Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Die Kommunen können außerdem mit einer dreimonatigen Frist zum Quartalsende aus der Rahmenvereinbarung austreten.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Das ist doch praxisfern!)

Die Vereinbarung erfasst ausschließlich die Flüchtlinge, die die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes RheinlandPfalz bereits verlassen haben und den Kreisen und kreisfreien Städten zugewiesen wurden. Mit der Gesundheitskarte werden Asylsuchende mit akuten Schmerzzuständen und akuten Erkrankungen direkt in eine Praxis gehen und eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen können. Dadurch wird der Zugang zu notwendiger medizinischer Versorgung erleichtert und kann wesentlich schneller erfolgen.

Ich weiß, dass es einigen Fraktionen nichts wert ist, aber wir begrüßen es, dass Menschen, die aus Not zu uns geflüchtet sind, freien Zugang zu medizinischen Leistungen erhalten.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Haben die jetzt schon!)

Dies schützt nicht nur die Menschen selbst, sondern, wie bei jedem anderen Menschen auch, der zum Arzt geht, wenn er krank ist, auch das Umfeld.

Auch in der Stadt Mainz gab es zuerst große Bedenken. Sie wurden ausgeräumt. Ich ermuntere alle Abgeordneten hier im Hause, in den Kreisen, in den Gemeinden und Städten für die Gesundheitskarte zu werben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Köbler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Frisch, auch wenn die AfD diese Aktuelle Debatte beantragt hat, will ich gar nicht auf die alternativen Fakten eingehen, die Sie hier vorgetragen haben. Die können Sie dem Kollegen Paul bei AfD-TV erzählen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Tolle Sache! – Abg. Joachim Paul, AfD: Niveaulos! Sie können auch einmal zu uns kommen!)

Meine Damen und Herren, die diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung ist nicht etwas, das man nach Kassenlage beurteilen oder aufteilen kann auf diejenigen mit gesichertem Aufenthaltsstatus und diejenigen, die vielleicht nur vorübergehend ein Bleiberecht haben. Nein, die Gesundheitsversorgung ist ein universales Menschenrecht.

Herr Dr. Gensch, mir ist nicht ganz klar, was Sie hier vorgetragen haben. Sie haben die medizinische Behandlung von Menschen unter einen selektiven Kostenvorbehalt gestellt. Ich bin umso mehr verwundert, da Sie als ausgewiesener Facharzt den hippokratischen Eid geleistet haben. Vielleicht haben Sie den vergessen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Oho!)

Dort steht – ich zitiere –: „Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem Unrecht.“

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Genau das ist unsere Intention, dass auch Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, vor Schaden und willkürlichem Unrecht bewahrt werden, weil ihnen eine adäquate medizinische Versorgung nicht diskriminierungsfrei zuteil wird.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Wem unterstellen Sie Willkür? Das ist bösartig! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sie können ja lesen!)

Deswegen ist die Gesundheitskarte ein richtiger Schritt in eine diskriminierungsfreiere Gesundheitsversorgung in unserem Land, und die steht in Rheinland-Pfalz nun einmal allen Menschen zu, meine Damen und Herren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Gesundheitskarte bietet auch eine einfache und pragmatische Möglichkeit, dem Ziel näher zu kommen. Der wichtigste Unterschied ist doch benannt, dass sie den Zugang zur medizinischen Versorgung ohne Konsultation des Sozialamts sicherstellt.

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Es gibt dabei Vorteile. Das sind zum einen die für die berechtigten Asylsuchenden, dass sie eine Krankenbehandlung, die zumindest vom Verfahren her, nicht vom Leistungsumfang her, denen anderer Kassenpatientinnen und -patienten gleichkommt und sie einen vereinfachten und gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitssystem haben. Das ist eine klare Festlegung über die Rahmenvereinbarung des Landes, weil der Bund bis heute geschlafen und keine Gesetzesgrundlage geschaffen hat, auf die sich alle verlassen können.

Wir haben aber auch Vorteile für die Sozialämter und die Kommunen:

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: So ist es! – Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Verringerung der Kosten durch Personalaufwendungen in Sozial- und Ausländerämtern, Verringerung des Prüfaufwands nach § 6 Asylbewerberleistungsgesetz, erhebliche Einsparungen und qualitative Verbesserungen in den Leistungen, weil es direkt zwischen den Ärzten, den Krankenhäusern, den Apotheken und den Kassen ausgemacht wird, die das sowieso schon in ganz vielen anderen Fällen tun. Das kann zu erheblichen Einsparungen im Vollzug bei den Kommunen führen.

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Das Risiko einer Haftung bei Fehlentscheidungen durch die kommunalen Behörden wird ausgeschlossen.

