Protokoll der Sitzung vom 12.11.2020

An die FDP-Fraktion gerichtet erinnere ich daran, dass der FDP-Jugendminister aus Nordrhein-Westfalen, Herr Joachim Stamp, das Anliegen von Herrn Rörig sofort umgesetzt hat. Es gibt in Nordrhein-Westfalen jetzt einen Landesbeauftragten und 4,5 Stellen, die Unterstützung leisten. Gut so.

Drittens: Ich fordere die Landesregierung auf, das Landesdisziplinargesetz zu reformieren, damit Akten von übergriffigen Personen nicht nach maximal sieben Jahren vernichtet werden. Hier gibt es Datenerfassungslücken. Ein regelmäßiges Monitoring, wie es die Kinderrechtskonvention der UN fordert, ist nicht möglich, wenn wir die Daten nicht haben. Wenn ich zwischen Datenschutz und Kindeswohl entscheiden müsste, so wäre das höherrangige Rechtsprinzip auf jeden Fall das Kindeswohl.

Abschließend möchte ich erwähnen, ich habe alle Fraktionen des rheinland-pfälzischen Landtags angeschrieben und um Unterstützung meiner Forderungen gebeten.

(Glocke der Präsidentin)

Der CDU-Antrag kommt dem ein großes Stück entgegen. Zum Schluss sage ich: Ich fordere die Fraktionen auf, auf der Sachebene zu entscheiden und nicht in die übliche Verfahrensweise zu verfallen, die hinschaut, von wem ein Antrag oder eine Initiative kommt.

(Beifall der AfD)

Es geht um Kindeswohl, nicht um Parteipolitik.

(Glocke der Präsidentin)

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Anne Spiegel.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag enthält wichtige Punkte, die auch wir als Landesregierung im Kampf gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder unterstützen; denn eines ist klar: Jeder Fall ist einer zu viel. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Kinder zu schützen. Wir alle tragen jeden einzelnen Tag Verantwortung. Wir tragen viel Verantwortung; denn man muss sich immer vor Augen halten: So etwas zerstört eine Kinderseele, und es hinterlässt Narben, die manchmal nie wieder verheilen.

Die dramatischen Fälle in Staufen, Lüdge und Bergisch Gladbach haben uns klar gezeigt, wo rechtlicher Handlungsbedarf liegt. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung das Thema eines besseren strafrechtlichen Schutzes von Kindern vor sexueller Gewalt in einem Gesetzentwurf aufgegriffen hat, der derzeit im Bundesrat zur Beratung ansteht. Wir haben aber auch im Bundesrat immer wieder darauf hingewiesen, dass Strafverschärfungen allein zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt nicht ausreichen.

Unter anderem setzen wir uns dafür ein, Schutzkonzepte zum Schutz vor körperlicher, sexualisierter und psychischer Gewalt sowie vor Machtmissbrauch verpflichtend für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vorzusehen. Genauso wichtig wie ein effektives Strafrecht ist es, präventive Maßnahmen umzusetzen, Beteiligungs- und Beschwerderechte zu stärken und Beratungsangebote für die Opfer zu verbessern.

Es gibt bereits eine Vielzahl an Maßnahmen der Landesregierung beispielsweise zur Prävention, Opferarbeit und Täterarbeit. Wir haben innerhalb der Landesregierung Ende vergangenen Jahres eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zum Thema der sexualisierten Gewalt gegen Kinder initiiert. Diese soll die vorhandenen Maßnahmen bündeln und identifizieren, welche zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sind.

Anfang diesen Jahres fand ein erster interministerieller Austausch der einschlägigen Ressorts zum Thema „Sexuelle Gewalt gegen Kinder“ statt. Im ersten Schritt haben wir uns darauf verständigt, ein umfassendes Bild über die Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt an Kindern zu erstellen. Wir haben als Landesregierung diesen Prozess aufgesetzt, um gemeinsam zu prüfen, wie wir noch besser im Schutz von Kindern werden können und müssen und wo die konkreten Handlungsbedarfe noch liegen.

Für den 19. November hat mein Ministerium auch zu einem digitalen Fachgespräch eingeladen, an dem die involvierten Ressorts teilnehmen und mit bundesweiten Expertinnen und Experten diskutieren werden. Ich freue mich sehr, dass es unter anderem gelungen ist, den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, ebenso wie Kerstin Claus, die dem Betroffenenrat beim Bundesbeauftragten angehört, zu gewinnen. Wir werden im Rahmen dieses Fachgesprächs in der kommenden Woche sicherlich

