man muss sich schon fragen, was Sie, die CDU, umtreibt, einen solchen Antrag zum jetzigen Zeitpunkt zu stellen. Schon beim Anlesen der Antragsbegründung wird deutlich, einem solchen Antrag kann man nicht zustimmen, aber der Reihe nach.

Ja, die Bedrohungslage durch islamistischen Terrorismus und gewaltbereiten Extremismus ist nach wie vor eine Herausforderung für unsere Sicherheitsbehörden. Das stimmt, aber bereits nach dieser Feststellung hinkt die Begründung Ihres Antrags.

Wieder einmal nehmen Sie die PKS als Grundlage für ihren Antrag und missbrauchen sie. Unsere PKS bestätigt, Rheinland-Pfalz ist ein sicheres Bundesland, unsere toll ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten leisten eine hervorragende Arbeit.

Sie ziehen aus der PKS ausgerechnet die Hauptgruppe „Straßenkriminalität“ als Begründung für Ihren Antrag heraus. Diese ist aber seit neun Jahren auf einem gleichbleibenden nicht besorgniserregenden Niveau. Nicht nur das, sie ist in den letzten beiden Jahren insgesamt auch noch rückläufig. 18 Straftaten sind in diesem Katalog, Kollege Herber, und Sie sprechen von einer großen Anzahl. Genau sieben sind dort gestiegen.

Ich will sicher keine Straftat verharmlosen, aber Sie haben in Ihrem Antrag die folgenden drei Straftaten als Begründung aufgeführt: Sachbeschädigung, Taschendiebstahl und Rohheitsdelikte. Klar ist und bleibt, jede Straftat ist eine Straftat zu viel.

Wenn ich aber Ihre Forderungen in diesem Antrag den von Ihnen aufgeführten Tatbeständen aus der PKS gegenüberstelle, muss ich mich schon fragen: Sind solche schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte verhältnismäßig und angebracht? Nein; denn Ihr Antrag entspricht in keinster Weise den Tatsachen der realen Kriminalitätsentwicklung in unserem Bundesland. Ihr Antrag verunsichert nur die Bevölkerung und befeuert wieder einmal nur den rechten Flügel im Land. Oder ist das gar Absicht?

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Immer die gleiche Leier!)

Ihr Antrag ist aber auch aus einem anderen Grund verwunderlich. Wir hatten gerade eine Anhörung zum POG. Kein Wort von Ihnen zur Intention Ihres Antrags, obwohl kompetente Sachverständige dagewesen wären

(Abg. Uwe Junge, AfD: Hat er doch beantragt!)

bzw. Sie hätten speziell zu diesen Themen gezielt einladen können. Sie haben eben gesagt, bereits im März hatten Sie Ihren Antrag vor sich liegen. Haben Sie aber nicht gemacht. Ich sage Ihnen auch, warum: Weil Sie genau wissen, wie die Antworten gewesen wären. Ablehnend.

(Zuruf des Abg. Dirk Heber, CDU)

Gut, dass Sie wenigstens erkannt haben, unser POG enthält bereits heute wirksame Werkzeuge für unsere Sicherheitsbehörden.

All diese Dinge, die Sie jetzt einführen bzw. deren Entwicklung Sie mit rheinland-pfälzischem Geld vorantreiben wollen, sind nicht nur gesellschaftlich, sondern auch datenschutzrechtlich und verfassungsrechtlich absolut umstritten.

Erinnern Sie sich an die Aktion des Bundesinnenministers am Bahnhof Südkreuz in Berlin. Er ruderte ganz schnell zurück und verzichtet auf die Entwicklung bzw. Einführung einer Gesichtserkennungssoftware.

Sie führen das Gesichtserkennungssystem des BKA an. Dort werden Bilder von unbekannten Tätern mit den im Informationssystem der Polizei erfassten Lichtbildern von Straftätern verglichen. Rheinland-Pfalz nutzt über das Landeskriminalamt dieses System bereits seit Jahren, und dies erfolgreich.

Sie fordern sogenannte intelligente Kameras mit bestimmter Software zum Erkennen von auffälligen Verhaltensmustern von Personen. Auch das ist mehr als umstritten. Das Datenschutzgesetz stuft diese biometrischen Informationen als besonders schützenswert ein. Allein daraus ist zu schließen, dass es, entgegen Ihrer Meinung, um die Erhebung personenbezogener Daten geht und damit einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung darstellt.

Bei Ihrer Forderung nach automatisierter biometrischer Gesichtserkennung würden die Daten eines jeden zufällig

an der Örtlichkeit der Aufzeichnung gewesenen Menschen anlasslos erfasst und verarbeitet. Ein sehr weitgehender Grundrechtseingriff. Besprechen Sie das einmal mit unserem Landesdatenschutzbeauftragten.

