Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Vor nicht ganz vier Monaten war das Camp Moria schon einmal Gegenstand einer Aktuellen Debatte in diesem Landtag, gewiss unter etwas anderen Vorzeichen.
Damals wie heute forderten Integrationsministerin Spiegel und mithin die Landesregierung eine Aufnahme von Asylbegehrenden nach Deutschland und Rheinland-Pfalz. Doch während es sich seinerzeit noch um maximal 5.000 angeblich besonders Schutzbedürftige handelte, forderte Frau Spiegel den Bundesinnenminister inzwischen auf, mindestens 5.000 und mehr Personen ungeachtet ihres Schutzstatus und Alters direkt nach Deutschland auszufliegen.
Ganz so klar ist das allerdings nicht; denn noch am 9. September war nur von 1.000 Migranten die Rede, wovon Rheinland-Pfalz ein Kontingent von 50 Personen übernehmen könnte. Frau Spiegel, vielleicht bringen Sie heute endlich Klarheit in dieses unwürdige Zahlenspiel, zumal sich mittlerweile Merkel und Seehofer auf über 1.500 nicht nur minderjährige Migranten verständigt haben sollen.
Richten wir aber den Blick nach Griechenland auf die Insel Lesbos. Oder wollen wir Samos schon mit einbeziehen? Was sich auf Lesbos in der Nacht vom 9. September ereignet hat, ist einerseits unbestritten eine humanitäre Katastrophe für die vielen unschuldig Betroffenen, deren Obdach und Habe größtenteils vernichtet wurden.
Andererseits ist aber genau dieser Brand auch ein ungeheuerlicher krimineller Vorgang, der als solcher benannt, beurteilt und auf keinen Fall verharmlost werden darf.
Wir reden hier von vorsätzlicher Brandstiftung, Gewalt gegen griechische Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte, Plünderungen und brutalsten Ausschreitungen. Was die regierungstragenden Fraktionen vermutlich wieder schönreden werden unter dem Stichwort „Verzweiflung“, nenne ich eine bewusste und hochgradig aggressive Grenzüberschreitung zur moralischen Erpressung Europas und insbesondere Deutschlands.
Wenn wir die Begehung von Verbrechen als wirksames Druckmittel von Zuwanderung akzeptieren, dann prognostiziere ich Ihnen, dass weitere Brandstifter diesem fatalen Beispiel folgen werden und wir in den nächsten Monaten ähnliche Bilder aus anderen Camps in der Ägäis und auch in Deutschland sehen werden.
Motto: „Was mir nicht gefällt, das brenne ich einfach nieder, zwinge meinem Gastgeber zum Handeln und beweise, dass der Zweck eben doch jedes Mittel heiligt.“
Wieder handelt Deutschland ohne jede europäische Unterstützung, unbeeindruckt nach dem Grundsatz „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“; denn selbst Ihre grünen Brüder und Schwestern in Österreich haben das als Kardinalfehler begriffen und lehnen die Aufnahme von Migranten ab. Ja, selbst die griechische Regierung nennt Ihr zügelloses Helfersyndrom gefährlich.
Meine Damen und Herren, trotzdem benötigen, wie jetzt, viele Tausend obdachlos gewordene Migranten auf Lesbos schnelle und unkomplizierte Hilfe. Die Lösung kann aber doch nicht ernsthaft darin bestehen, allen Betroffenen ein Flugticket nach Deutschland in die Hand zu drücken und sie am besten auch noch mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel auszustatten.
Wer solche oder ähnliche Forderungen aufstellt, der handelt nicht nur verantwortungslos, sondern gegen jeden gesunden Menschenverstand. Damit lösen Sie doch kein einziges der bestehenden Probleme, sondern Sie schaffen weitere.
Sie unterschätzen erneut die gigantische Signalwirkung, die eine solche Umsiedlungsaktion auf Millionen Migrationswillige in den sogenannten Asylherkunftsländern hätte, die ihr Leben kriminellen Schleppern anvertrauen werden, nur um auf die griechischen Inseln zu gelangen. Die Entsendung des Technischen Hilfswerks mit Hilfsgütern ist der richtige Schritt; die Entsendung von Passagiermaschinen ist der falsche Schritt.
Noch etwas: Bei zwei Dritteln aller Zuwanderer auf Lesbos handelt es sich um abgelehnte oder illegale Asylbewerber. Diese Personen haben substanziell kein Recht, weiter in die Europäischen Union zu reisen,
weshalb die EU die griechischen Behörden endlich bei der Abschiebung unterstützen muss und gleichzeitig mehr finanzielle Rückkehrunterstützung gewähren sollte.
