Protokoll der Sitzung vom 17.09.2020

Die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte, Leutheusser-Schnarrenberger, hat erst vor Kurzem einen verfestigten Antisemitismus in der Gesellschaft beklagt. Gefahr drohe nicht nur von Rechtsextremisten, sondern auch von dschihadistischen und salafistischen Extremisten, die Juden- und Israelhass propagierten.

Die CDU-Fraktion will diese Realität offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen. Sie bedient selbst jene politische Korrektheit, die sie im Antrag beklagt. Der Grund dafür dürfte sein, dass ihre eigene Kanzlerin mit einer verfehlten Migrationspolitik wesentliche Mitverantwortung für die genannten Probleme trägt.

(Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD)

Anstatt sich den Problemen zu stellen und entsprechend zu handeln, zieht man es vor, sie zu verschweigen. Das ist eine unverantwortliche Vogel-Strauß-Politik, die für unse

re jüdischen Mitbürger zunehmend zu einer ernsthaften Bedrohung wird, und das kritisieren wir an dieser Stelle sehr deutlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Ähnlich diffus sind die im Antrag geforderten Maßnahmen, die sich auf den Bereich Schule erstrecken. So möchte die CDU mehr Geschichtsunterricht zur Vermittlung von Ursachen und Gründen des Antisemitismus und eine Ergänzung des Sozialkundelehrplans in der Sekundarstufe I, damit Migrationsthemen und Polarisierungsentwicklungen besprochen werden können. Zudem soll die Art der Inhaltsvermittlung überarbeitet werden. Wie genau das geschehen soll, darüber verliert der Antrag kein einziges Wort.

Fakt ist, dass diese Inhalte in den aktuellen Lehrplänen bereits enthalten sind, und das ist gut so. Jeder Schüler in Rheinland-Pfalz setzt sich in seiner Schulzeit mehrfach mit dem Holocaust auseinander: im Geschichtsunterricht unterstützt durch Gedenkstättenbesuche, aber auch im Deutschunterricht über literarische Bearbeitungen.

Die didaktischen und pädagogischen Zugänge sind hier nahezu unbegrenzt, und keine verantwortungsvolle Lehrkraft wird diesen Themenkomplex unbehandelt lassen, gerade weil er essenziell für die Demokratieerziehung in Deutschland ist.

Worin der Mehrwert einer quantitativen Erweiterung der unterrichtlichen Bearbeitung des Nationalsozialismus liegen soll, erschließt sich uns nicht; denn die kognitive Auseinandersetzung mit diesem Thema reicht ganz offensichtlich nicht aus, problematische Einstellungen bei Heranwachsenden zu verhindern. Viel wichtiger als eine von oben verordnete politische Bildung ist das Wertegerüst, das Kinder und Jugendliche in der Familie erhalten. So wäre es mir persönlich auch ohne die schulische Aufklärung über Antisemitismus und Nationalsozialismus niemals in den Sinn gekommen, die millionenfache Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung von Menschen zu verharmlosen oder gar gutzuheißen, weil ich aus einem christlichen Elternhaus stamme, in dem der Respekt vor jedem einzelnen als einem Geschöpf Gottes nicht nur mit Worten erklärt, sondern vor allem überzeugend vorgelebt wurde.

Umgekehrt wird sich ein von klein auf zu einem fanatischen Antisemiten erzogener Islamist durch den Besuch eines Konzentrationslagers nicht zwangsläufig in einen toleranten Bürger verwandeln, der seinen jüdischen Mitmenschen mit der gebotenen Wertschätzung begegnet.

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass Rassismus und Antisemitismus durch eine gute Wertevermittlung im Elternhaus besser bekämpft werden können als durch zehn zusätzliche Sozialkundestunden zu diesen Themen, die Auslobung eines weiteren Preises für die inflationär und jetzt auch von der CDU beschworene Vielfalt und Toleranz sowie das gefühlt tausendste Bekenntnis gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit.

Der Schaffung eines Lehrstuhls für Jüdische Geschichte in Mainz stehen wir grundsätzlich offen gegenüber. Wir weisen allerdings darauf hin, dass die Kosten für ein solches Projekt vermutlich über jenen 250.000 Euro liegen würden, die wir im Rahmen der Haushaltsberatungen im Jahr 2018 für eine bessere theologische und seelsorgerische Betreung für jüdische Gemeinden in Rheinland-Pfalz gefordert haben.

