Protokoll der Sitzung vom 06.10.2016

Genau, das will ich gar nicht.

(Weitere Zurufe aus dem Hause)

Ich würde jetzt gern in meiner Rede fortfahren.

Dass Sprache selbstverständlich eine hochpolitische Dimension hat, wird auch auf der Ebene der Europäischen Union deutlich, wo das Deutsche in Brüssel, Straßburg oder in Luxemburg noch mehr als das Französische im

Vergleich zum immer dominanteren Englisch seit langer Zeit ins Hintertreffen gerät. Der Hinweis auf die fraglos vorhandene Rolle des Englischen als Weltsprache und wichtigste Verkehrssprache im heutigen Europa wird der enormen Tragweite dieser Entwicklung nicht gerecht; denn wenn – angefangen bei der Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft – das Deutsche in immer mehr Lebensbereichen durch Begriffe aus dem Englischen bzw. aus dem US-amerikanischen Englisch verdrängt wird, ist dies nicht nur ein identitäts- und machtpolitisches Problem.

(Beifall der AfD)

Aus dem Verzicht auf einen gleichberechtigten, nämlich durch die eigene Muttersprache, gewährten Zugang zu Dokumenten aller Art sowie zu Forschung und Spitzentechnologien resultiert zugleich ein schwerwiegender Wettbewerbsnachteil; denn nur sehr wenige Deutsche beherrschen das Englische auf muttersprachlichem Niveau. Der historische Einschnitt des Brexit bietet vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, die Gewichtung der drei EU-Arbeitsund -Verfahrenssprachen im Sinne einer größeren Verhältnismäßigkeit zu verschieben.

Durch das absehbare Ausscheiden Großbritanniens mit seinen aktuell rund 64 Millionen englischsprachigen Bewohnern verringert sich die Zahl jener Länder mit Englisch als Erstsprache auf die 4,6 Millionen Bürger der Republik Irland sowie etwa 425.000 Malteser. Diesen stehen aktuell fast 90 Millionen deutsche Muttersprachler in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich, Luxemburg, Dänemark, Belgien und anderswo gegenüber.

Während die Zahl der englischen Muttersprachler damit von einem bisherigen Gesamtanteil von circa 13 % auf die geringe Quote des Dänischen zurückfällt, steigt der Anteil des Deutschen von bislang etwa 18 % aller EU-Bürger auf 21 %, der des Französischen als der dritten zentralen EU-Arbeits- und -Verfahrenssprache von 14 % auf künftig 17 %.

Die AfD-Fraktion fordert die rheinland-pfälzische Landesregierung vor diesem Hintergrund dazu auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um gegenüber der Bundesregierung über die eigene Vertretung in Brüssel und natürlich im Bundesrat eine Stärkung der deutschen Sprache als Arbeitssprache und als Verfahrenssprache in den Gremien der Europäischen Union einzufordern.

(Beifall der AfD)

Wir können und sollten hier als Deutsche ruhig selbstbewusster auftreten. Eine gerechtere und demokratischere Regelung der Sprachenfrage innerhalb der Europäischen Union wäre auch im Interesse von Rheinland-Pfalz und seinen Bürgern und Wirtschaftsunternehmen, und es wäre ein starkes Bekenntnis zu mehr Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit in Europa.

(Glocke des Präsidenten)

Wir sollten uns hier und heute zu solch einem überparteilichen Bekenntnis durchringen, auch wenn Ihnen das sehr schwerfällt; das wissen wir mittlerweile.

(Zurufe von der SPD: Die Redezeit ist zu Ende!)

Deshalb bitten wir Sie, unterstützen Sie unseren Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Seekatz für die CDUFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir machen es auf Deutsch. Auf Westerwälderisch könnte ich es auch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag der Fraktion der AfD für mehr Sprachenvielfalt und Sprachengerechtigkeit in der EU ist schon für einen überzeugten Europäer starker Tobak.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Es stellt sich die Frage, ob das Pochen auf mehr Sprachengerechtigkeit in Zeiten zunehmender nationaler Tendenzen innerhalb der EU einer Integration Europas nicht eher abträglich ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall der CDU)

Ganz abgesehen davon, dass es in Europa angesichts von Schulden und Flüchtlingskrise sicherlich drängendere Probleme zu besprechen gilt.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich persönlich halte nichts davon, Sprachen nach reinem Proporzdenken oder aus nationaler Eitelkeit heraus gegeneinander aufzuwiegen. Wie soll Europa weiter zusammenwachsen, wenn wir nationale Eigenständigkeiten befördern und wenn jedes Land den Stellenwert seiner Sprache aufgewertet wissen will?

Den Brexit als Vorwand zu benutzen, um mehr Sprachenvielfalt und Sprachengerechtigkeit einzufordern, halte ich für realitätsfremd. Fakt ist, Englisch nimmt als Weltsprache und als wichtige Verkehrssprache eine Sonderstellung in der EU ein, auch wenn Großbritannien in naher Zukunft nicht mehr in der Union sein wird.

Mit 38 % ist Englisch die meistgesprochene Fremdsprache in Europa, weit vor Französisch mit 12 %, Deutsch mit 11 % und Spanisch mit 7 %. Englisch ist in 76 % aller EUMitgliedstaaten, in denen es keine offizielle Landessprache ist, am weitesten verbreitet. In der EU haben wir derzeit 24 Amtssprachen und drei Arbeitssprachen – Englisch, Französisch und Deutsch –, die benutzt werden können, wenn keine Dolmetscher bereitstehen.