Ich möchte Ihnen mit Erlaubnis der Präsidentin ein Zitat aus der Süddeutschen Zeitung vorlesen: „Überwachungskameras mit Gesichtserkennung werden verändern, wie die Menschen sich öffentlich bewegen. (...) Die neue Technik gehört untersagt. Denn sie führt direkt in den Überwachungsstaat.“

Meine Damen und Herren der CDU, wir leben in RheinlandPfalz, einem Rechtsstaat, und nicht in Moskau oder Peking. Deswegen lehnen wir den Antrag ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, bei der FDP und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Friedmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In der Gesellschaft kommt das Thema „Kameraüberwachung in öffentlichen Bereichen“ in regelmäßigen Abständen in den Diskurs und zeigt jedes Mal aufs Neue die Uneinigkeit, die damit einhergeht, und sorgt damit für ein hohes Diskussionsgeschehen.

Die AfD-Fraktion hat in der Vergangenheit bereits mehrfach den Einsatz von Videokameras an öffentlichen Brennpunkten gefordert. Daher freuen wir uns umso mehr, dass dieser Themenkomplex heute auf der Tagesordnung steht.

Nach einer Legaldefinition sind öffentliche Bereiche Gemeindeflächen oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die für die Öffentlichkeit frei zugänglich sind. Diese öffentlichen Bereiche zu überwachen und damit das hohe Gut der Sicherheit für die Bürger zu gewährleisten, ist für das Land eine wichtige Aufgabe. Mit einer Videoüberwachung könnte diese Sicherheit verbessert werden, auch wenn viele gegen eine solche Überwachung sind.

Zu der im Antrag der CDU geforderten Nutzung sogenannter intelligenter Kamera- bzw. Aufnahme- und Aufzeichnungssysteme, die wir alle kennen und welche von vielen Datenschützern abgelehnt werden: Ich habe mir ein solches System auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin angesehen und kann es Ihnen gerne erläutern, vor allen Dingen Ihnen, Herr Schwarz.

(Abg. Wolfgang Schwarz, SPD: Nein danke, Herr Friedmann!)

Die Kameras sind an öffentlichen Plätzen angebracht und nehmen das ganze Umfeld auf. Die Bilder werden an eine

Leitstelle übertragen, aber dort nicht durchgehend gesichtet. Die Technik ist so eingestellt, dass die Kameras erst dann, sagen wir mal, Alarm schlagen, wenn atypische Verhaltensmuster auf dem Platz festgestellt werden. Das sind zum Beispiel Schlägereien, weil sich die Menschen dann anders bewegen, oder auch ein Diebstahl, wenn der Täter plötzlich losrennt.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Schwarz, SPD)

In diesem Moment macht sich das System bemerkbar, und die Beamten in der Leitstelle können direkt auf einem Bildschirm das Geschehen live verfolgen und Sofortmaßnahmen einleiten. Das System ist so konfiguriert, dass es bestimmte Algorithmen erkennt und sich dann, wie schon gesagt, meldet.

Da es sich bei einem solchen Überwachungssystem nicht um eine einzelne Kamera, sondern um Dutzende Kameras handelt, ist es personell auch nicht möglich, alle Kameras gleichzeitig zu beobachten. Wenn also jemand über den Bahnhofsvorplatz geht, wird das zwar aufgezeichnet, aber er wird nicht dabei beobachtet.

Sollte er aber plötzlich loslaufen, macht das System auf sich aufmerksam, und ein Beamter schaut sich die Szene an. Er entscheidet dann, ob hier ein Fall vorliegt, in welchem er Maßnahmen treffen muss oder nicht. Er kann dann zum Beispiel sehen, dass der Mann nur losgerannt ist, um noch eine Straßenbahn zu erreichen, oder ob er eventuell verfolgt wird.

Alle Videoüberwachungen werden natürlich auch gespeichert und können später nochmals gesichtet werden, wenn im Nachhinein eine Anzeige erstattet wird, zum Beispiel ein Taschendiebstahl, den das Gerät nicht erkennen kann. Dann kann man die Filme auch nachträglich sichten, um eventuell die Straftat aufzuklären. Die Speicherfristen können von den einzelnen Datenschutzbehörden festgelegt werden.

Die Künstliche Intelligenz lässt grüßen, und wir sollten mit dem Fortschritt gehen. Im täglichen Leben werden wir oft mehrmals am Tag von Kameras aufgenommen, und wir leben damit. Bei jedem Geldabhebevorgang an einem Geldautomaten werden wir gefilmt. Ebenso an Tankstellen, beim Tanken und beim Bezahlen im Verkaufsraum. Auch in vielen Geschäften werden Aufnahmen von uns gemacht, da die Hausdetektive den Verkaufsraum überwachen.

Auch in diesen Fällen dienen die Aufnahmen nur zur Strafverfolgung, um Ladendiebstähle, Betrügereien usw. aufzuklären. Es ist also schon gesellschaftsfähig, dass wir gefilmt werden. Nur im öffentlichen Raum, in welchem die Straßenkriminalität zuschlägt, wird es von vielen noch abgelehnt. Genau diese Kriminalität ist ansteigend.

In einem weiteren Punkt des Antrags geht es um die sogenannte Gesichtserkennung. Hier geht es auch um die Zusammenarbeit von BKA und anderen Ländern, die diese Software bereits zielführend einsetzen. Zu diesem Punkt

werden im Antrag Beispiele genannt, die zweckdienlich erscheinen und bereits erfolgserprobt sind.

Wir unterstützen den Antrag der CDU und würden einer Überweisung an den Innenausschuss mit einer Expertenanhörung zustimmen.

Vielen Dank.