Herr Dr. Gensch, Sie als Arzt sollten das eigentlich wissen, wir haben auch große Vorteile bei den Leistungserbringern, bei den Ärzten, Krankenhäusern und Apothekern. Wenn jemand in die Praxis kommt, ob er einen Behandlungsschein hat oder nicht, wird er vom Arzt behandelt, und der Apotheker gibt ein Medikament aus, damit etwas passiert. Ich weiß aus eigener Anschauung, wie es in der Praxis aussieht, weil meine Mutter Ärztin ist. Nur dann kommt hinterher die Verhandlung, wer dafür bezahlt.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Ja!)

Dann müssen sich die Ärzte und die Krankenhäuser mit Mitarbeitern des Sozialamts, des Ausländeramts und mit kommunalen Verwaltungsbeamten auseinandersetzen, die nicht wie Sie eine medizinische Ausbildung und die Routine der Mitarbeiter der Kassen haben, die das heute jeden Tag machen. Deswegen hat die Gesundheitskarte Vorteile für alle Beteiligten, an allererster Stelle für die Flüchtlinge, aber auch für die Kommunalverwaltung und für die Menschen, die die Gesundheitsleistungen erbringen, für die Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken.

Meine Damen und Herren, die Stadt Trier ist vorangegangen, die Stadt Mainz wird dem nachfolgen, ein weiterer Landkreis ist auf dem Weg. Ich finde es gut, wenn die Kommunen im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung diese Entscheidung treffen, und es ist auch gut, dass das Land noch einmal klargestellt hat, dass, wie bisher, Hochkostenfälle mit 85 % übernommen werden.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Ja!)

Das ist kein neuer Taschenspielertrick, das war schon immer so.

(Glocke des Präsidenten)

Das haben die kommunalen Verwaltungen und die Spitzenverbände in ihren Berechnungen nur vergessen.

Meine Damen und Herren, bei den 8 % Verwaltungspauschale ist es richtig zu sagen, wir machen eine Evaluation, da schauen wir ganz genau darauf. Wir wollen auch nicht,

dass diesbezüglich draufgelegt wird.

(Glocke des Präsidenten)

Dann wird entsprechend nachverhandelt, sollte die Verwaltungspauschale zu hoch ausfallen. Deswegen ist die Gesundheitskarte in Rheinland-Pfalz auf einem sehr guten Weg.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

Nach dieser ersten Runde darf ich nun für die Landesregierung Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir erneut die Möglichkeit haben, im Plenum über die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für Flüchtlinge zu diskutieren; denn seit unserer letzten Debatte ist einiges geschehen, was die Vorredner schon erwähnt haben.

Die Stadt Trier gibt seit Anfang Januar die elektronische Gesundheitskarte der Kaufmännischen Krankenkasse an geflüchtete Menschen aus, der Stadtrat von Mainz verhandelt derzeit mit der IKK Südwest über die elektronische Gesundheitskarte zum 1. April 2017, und im Landkreis Kusel werden derzeit konstruktive Sondierungsgespräche mit dem Ziel der Kreisverwaltung geführt, den Kreistag im März 2017 mit dieser Thematik zu befassen, meine Damen und Herren.

Die Landesregierung – ich möchte es noch einmal unterstreichen, meine Damen und Herren – hat mit dieser Rahmenvereinbarung den Kommunen ein Angebot unterbreitet, das von den Kommunen angenommen werden kann. Jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt in RheinlandPfalz entscheidet darüber in kommunaler Eigenverantwortung, und wie Sie sehen, ist das Interesse an der elektronischen Gesundheitskarte auf kommunaler Seite in den vergangenen Wochen gewachsen.

Das Trierer Beispiel wird es zeigen, die Kommunen werden mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte von zahlreichen Verwaltungsvorgängen entlastet. Gleichzeitig können sie sicher sein, dass die Versorgung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt.

Wir, die Landesregierung, sind nach wie vor davon überzeugt, dass die Einführung einer solchen Karte Einsparungen in der Verwaltung, aber auch bei den Leistungsausgaben mit sich bringen wird; denn mit der Ausgabe einer solchen elektronischen Gesundheitskarte werden die Kommunen deutliche Vorteile in der medizinischen Versorgung der Asylsuchenden, unter anderem aber auch beim Personaleinsatz, in den Abrechnungen medizinischer

Leistungen und schließlich auch in der medizinischen Betreuung nutzen können.

Das heißt, sie werden nicht nur unmittelbar Geld und Personal sparen, sondern sie werden auch von einem Bürokratieabbau und von den Strukturen und dem Know-how der gesetzlichen Krankenversicherung profitieren können.