Als wichtigste dieser Arbeitssprachen hat sich Englisch nun einmal durchgesetzt, das von der Hälfte der 506 Mil

lionen Bürgerinnen und Bürger in den 27 Mitgliedstaaten verstanden wird. Vor allem die Osterweiterung der EU 2004 hat dazu beigetragen, weil in Polen und in den baltischen Ländern Englisch als Fremdsprache weitaus geläufiger ist als Deutsch oder Französisch.

Warum also etwas herbeiführen wollen, dessen Umsetzung aus besagten Gründen ohnehin äußerst fraglich ist? Laut Artikel 342 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU müssen Änderungen des EU-Sprachenregimes einstimmig von den 27 Mitgliedstaaten beschlossen werden. Zudem wären solche Änderungen zeit- und arbeitsintensiv und würden auch noch eine Menge Geld kosten.

Anstatt kleinkarierte Debatten über Sprachengerechtigkeit zu führen, sollten wir auf lange Sicht zu einer einheitlichen EU-weiten Verkehrssprache kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn Vielsprachigkeit in Europa erschwert die europäische Integration und mindert die Stellung der EU in der Welt. Wer mit einer Sprache spricht, verleiht gerade im Zeitalter der Globalisierung seinen Worten bekanntlich mehr Gewicht.

(Beifall der CDU)

Vor diesem Hintergrund sind Forderungen nach einer gerechteren Regelung der Sprachenfrage wenig hilfreich, um das Zusammenwachsen in Europa weiter voranzubringen. Deshalb lehnen wir eine solche Forderung ab, auch wenn sie schon einmal – das haben wir recherchiert – im April 2015 mit dem gleichen Tenor in einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU und SPD im sächsischen Landtag gestellt wurde.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Seekatz. Es hatte sich Herr Abgeordneter Weber von der Fraktion der FDP gemeldet.

(Abg. Marco Weber, FDP: Nein!)

Nein? Das war hier so angekommen. Dann hat Frau Lemke für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

(Staatsminister Roger Lewentz: Rock noch mal richtig den Laden!)

Das ist auch ein englischer Begriff. Rock ’n’ Roll. Elvis Presley. Oh Mann, das hat auch etwas bedeutet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ersten waren aber die Nürnberger Prozesse. Sie waren die Geburtsstunde der Dolmetscher. Wir haben in Germersheim eine Schule – daran darf ich gerne erinnern –, in der 25 Sprachen nicht umsonst vermittelt werden. Die Nürnberger Prozesse haben es notwendig gemacht, dass viele Völker auf unsere Geschichte schauen. Da musste man das übersetzen. Das ist eine besondere Stunde für die Sprachen gewesen.

(Zurufe von der AfD)

Innerhalb Europas – wir haben es eben von Herrn Seekatz gehört, 24 Amtssprachen in 27 Ländern – hat genau diese Erfahrung eine große Rolle gespielt; denn die europäische Dolmetscherkunde ist auf den Nürnberger Prozessen beruhend entwickelt worden, weil man da nämlich erst erfahren hat, was das konsekutive Übersetzen bedeutet und welche Herausforderungen damit verbunden sind. Wenn man Völkerverständigung wirklich als Friedenssprache begreift, ist auch die Kommunikation untereinander wichtig.

Ich möchte so dezidiert darauf eingehen, weil in Ihrem Antrag eine Formulierung enthalten ist, die mich stutzig gemacht hat. Sie bezieht sich auf den muttersprachlichen Zugang von Studierenden auf Forschung und Spitzentechnologie in ihrer eigenen Muttersprache. Man muss sich die Frage stellen, wer wie in diesem Land kommuniziert und wer wo zu was Zugang hat.

Schauen wir doch erst einmal, was die EU gemacht hat. Nach Artikel 24 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) haben alle Unionsbürger das Recht, sich in einer der 24 Amtssprachen nach EU-Vertrag an alle Organe der EU zu wenden und in ihrer Sprache Auskunft zu erhalten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das auch passiert. Es wird in allen Sprachen Auskunft erteilt.

Wir haben eben von Herrn Seekatz schon gehört, dass sich die Anwendung ein bisschen verschoben hat. Das hat sicherlich auch etwas mit Elvis Presley und Kultureinflüssen zu tun, auf die ich nicht detailliert eingehen will. Alle Verträge, also EU-Vertrag, AEU-Vertrag, EURATOMVertrag, sind nach Artikel 55 des EU-Vertrags in allen Amtssprachen verfasst und auch so zugänglich.

Gemäß Artikel 146 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments sind auch alle Schriftstücke des Parlaments in allen Amtssprachen zu verfassen. Ich habe eben schon gesagt, aus eigener Erfahrung weiß ich, dass so auch Auskunft erteilt wird.

(Zuruf des Abg. Martin Louis Schmidt, AfD)

Nein, Sie haben darüber geredet, dass sich das nach dem Brexit und dem Austritt innerhalb der EU anders verteilt. Deswegen müssten wir jetzt dafür sorgen, dass dann möglicherweise eine deutsche Leitsprache Einzug hält.