Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

(Beifall der CDU)

Verehrte Kollegen, Schule muss der Ort sein, wo auch Jungs aus patriarchalisch geprägten Familien erfahren, dass in Rheinland-Pfalz die Gleichberechtigung von Mann und Frau Verfassungsrang hat

(Beifall der CDU)

und es anders ist, als sie es vielleicht zu Hause gewohnt sind. Gerade die Schule hat den Auftrag, jungen Menschen Gleichberechtigung zu lehren und vorzuleben.

Wenn aber das rheinland-pfälzische Bildungsministerium eine Handreichung herausgibt, die auf Wünsche patriarchalisch geprägter Familien eingeht, dann halten wir Christdemokraten das für falsch!

(Beifall der CDU)

Das SPD-geführte Bildungsministerium selbst empfiehlt, ältere Brüder könnten als Aufpasser ihrer kleinen Schwester auf Klassenfahrt mitgenommen werden. Das SPD-geführte Bildungsministerium selbst empfiehlt jungen Mädchen eine Schwimmburka. Das sind Empfehlungen, wie sie die Landesregierung seit dem Jahr 2010 gegenüber den Schulen ausspricht.

Seit Jahren haben wir das als CDU-Fraktion kritisiert, mit großer Unterstützung der Betroffenen und auch der Lehrer.

(Beifall der CDU)

Und nun? – Die Landesregierung hat den Leitfaden hinsichtlich der Teilnahme am Schwimmunterricht endlich der geltenden Rechtsprechung angepasst bzw. anpassen müssen. Sieben Jahre hat es gedauert, bis die Landesregierung den Absatz in der Empfehlung zu den Klassenfahrten ganz verschämt geändert hat.

Da lagen wir als CDU dann doch nicht so falsch mit unserer Kritik. Nun sind nämlich männliche Begleiter bei der Klassenfahrt ausgeschlossen. Sie reden nur noch von Frauen, die als Begleitung mitfahren könnten.

Ich bleibe dabei: Ihr Faltblatt gibt keine Orientierung, sondern wirft ganz neue Fragen auf, denn zu den wichtigen Feldern und Themengebieten schweigen Sie weiterhin.

Wie geht man mit islamistischen und salafistischen Einmischungen in der Schule um? Wie ist mit Respektlosigkeit gegenüber Lehrerinnen umzugehen? Wie weit geht hier die Rückendeckung des Dienstherrn? Wie geht der Sportlehrer damit um, wenn er sieht, dass ein Kopftuch im Sportunterricht ein Verletzungsrisiko ist?

(Glocke des Präsidenten)

Welche Antwort gibt diese Landesregierung auf die zunehmende Praxis, dass immer jüngere Kinder während des Ramadans fasten und dann unter Konzentrationsschwächen leiden?

Bei all diesen Fragen lassen Sie die Schulen allein, und wir sagen: Sie brauchen einen neuen Leitfaden, kein Faltblatt, das mehr Fragen aufwirft. Ich sage auch, Gleichberechtigung gilt für Männer und Frauen, für Mädchen und Jungen. Da steht die Religion nicht über unserem Grundgesetz.

(Starker Beifall der CDU)

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kazungu-Haß für die Fraktion der SPD.

Danke schön. Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Kinder und Jugendliche müssen die Chance bekommen, ihre individuelle Entwicklung selbstbestimmt zu erleben.

Sie spiegeln sich dabei an ihrer Umgebung, in der Schule, aber auch zu Hause. Kinder und Jugendliche brauchen diesen Bezug. Es ist nicht Aufgabe des Staates, religiöse Gebräuche der Familien grundsätzlich zu verbieten, solange sie nicht gegen unsere Gesetze verstoßen.

Es gilt dabei, nach Artikel 4 Grundgesetz gibt es kein Recht auf negative Religionsausübung, also ein Recht darauf, nicht von der Religion anderer tangiert zu werden. Es gibt aber umgekehrt das Recht auf Religionsfreiheit.

Die Waage zu halten zwischen den Anforderungen einer öffentlichen Institution Schule – dem Auftrag von Schule, den mündigen Staatsbürger oder die mündige Staatsbürgerin zu erziehen – und dem grundsätzlich verankerten Recht auf Religionsfreiheit, war die Aufgabe der Handreichung, die Sie heute zum Gegenstand dieser Debatte gemacht haben.

„Eine Frau soll nicht Männersachen tragen und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen; denn wer das tut, der ist dem HERRN, deinem Gott, ein Gräuel.“ Also, meinem Verständnis von einem selbstbestimmten Leben entspricht das nicht. Ich finde, eine Frau darf entscheiden, ob sie einen Rock oder eine Hose trägt.

So steht es aber in der Bibel – dem wichtigsten Buch des christlichen Abendlandes –, genaugenommen in 5. Mose 22, 5. Daran hält sich keiner, denken jetzt die meisten. Wer legt denn schon die Bibel noch wörtlich aus?

