Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

(Abg. Sven Teuber, SPD: Lassen Sie uns gleich einen Termin machen! Kommen Sie nach Trier, ich komme mal nach Zweibrücken!)

Mache ich, Herr Teuber. Herr Teuber, ich bin hier nicht in meiner Funktion als Mediziner. Es geht mir nicht um einen möglichen Verwaltungsvorteil in der Praxis, sondern um die gesamtgesellschaftlichen Kosten, die das aufwirft, und darum, welche Prozesse wir unter Umständen in Gang setzen. Ich weise auch Herrn Köblers Behauptung zurück, wir würden irgendjemandem medizinisch notwendige Maßnahmen vorenthalten. Das ist nicht richtig.

Frau Ministerin, ich kann meine Kollegin Frau Schneider nur unterstützen. Wenn ich früher mit jeder Schramme zum Doktor gegangen wäre, dann hätte ich dort viel zu tun gehabt und wäre Dauerpatient gewesen.

(Abg. Sven Teuber, SPD: Das machen manche aber genauso wie Flüchtlinge!)

Frau Ministerin, in Ihrer Rahmenvereinbarung ist zu lesen: „Die Rahmenvereinbarung regelt die Kostenerstattung für die gesetzlichen Krankenkassen, die in diesem Fall als Dienstleister für die Kommunen tätig werden und dafür eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 8 % der entstandenen Leistungsaufwendungen, mindestens jedoch zehn Euro pro angefangenem Betreuungsmonat je Leistungsberechtigtem, erhalten.“

Das ist schon erstaunlich. Wenn Sie sich in der Praxis anschauen, wie die Realität aussieht, dann stellt man fest, dass Ihr Problem mit der Gesundheitskarte nicht nur der eine Patient sein wird, der 35.000 Euro Kosten pro anno verursacht, sondern auch die Tausenden Patienten, die 35 bis 50 Euro Kosten pro Quartal oder pro Jahr verursachen. Das sind nämlich die meisten jungen Patienten, die zum Beispiel mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Magen-DarmBeschwerden und muskulären Beschwerden zum Doktor kommen.

Damit 10 Euro 8 % der medizinischen Gesamtkosten entsprechen, muss die Rechnung beim Arzt über 120 Euro betragen. Das heißt, bei allen kleinen Dingen, bei denen eine Ordinationspauschale pro Quartal anfällt, liegt das im Alter zwischen 19 und 54 Jahren bei 26 Euro. Da kommt nicht viel hinzu. Rechnen Sie Rezeptgebühren und Medikamentenkosten von 15 bis 20 Euro hinzu, dann sind Sie in einem Bereich um die 50 Euro, und damit steigt dann der zu zahlende prozentuale Verwaltungsanteil

(Glocke des Präsidenten)

auf 20 % bis 50 % Summe der medizinischen Kosten, und das in der absoluten Mehrzahl der Fälle. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

(Beifall bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, das sind Provisionen, bei denen jeder Versicherungsvertreter blass vor Neid wird!

Ich danke Ihnen.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Köbler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Abg. Sven Teuber, SPD: Wann kommen Sie denn vorbei? – Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: Bald!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Frisch, ganz kurz, weil Sie von „unwürdig“ gesprochen haben: Ich finde, es ist ziemlich unwürdig, dass Sie immer, wenn Ihnen keine Argumente mehr einfallen zu dem, was man im Bereich der Flüchtlinge tun will, sagen, man kann es nicht machen, weil die Deutschen in diesem Land selbst noch zahlreiche Probleme hätten. Ich finde, das ist immer ein ziemlich unwürdiges Gegeneinander-Ausspielen von Menschen unserer Gesellschaft.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Grobe Verzerrung der Realität! – Abg. Michael Frisch, AfD: Wann habe ich das denn gesagt? Das habe ich doch überhaupt nicht gesagt! Zuhören!)

Das haben Sie eben genau so gesagt.

Herr Dr. Gensch, weil Sie eben noch einmal das Thema Verwaltungskosten angesprochen haben. Ich glaube, das ist tatsächlich ein Punkt, in dem die Meinungen ein Stück weit auseinander gehen.

(Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: Herr Köbler, das sind 10 Euro pro Betreuungsmonat!)

Ich glaube, das ist ein Thema, das in jeder Kommune ganz genau betrachtet werden muss, und genau darüber wird ja auch geredet und diskutiert.

Ich sage Ihnen aber zwei Dinge dazu. In der Stadt Trier hat eine sehr, sehr lange Diskussion darüber stattgefunden, und es ist sehr, sehr intensiv geprüft worden, und dies auch, nachdem noch einmal klargestellt worden ist, wie die Frage der Hochleistungskosten und die Frage der Evaluation und möglicher Nachverhandlungen bei der Verwaltungshöhe behandelt werden. Es gab entsprechende Gutachten, die gezeigt haben, dass die ersten Annahmen der Sozialverwaltung einer entsprechenden Überprüfung nicht standgehalten haben. So wird das in jeder anderen

Kommune auch passieren.