auch die Frage der Einrichtung einer landesweiten Beauftragtenstelle gegen sexuelle Gewalt an Kindern diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin zurückhaltend, ob die Schaffung einer solitären Stelle auf Landesebene der richtige Weg ist. Wir dürfen nicht vergessen, Kinderschutz ist mehr als der Schutz vor sexueller Gewalt. Sie alle erinnern sich sicherlich noch an den Tod des kleinen Kevin im Oktober 2006 in Bremen. Die Betroffenheit über den Tod und das Erkennen des Versagens der Systeme hatte dazu geführt, dass wir heute Bundes- und Landeskinderschutzgesetze haben. Kevin war kein Opfer von sexueller Gewalt, sondern Opfer schlimmster körperlicher Misshandlungen und Vernachlässigungen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Kinderschutz in all seinen Facetten als umfassende Aufgabe aller begriffen wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Da der vorliegende Antrag auch ausdrücklich auf Kita und Schule eingeht, möchte ich im Namen meiner Kollegin Ministerin Hubig hervorheben: Die Prävention sexualisierter Gewalt in Kitas und Schulen ist ein zentrales Anliegen dieser Landesregierung. Die Rechte von Kindern durch geeignete Verfahren der Beteiligung und Möglichkeit der Beschwerde zu sichern, wurde im Kitagesetz festgeschrieben.

Hinsichtlich der schulischen Schutzkonzepte verfolgt die Landesregierung die Strategie, Schulen kontinuierlich und breit dazu zu ermutigen, Schutzkonzepte auf der Basis existierender Strukturen zu entwickeln und sich nachhaltig mit externen Fachstellen zu vernetzen. Dies unterstützt das Land sowohl finanziell als auch personell.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kinderschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss das auch dringend bleiben. Nur wenn alle gesellschaftlichen Kräfte zusammenwirken, können wir einen wirksamen Kinderschutz erreichen. Aus meiner Sicht braucht es bei diesem wichtigen Thema eine gemeinsame intensive fachliche Diskussion. Deshalb spreche ich mich für eine Behandlung dieses wichtigen Themas im für Familie zuständigen Ausschuss aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wurde Ausschussüberweisung beantragt, und zwar an den Ausschuss für Familie, Jugend, Integration und Verbraucherschutz – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Bildung. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Das ist einstimmig der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf:

Solidarität mit unseren Einsatzkräften: mit „Schutzschleifen“ demonstrativ ein Zeichen setzen! Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/13573 –

Die Fraktionen haben auch hier eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Wer spricht für die AfD-Fraktion? – Fraktionsvorsitzender Junge.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Religiös, kulturell und auch politisch motivierter Terror wütet in europäischen Großstädten und offenbart das vollkommene Scheitern moralisierender und beschwichtigender Politik der vergangenen Jahre. Egal ob Paris, Wien, Berlin, Frankfurt oder Ingelheim: Wo Fäuste, Steine und Brandsätze fliegen, stehen unsere Einsatzkräfte in der ersten Reihe, um Leben, Rechte und Besitz der Bürger zu schützen. Deshalb sind wir unserer Polizei, den Feuerwehren und den Ordnungs- und Rettungsdiensten grundsätzlich Dank und Anerkennung schuldig.

(Beifall der AfD)

Frau Ministerpräsidentin hat das gestern in ihrer Regierungserklärung noch einmal sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Wenn sie nicht in regionalen Großlagen Überstunden anhäufen oder zur Beruhigung linksextremistischer Hotspots in die Republik geschickt werden, schlichten sie Streitigkeiten, retten Katzen aus Bäumen, löschen angezündete Autos unliebsamer Politiker oder versorgen Verletzte. Sie arbeiten auf Zuruf bei jedem Wetter und widrigsten Bedingungen ohne politische, religiöse, kulturelle oder andere Vorbehalte. Für sie sind alle Menschen gleich, und für sie geben sie alles, wenn es sein muss, auch ihr Leben.

Unsere Einsatzkräfte sind die Helden des immer bedrohlicher werdenden Alltags. Man sollte meinen, eine Gesellschaft, die für sich selbst ein solch hohes Maß an moralischer Überlegenheit in Anspruch nimmt, würde eine solche Aufopferung und Pflichtbewusstsein zu schätzen und zu würdigen wissen. Doch ist das wirklich so?

Bis an das Ende der 60er-Jahre war der Uniformträger eine Respektperson. Dann begann mit den 68ern der schleichende Verfall und die Verächtlichmachung jeder staatlichen Autorität. Ich selbst wurde als Uniformträger schon in den 80er-Jahren als junger Soldat auf offener Straße in Düsseldorf angespuckt.

Mit der Abschaffung von Wehrpflicht und des Zivildienstes lernten junge Generationen nicht mehr, was es bedeutet, Uniform zu tragen, auch einen Ehrendienst für andere zu leisten und Verantwortung zu übernehmen, auch wenn es schwer fällt. Das Resultat ist Respektlosigkeit gegenüber allem und jedem, was nicht zum eigenen Interessenkreis gehört. Wer anders denkt und anders handelt, der wird verhetzt, der wird zum Problem erklärt und zur Ausgrenzung freigegeben.

