Protokoll der Sitzung vom 02.06.2016

Uns als Freie Demokraten war es ein wichtiges Anliegen, dass künftig auch die berufliche Bildung bessergestellt wird. Die zunehmenden Auswirkungen des Fachkräftemangels sind ein deutlicher Beleg dafür, dass eine akademische Ausbildung nur zum Teil für die bisherige Bildungspolitik taugt.

Die Vielfalt der Begabungen und Neigungen sollten sich auch in der Vielfalt des Bildungssystems widerspiegeln. Wir werden mit Sicherheit an dem Status von Gymnasien – jetzt ist Frau Klöckner gerade weg – nichts ändern.

Nicht der Staat gibt seinen Bürgerinnen und Bürgern ein Bildungsziel vor; er sollte ihnen vielmehr dabei helfen, ihr Bildungsziel zu erreichen. So muss in der Bildungspolitik gelten, dass der Staat nicht vorschreibt, sondern ermöglichen soll.

Ich bin daher sehr froh, dass die Kostenfreiheit der Ausbildung innerhalb der Koalition Konsens ist, und ich bin überzeugt, dass wir in dieser Legislaturperiode eine deutliche Aufwertung der beruflichen Ausbildung erreichen werden.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn ein Meister muss im gesellschaftlichen wie im bildungspolitischen Ansehen genauso viel wert sein wie ein Master.

Ein weiterer Punkt, der uns besonders am Herzen liegt, ist die frühkindliche Bildung. Es ist nachvollziehbar, dass zunächst der Aufbau von Betreuungskapazitäten im Vordergrund stand. Nun allerdings müssen wir die qualitative Fortentwicklung der Kindertagesstätten vorantreiben.

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, heißt es schon in einem Sprichwort. Wir wollen deshalb Hänschen möglichst frühzeitig bestmögliche Bildungsangebote zukommen lassen, damit Hans später auch alle Chancen haben wird.

Indem wir möglichst früh den Kindern ein angepasstes Bildungsangebot zur Verfügung stellen, verhindern wir, dass die Herkunft entscheidend für den späteren Bildungs- und damit auch beruflichen Erfolg ist.

Wir wollen in die frühkindliche Bildung investieren; denn diese kommt allen Kindern zugute. Frühkindliche Bildung ist kein Luxus, sondern ein essenzieller Beitrag zur Chancengerechtigkeit.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kein Mensch ist gleich, und niemand sollte die Menschen gleich machen. Daher sollten alle die gleichen Chancen bekommen, und damit, meine Damen und Herren, sind wir mit dem Koalitionsvertrag diesem großen Ziel zumindest ein kleines Stück nähergekommen.

Aufstieg durch Bildung setzt aber auch entsprechende Arbeitsplätze und diese wiederum eine starke Wirtschaft voraus. Eine starke Wirtschaft ist nun einmal die Grundlage eines handlungsfähigen Sozialstaates.

Wer glaubt, dass eine Gesellschaft steigende Lasten bei einer schrumpfenden Wirtschaft schultern kann, der irrt. Wenn wir die Herausforderungen des demografischen Wandels bewältigen wollen, dann brauchen wir eine dynamische Wirtschaft, und diese wiederum benötigt eine Wirtschaftspolitik, welche die richtigen Weichen stellt.

Wenn immer weniger Beschäftigte immer mehr Leistungsempfängerinnen und -empfänger finanzieren sollen, dann ist das nur leistbar, wenn die Löhne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Maße steigen, welche die zu erwartenden steigenden Beitragslasten auffangen.

Damit die Löhne so steigen, brauchen wir die besten Jobs, und die kann nur die beste Wirtschaft zur Verfügung stellen.

Der demografische Wandel ist hierbei eine existenzielle Herausforderung. Mit einer starken Wirtschaft, mit erfolgreichen Unternehmen und gut bezahlten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist er aber bewältigbar.

Ich bin stolz darauf, dass wir für diese Herkulesaufgabe den richtigen Mann an der richtigen Stelle haben. Volker Wissing macht nicht nur den Haushalt, er kann auch Wirtschaft.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, was meines Erachtens weit wichtiger ist als das, ist, dass er die Dinge im Zusammenhang sieht und entsprechend handelt. Die Wirtschaftsminister der FDP waren in Rheinland-Pfalz stets Garanten für eine solide Wirtschaftspolitik, die Wachstum und Wohlstand geschaffen hat. Volker Wissing wird diese Tradition wieder neu beleben.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Er steht für eine Sachlichkeit, die gerade in der Wirtschaftspolitik dringend benötigt wird.

Eine Gesellschaft, die Wirtschaft und Soziales trennt oder gar als Widersprüche thematisiert, ist auf bestem Wege, ihren Wohlstand zu verspielen. Ich würde mir wünschen, dass wir zum Beispiel bei dem Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten genauso intensiv über die Vorteile

wie über die vermeintlichen Nachteile diskutieren und sie gegeneinander abwägen.

Abwägen heißt aber nicht, Risiken zu potenzieren und Chancen zu ignorieren. Abwägen heißt, Risiken und Chancen gleichermaßen zu sehen. Wer meint, dass man die Interessen der Wirtschaft ignorieren darf, nimmt Wohlstandsverluste in Kauf und sollte das dann auch offen sagen.