Das heißt, Sie sehen am Ende zweier Quartale doch ganz genau, ob die Annahme stimmt, dass die Verwaltungskosten gleich geblieben oder sogar gesunken sind, oder ob die Annahme stimmt, dass sie gestiegen sind. Das sieht man, jenseits von irgendwelchen voreingenommenen Behauptungen, an den konkreten abgerechneten Zahlen. Lassen Sie sich darauf ein!

Eines muss ich Ihnen schon vorwerfen, auch den kommunalen Spitzenverbänden. Es gibt bisher überhaupt keinen empirischen Beweis für die Behauptung, dass durch die Gesundheitskarte die Kosten für die Kostenträger steigen. Es gibt nur Befürchtungen. Es gibt aber empirische Nachweise aus den Ländern Hamburg und Bremen, die die Gesundheitskarte eingeführt haben, dass dies dort sogar zu einem Absinken der Verwaltungsaufwendungen geführt hat.

(Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: Das kann nicht sein! – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, wenn Sie empirisch belegen,

(Glocke des Präsidenten)

dass der Verwaltungsaufwand durch die Einführung der Gesundheitskarte für die Kommunen teurer wird, sind wir sofort bereit, entsprechend nachzusteuern und nachzubessern. Nur, dieser Beweis ist bisher nicht erbracht.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist leider zu Ende.

Deswegen lassen Sie uns auf Basis von Fakten diskutieren und nicht auf Basis irgendwelcher Gefühle, die Sie haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen dem Präsidium nicht vor. Wir schließen damit die Aktuelle Debatte zum Thema Gesundheitskarte für Asylbewerber und kommen zum dritten Thema der

AKTUELLEN DEBATTE

Für ein emanzipiertes Geschlechterbild in den Schulen – Handreichung zum Umgang mit muslimischen Kindern und Jugendlichen überarbeiten auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/2111 –

Für die antragstellende Fraktion hat Frau Fraktionsvorsitzende Klöckner das Wort.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ob man als Junge oder Mädchen geboren wird, kann in vielen Ländern der Welt darüber entscheiden, ob man ein selbstbestimmtes Leben hat oder nicht. Es kann entscheiden über Chancen und Nicht-Chancen, sogar manchmal über Leben und Tod.

Bei uns in Deutschland sind Mädchen und Jungen glücklicherweise gleichberechtigt. Sie sind gleich viel wert, und sie genießen dieselben Rechte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es auch die drei Herren Fraktionsvorsitzenden wohl gerade nicht interessiert, Frauen entscheiden hier in Deutschland selbst darüber, wie sie sich kleiden, ob und wo sie arbeiten, wie sie leben, wen sie lieben und heiraten.

(Beifall der CDU)

Liebe Kollegen, diese Errungenschaften müssen wir verteidigen, und wir dürfen sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, denn es hat nichts mit kultureller Vielfalt zu tun, wenn Väter und Brüder glauben, vom Kleidungsstil und von der Sexualität der Tochter und der Schwester hänge die ganze Familienehre ab.

Das Verständnis, dass ein Frauenkörper in der Öffentlichkeit Anstoß erregen könnte, der Bruder in der Badehose, aber die Schwester nur völlig bedeckt ins Schwimmbad gehen dürfe, der Bruder am Sportunterricht teilnehmen dürfe, aber die Schwester draußen bleiben müsse, hat nichts mit Emanzipation und Gleichberechtigung zu tun, religiöse Gründe hin oder her.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, soziale Integration ist manchmal wichtiger als Religionsfreiheit. So hat es auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden.

Wenn für den Sohn bei der Klassenfahrt andere Maßstäbe gelten als für die Tochter, wenn der Junge am Sexualkundeunterricht teilnehmen darf, aber sobald das Mädchen da ist, darüber diskutiert wird, ob es nicht einen geschlechtergetrennten Unterricht geben muss, wenn wir uns diesen Wünschen von teils fundamentalistischen Eltern fügen, dann zementieren wir eine Geschlechterungerechtigkeit, die wir in diesem Land längst überwunden haben sollten.

(Beifall der CDU)

Liebe Kollegen, wer glaubt, Mädchen müssen sich bedecken, dürfen nicht am Sportunterricht oder der Klassenfahrt unter den gleichen Bedingungen teilnehmen wie Jungs, der geht auch sonst mit Frauen respektlos und nicht auf Augenhöhe um. Das erfahren auch viele Lehrerinnen in unseren Schulen.

(Beifall der CDU)

Wenn sich der Vater beim Elternsprechtag weigert, mit der Klassenlehrerin zu reden, weil sie kein Mann ist, oder der Sohn sich weigert, ihr die Hand zu geben, weil sie eine Frau ist, dann sind nicht Kultursensibilität und Toleranz

gefragt, nein, dann geht es um Klarheit, dann geht es um Haltung. Diesen Lehrerinnen müssen wir den Rücken stärken!

(Beifall der CDU)