Herr Baldauf, Ihre Forderungen sind aller Ehren wert, aber es gibt keinen gemeinsamen europäischen Asylkonsens, geschweige denn irgendeinen funktionierenden Verteilmechanismus innerhalb Europas. Ich sage Ihnen, an dieser Situation wird sich auch nichts ändern; denn die Mitgliedstaaten Osteuropas werden sich auch in Zukunft aus gutem Grund weigern, eine selbstzerstörerische Willkommenskultur zu übernehmen, wie sie Ihre Kanzlerin seit 2015 erfolglos und zum Schaden des deutschen Volkes propagiert hat.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin überrascht, dass Sie überhaupt anerkennen, dass dort eine Notlage vorliegt. Das hätte ich ehrlich gesagt nicht so erwartet, aber die Konsequenz von uns ist natürlich eine ganz andere als von Ihnen. Die Dinge, von denen Sie sprechen, kann man manchmal absolut nicht verstehen. Sich über Zahlen zu streiten, ist absolut das Falsche.
Wir haben zwei Dimensionen, einmal das Jetzt: Die akute Notlage von 13.000 Menschen, die mit ihren Kindern, mit ihrem kleinen Hab und Gut, das überhaupt noch übrig geblieben ist, überall auf den Straßen hausen. Noch ist das sicherlich möglich, aber wenn man schaut, dass die griechische Regierung die Menschen erst einmal gar nicht weiterziehen lassen will
Wir sind als Politikerinnen und Politiker gefordert, aus unserer humanitären Verantwortung heraus zu handeln.
(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD – Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut, Jaqueline!)
Die Bilder erfordern von uns eine menschliche Reaktion. Ich will jetzt nicht auf die Einzelschicksale eingehen, aber schon die Zustände, die vorher geherrscht haben, waren unvorstellbar. Der Ausschuss für Migration war vor einigen Jahren in Griechenland und hat sich dort mit der Küstenwache und mit vielen Non-Governmental Organizations (NGOs) ausgetauscht, die dort tätig sind. Die Situation ist schon sehr lange so.
Wir wissen, dass wir in Rheinland-Pfalz unseren Beitrag leisten können. Wir haben auch zugesagt, dass wir das wollen. Wir haben Platz für die Menschen, die kommen. Wir haben einen Königsteiner Schlüssel. Wir haben auch die Aufnahmekapazitäten, das heißt, wir können die Menschen, die im Rahmen dieses Abkommens aufgenommen werden, hier aufnehmen.
Wenn man sieht, wie viele unserer Kommunen sich zu sicheren Häfen erklärt und gesagt haben, wir haben Platz für diese Menschen, dann frage ich mich, warum Sie sagen – das ist in jeder Debatte seit den letzten Jahren so –, die Menschen haben besondere Belastungen durch die Flüchtlinge erlebt.
Wenn ich mir anschaue, was sich in den letzten vier oder fünf Jahren entwickelt hat und dann 1.500 Menschen herunterrechne auf Rheinland-Pfalz und auf jede einzelne Kommune, dann sage ich, sie bemerken es wahrscheinlich noch nicht einmal, wenn ein Mensch in einem Ort noch dazukommt, dem aber geholfen wird. Das ist schon einmal eine große Sache.
Wir können endlich einmal schauen, ob man die festgefahrenen Verhandlungen der letzten Jahre aufbrechen kann, wenn man das will. Ich muss aber ganz ehrlich in Richtung CDU/CSU, die in Berlin mit an der Regierung ist, sagen, es gab Länder, die auch gerne darüber hinaus Aufnahmeprogramme machen wollten, aber sie wurden grundlegend von Seehofer abgelehnt.
Es kann doch nicht sein, wenn es Länder gibt, die sagen, wir möchten das machen, dass dann nicht gesagt wird, in Ordnung, wir genehmigen euch das, ihr könnt es gerne machen.
Entschuldigung. Die ständigen Zwischenrufe sind einfach inakzeptabel. Sie können hier auch ausreden. Lassen Sie bitte Frau Rauschkolb vernünftig reden, damit andere, die zuhören wollen, das verstehen können.
Dieser Brand ist schon vor einer Woche passiert. Ich sage schon auch, dass es schwierig ist, es zu bewerten, wenn ein solches Lager angezündet wird. Das kann nicht die Lösung sein. Wenn man sich aber die Menschen anschaut, die dort hausen, Kinder, die dort ihre Kindheit verleben, dann ist es einfach an uns allen, alle anzuschreiben, unsere Europaabgeordneten, die Bundestagsabgeordneten, und zu sagen, wir müssen eine Lösung schaffen.
Wir müssen überlegen, was für uns eine humanitäre Flüchtlingspolitik in Europa ist, angesichts dessen, wie es dort ist. Das ist nur einer der Hotspots. Wenn man sich die Lager in Süditalien und Spanien anschaut, in denen die Menschen auch sind und sich quasi selbst überlassen werden, dann kann es nicht sein, dass wir gut schlafen können, wenn diese Situation in unserem Europa so stattfinden kann. Deswegen auch die Bitte an alle, die hier sind, sich darüber hinaus, über diese Notlage hinaus dafür einzusetzen.
Ich habe auf dem Weg nach Mainz ein Transparent an einem Balkon gesehen, auf dem stand „Wir haben Platz“. Ich muss ganz ehrlich sagen, es ist im Moment der richtige Weg, dass wir den Menschen unsere Solidarität zusagen.