Meine Damen und Herren von der CDU, diesen Vorschlag haben auch Sie seinerzeit abgelehnt. Wir fragen uns schon, ob es angesichts der zurückgehenden Mitgliederzahlen der jüdischen Gemeinden nicht wichtiger wäre, sie hier zu unterstützen, als zu den bereits vorhandenen wissenschaftlichen Einrichtungen im Forschungsbereich Jüdische Geschichte eine weitere hinzuzufügen;

(Beifall bei der AfD)

denn gerade die Präsenz jüdischen Lebens als ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft ist für die Prävention antisemitischer Tendenzen von ganz entscheidender Bedeutung.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, der CDU-Antrag ist unausgegoren, handwerklich schlecht gemacht und wird der Bedeutung des wichtigen und guten Anliegens leider nicht gerecht. Wir lehnen ihn daher ab.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen des Abgeordneten Frisch hat sich der Abgeordnete Dr. Weiland gemeldet. Er hat das Wort.

Herr Präsident! Herr Kollege Frisch, ich finde, neben vielem, was man zu Ihren Ausführungen sagen könnte, haben Sie eine Chance verpasst. Sie haben nämlich die Chance verpasst, sich von dem Mob zu distanzieren, der in Berlin versucht hat, den Reichstag zu stürmen. Das waren Ihre Freunde, die dort am Werk waren. Das muss hier einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Das sind Ihre Geistesverwandten, die dort versucht haben, das Deutsche Parlament zu stürmen. Das ist die erste Aussage. Das hören Sie nicht gern, das hören Sie nicht gern.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist eine Unverschämtheit! – Abg. Uwe Junge, AfD: Das ist unwürdig! Wir kennen Sie so nicht! Warum machen Sie das? – Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD)

Stattdessen stellt sich Herr Frisch hierhin – –

(Zurufe aus dem Hause)

Der Abgeordnete Dr. Weiland hat das Wort.

Danke, Herr Präsident.

und rekurriert auf seine katholische Erziehung.

(Zurufe der Abg. Giorgina Kazungu-Haß und Martin Haller, SPD – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Herr Frisch, die kann ich Ihnen gar nicht absprechen, die will ich Ihnen auch gar nicht absprechen, nur dann müssen Sie hier auch einmal sagen, wie Ihre christliche Erziehung zu der identitären Philosophie und Ideologie passt, die zur DNA Ihrer Partei gehören.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese identitäre Ideologie, die zur DNA Ihrer Partei gehört, ohne die Ihre Partei überhaupt nicht denkbar wäre, – –

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist doch Unsinn! Trauriger Unsinn! – Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: Kubitschek! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Der ist doch gar nicht bei uns! Plärren Sie doch nicht herum! Sie haben keine Ahnung! – Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: Ach, Sie haben keine Ahnung!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Abgeordneter Dr. Weiland hat das Wort.

diese identitäre Ideologie ist der neue Rassismus;

(Abg. Uwe Junge, AfD: Das nennt man Patriotismus, den Sie aufgegeben haben!)

denn unter dem Begriff des Ethnopluralismus wird nichts anderes verbreitet als die nationalsozialistische Rassentheorie, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU, der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu muss man sich dann hier auch einmal verhalten, wenn man ständig auf seine christliche Erziehung pocht.

(Anhaltend Beifall der CDU, Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Hedi Thelen, CDU: So ist das!)

Zur Erwiderung hat der Abgeordnete Frisch das Wort.

Sehr geehrter Herr Dr. Weiland, ich habe eigentlich geglaubt, der Antrag solle dazu dienen, Antisemitismus, Rassismus und andere Formen der Ausgrenzung in unserer Gesellschaft hier deutlich zu benennen

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Wir sind genau beim Thema!)

und gemeinsam zu überlegen, wie wir diese Dinge zurückdrängen können.

Ich habe jetzt den Eindruck, der Antrag hatte ein ganz anderes Ziel. Es ging darum, uns vorzuführen, uns in eine Ecke zu drängen. Das haben Sie hier eindrucksvoll bestätigt.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der SPD)

Ich kann Ihnen eine klare Antwort auf Ihre Fragen geben. Von diesem Mob, von dem Sie gesprochen haben, müssen wir uns nicht distanzieren. Wir haben mit diesen Leuten nichts zu tun.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Genau so ist es! – Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD – Weitere Zurufe von der SPD)

Es ist eine ungeheuerliche Verleumdung, wenn Sie hier von unseren „Freunden“ sprechen.