Tja, weil wir hier gerade so schön zusammen sind, an die AfD-Fraktion: Sie haben viele evangelikal bewegte Christinnen und Christen in Ihrer Partei, zum Beispiel Beatrix von Storch. Ihr Gründer, Herr Lucke, ist ein Evangelikaler. Innerhalb dieser Evangelikalenbewegung gibt es einige Glaubensgemeinschaften, die darauf bestehen, dass Frauen ausschließlich lange Röcke tragen.

Ich selbst habe als Lehrerin Schülerinnen unterrichtet, die nicht beim Sport mitmachen sollten, da das natürlich in einem langen Rock mindestens schwierig, bis unmöglich wurde.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Sind wir daran jetzt auch noch schuld?)

Viele Gespräche waren nötig, genau wie ein getrennter Sportunterricht, um eine vernünftige Abwägung von Religionsfreiheit und dem Auftrag von Schule zu erreichen.

In meiner Lehramtsanwärterzeit zum Beispiel wollten wir als gemeinsames Projekt im Studienseminar „Harry Potter“ lesen. Leider konnte eine Kollegin dieses Projekt an ihrer Schule nicht durchführen, weil viele Schülerinnen und Schüler Mennoniten waren. Auch hier hat man sich dann auf eine andere Ganzschrift geeinigt.

Schon immer – das möchte ich hier betonen – gab es aus Gründen der Religionsausübung Diskussionen mit Eltern und Schülerinnen und Schülern über unterrichtliche Inhalte, Teilnahme am Sportunterricht und Klassenfahrten. Im Grunde kann man diese neue Handreichung also als Ergänzung begreifen. Sie fasst Handlungsstrategien im Schulalltag zusammen, die lange mit anderen Religionsgemeinschaften eingeübt wurden.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Zum Thema!)

Bei allen Fragen steht das Gespräch mit Schülerinnen und Schülern und deren Eltern im Mittelpunkt. Ziel ist es, möglichst wenig Barrieren und Unterschiede aus religiösen Gründen in den Schulalltag implementieren zu müssen.

(Zurufe von CDU und SPD)

Es ist grundsätzlich richtig und von Vorteil, wenn alle Kinder und Jugendlichen die sorgfältig von Kolleginnen und Kollegen ausgesuchten unterrichtlichen Inhalte auf Basis der Lehrpläne und Bildungsstandards gleichermaßen erlernen und erfahren dürfen. Das ist die Meinung in unserer Fraktion.

Es gibt schon lange eine Verwaltungsvorschrift, die im Jahr 1990 angefangen hat, genau diese Belange zu regeln. Dieser Reader ist also quasi ein Update, übrigens auf Wunsch vieler Kolleginnen und Kollegen in den Schulen. Integration passiert nicht mit der Brechstange. Assimilation, also Gleichmacherei, widerspricht zumindest meinem Verständnis einer pluralistischen Gesellschaft.

Liebe CDU, diese Aktuelle Debatte soll den Anschein erwecken, dass es nun Sonderregelungen für Musliminnen und Muslimen in unseren Schulen gibt.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Es gibt eine extra Handreichung!)

Das ist aber nicht wahr! Seit bald 30 Jahren ist das gute Übung in allen unseren Schulen, und es betrifft alle Religionsgemeinschaften.

(Zuruf von der SPD: So ist das!)

Ich finde, wir führen hier zum wiederholten Male eine Burka-Debatte, diesmal zu den Schulen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Joa von der Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen! Die Debatte, die wir hier führen, geht am Kernthema vorbei. Zuerst möchte ich mit einigen Aussagen aus der Broschüre starten.

Zu Schulfahrten: „Gute Erfahrungen wurden gemacht, wenn ehemalige Schülerinnen, (...) muslimische Mütter oder (...) Geschwister als Begleitpersonen mitfahren, da sie mit der Sprache und der Kultur vertraut sind und dies (...) vertrauensbildend wirkt (...).“

Zum Ramadan: Das Fasten schafft Probleme, „wenn der Ramadan in eine Phase fällt, in der zahlreiche Klassenarbeiten geschrieben werden müssen. Auch die Belastungen im Sportunterricht sollten (...) angepasst werden.“ Im Übrigen brauchen wir flexible Lösungen, „die die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler (...) sicherstellen. Unabhängig davon sollten bei der Planung von Schulfahrten und der Festlegung von Praktika, Schulfesten u. ä. seitens der Schule“ der Ramadan berücksichtigt werden.

Das Thema Schwimmburka erspare ich Ihnen gerne komplett. – Diese Sätze sind nicht Ausfluss von Toleranz, sondern sie sind Ausdruck von Unterwürfigkeit.

(Beifall der AfD – Heiterkeit des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein ständiges Zurückweichen vor Sonderforderungen kann keine nachhaltige Lösung sein. Deutschlands Wohlstand ist nicht vom Himmel gefallen. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Arbeits- und Leistungswille sind die Basis. Religiöse Befindlichkeiten sind Privatsache. Wir dürfen nicht mehr und mehr unseres öffentlichen Raums, unserer Sitten und unserer Kultur entsprechend beeinflussen lassen.

(Beifall der AfD)

Die Integration in eine Leistungsgesellschaft darf nicht durch eine falsch verstandene Toleranz hinsichtlich fragwürdiger, in Deutschland unüblicher mittelalterlicher Bräuche verhindert werden.