In einer Zeit, in der die Kompromissfindung mittels Dialog zu einer unbequemen Last geworden ist, rücken Radikalisierung und Gewalt immer mehr in den Vordergrund. Die gesellschaftliche Ordnung wird durch Radikale jeder Couleur zunehmend destabilisiert. Die Leidtragenden sind dann jene, die den undankbaren und oft auch schlecht bezahlten Auftrag haben, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Je nach Motivation der Aggressoren werden unsere Einsatzkräfte zum Hassobjekt kulturfremder Parallelgesellschaften oder zum Symbol eines aus ihrer Sicht verachtungswürdigen Systems, das wir freiheitlich demokratische Grundordnung nennen.

Meine Damen und Herren, wer die Bilder von „Liebig 34“, Ingelheim, der sogenannten Partyszene in Frankfurt und Stuttgart wahrgenommen hat, wer den grausamen menschenverachtenden Angriff auf einen Polizeibeamten in Andernach nicht ignorieren kann, der kann nicht bestreiten, dass unsere Einsatzkräfte längst in einer Realität angekommen sind, die von den Medien und auch von der Politik immer noch verharmlost und verleugnet wird. Stattdessen wird mit haltlosen Rassismusvorwürfen um sich geworfen oder gleich einmal die Polizei zur Entsorgung freigegeben.

Meine Damen und Herren, es ist genau diese Haltung, die die Pflichterfüllung unserer Einsatzkräfte herabwürdigt und mit Dreck bewirft. Kollegen, es ist an der Zeit, dass wir unseren Einsatzkräften den Respekt zollen, den sie sich jeden Tag eigentlich schon längst verdient haben. Wir müssen unsere Bürger dafür gewinnen, sich mit den Menschen zu solidarisieren, die täglich für ihre Sicherheit und Gesundheit einstehen und nicht mit jenen, die dem nächstbesten Polizisten aus Wut, Hass oder ideologischer Verblendung Pflastersteine an den Kopf werfen wollen.

Die schwarz-grüne hessische Landesregierung hat mit der blau-weiß-roten Schutzschleife eine Kampagne ins Leben gerufen, die es jedem Bürger ermöglicht – auch uns –, den Einsatzkräften sichtbar Respekt zu zollen und in der Öffentlichkeit offen Solidarität zu zeigen. Die Schleife in der Öffentlichkeit selbst zu tragen oder am eigenen Fahrzeug angebracht, erzeugt bereits eine positive Außenwirkung.

Meine Damen und Herren, es ist kein Geheimnis, dass die Altfraktionen dazu neigen, unsere Anträge pauschal abzulehnen, aber hier geht es einmal nicht um die AfD. Es geht um die Menschen, die jeden Tag einen anspruchsvollen, gesellschaftlich ungeheuer wichtigen Dienst frei von jeglicher politischer Agenda erfüllen.

Wenn sich die roten oder braunen Schläger und Verfassungsfeinde in unserem Land den Antifa-Pin oder „All Cops Are Bastards“-Buttons an ihre Jacken heften oder andere Spinner mit der Reichskriegsflagge herumlaufen, dann sollten die Rechtschaffenden und die Demokraten diesen Leuten auch in der Öffentlichkeit mit einer deutlichen Sympathiesymbolik für Staat und Exekutive begegnen, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD)

Gönnen Sie unseren Helden – ich nenne sie bewusst so – und Rheinland-Pfalz die Schutzschleife als offizielles Symbol der Solidarität mit unseren Einsatzkräften, und unterstützen Sie unseren Antrag.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Für die Koalitionsfraktionen erteile ich dem Abgeordneten Wolfgang Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Arbeit von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften verdient unsere Wertschätzung, unseren Respekt und unsere Anerkennung; denn all diese Einsatzkräfte sorgen tagtäglich für unsere Sicherheit, unseren Schutz und bieten Hilfe für alle Menschen, die in diesem Land leben. Dafür spreche ich im Namen der regierungstragenden Fraktionen auch unseren ganz herzlichen Dank aus.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist deshalb umso unerklärlicher, dass diese Kräfte beleidigt, angespuckt, beschimpft, ja sogar körperlich angegriffen werden. Dies sind Angriffe auf unsere Gesellschaft, auf unseren Rechtsstaat und auf unsere Werte. Eine solche Entwicklung darf durch unsere Gesellschaft nicht hingenommen werden. Wer dafür sorgt, dass wir 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr ruhig und sicher in unserem Land leben können, wer uns schützt und hilft, denen müssen auch wir mit all unserer Kraft beistehen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Uwe Junge, AfD)

Wir Koalitionsfraktionen tun dies und verurteilen genauso wie unsere Landesregierung dieses verabscheuenswürdige Phänomen in aller Schärfe. Wir nehmen diese schreckliche und brutale Entwicklung auch nicht hin. Werte Kolleginnen und Kollegen, schon jetzt besteht eine kontinuierliche Ansprache und Sensibilisierung der Bevölkerung zu Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Einsatz- und Rettungskräften. Aus unterschiedlichen Richtungen und von verschiedenen Einrichtungen gibt es verschiedene Aktionstage und Kampagnen. Beispielhaft nenne ich hier „HELFER sind TABU!“, „Helfende Hände schlägt man nicht!“, „Respekt. Bitte!“, Woche des Respekts.