Es gibt keinen Grund, warum sich eine Gesellschaft den Interessen der Wirtschaft unterordnen sollte, es gibt aber sehr viele gute Gründe, die Interessen der Wirtschaft nicht zu ignorieren. Viele von uns haben das doch vorgestern auf dem Unternehmertag der LVU miterlebt. Wenn die Wirtschaft schwächelt, wird das Land ärmer.

Eine ärmer werdende Gesellschaft wird nicht sozialer, sie wird nicht gerechter und auch nicht ökologischer, ganz im Gegenteil: Sie wird ungerechter, härter und tendiert obendrein eher dazu, Raubbau an den natürlichen Ressourcen zu treiben.

Armut ist nicht sozial, Armut ist nicht gerecht, Armut ist nicht ökologisch, Armut ist ein Problem, das es zu bekämpfen gilt, und die Bekämpfung der Armut ist mindestens ebenso sehr Aufgabe der Wirtschafts- wie der Sozialpolitik. Wir Liberale stehen für eine moderne Wirtschaftspolitik, die Wirtschaft als Teil der Gesellschaft sieht und entsprechend handelt.

Gerade weil Volker Wissing Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft – also für die gesamte Landwirtschaft, Frau Klöckner, denn es gibt nur ein Landwirtschaftsministerium –

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Jetzt weiß ich es endlich!)

und Weinbau ist, bin ich mir sicher, dass die soziale Komponente stets eine Rolle bei allem wirtschaftlichen Interesse spielen wird.

Die soziale Marktwirtschaft ist absolut kein Auslaufmodell, sondern das einzige bislang erfolgreiche Gesellschaftsund Wirtschaftsmodell, und dieses hat sich gerade in Rheinland-Pfalz als sehr erfolgreich bewährt.

(Beifall bei der FDP)

Aber auch in der Agrarpolitik wird es wichtig sein, das Verständnis zwischen Landwirtschaft und Verbraucherinnen und Verbraucher für die jeweilige Situation zu verbessern.

Die aktuelle Entwicklung in der Agrarpolitik ist besorgniserregend. Da gebe ich Ihnen recht. Wurde früher Agrarpolitik als eine Politik für die Landwirtinnen und Landwirte sowie den ländlichen Raum definiert, orientiert sich die Agrarpolitik mehr an den Vorstellungen der urbanen Bevölkerung.

Politik wurde nicht mehr für die Landwirtinnen und Landwirte gemacht, sondern es wurde Politik mit ihnen gemacht. Gerade in der Agrarpolitik ist es höchste Zeit, zu einem fairen Miteinander zurückzukommen.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Eine gute Gelegenheit für eine neue Sachlichkeit und ein faires Miteinander wäre zum Beispiel die GlyphosatDebatte. Aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher wird mit einem Verbot kein nennenswerter Eingriff in die eigene Lebensumwelt verbunden, während die Folgen für die Landwirtschaft gravierend sind.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Sagen Sie einmal etwas zu TTIP!)

Eine verantwortungsbewusste Agrarpolitik nimmt die Sorgen der Verbraucherinnen und Verbraucher um eine gesunde Ernährung ernst. sie macht es sich aber auch gleichzeitig zur Aufgabe, den Bürgerinnen und Bürgern die Situation in der Landwirtschaft zu vermitteln. Agrarpolitik sollte nicht gegen, sondern mit und für die Landwirte gemacht werden.

(Beifall der FDP)

Eine moderne Agrarpolitik fühlt sich den Verbraucherinnen und Verbrauchern verpflichtet, sie darf aber auch nicht das wirtschaftliche Umfeld der Betriebe ignorieren. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine bäuerliche, mittelständische und nachhaltige Landwirtschaft, die sich im Wettbewerb behaupten muss, zu erhalten und zu stärken. Niemand will eine Landwirtschaft, die Raubbau an der Natur und den Tieren betreibt. Wir wollen aber, dass auch unsere Landwirte eine faire Chance haben, im Wettbewerb zu bestehen.

Eine Agrarpolitik, die willentlich die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in Kauf nimmt, fördert die weitere Intensivierung der Landwirtschaft. Denn wenn die staatlichen Auflagen und der Bürokratieaufwand für große Landwirtschaftsunternehmen vielleicht noch bewältigbar sind, sind sie es jedenfalls für den kleinen bäuerlichen Betrieb nicht.

(Beifall der FDP, bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz ist mehr als nur Reben und Rüben, aber Rheinland-Pfalz ohne Reben und Rüben wäre nicht mehr Rheinland-Pfalz. Meine Fraktion wird den Wirtschaftsminister, der auch gleichzeitig Agrarminister ist, bei seinen Bemühungen unterstützen, die rheinland-pfälzische Landwirtschaft zu stärken. Die Landwirtschaft hat nur eine Zukunft, wenn auch junge Menschen in der Übernahme der elterlichen Betriebe eine Perspektive erfahren. Eine weitere Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfeldes wird den Strukturwandel beschleunigen, da die Zahl der Betriebe geringer wird. Für den ländlichen Raum hat das gravierende Folgen. Extensiv bewirtschaftete Flächen von hohem ökologischen Wert werden aufgegeben, fruchtbare Standorte werden übernommen und eher intensiver bewirtschaftet als zuvor.

Landwirtschaft und Weinbau gehören untrennbar zu Rheinland-Pfalz, und dass beide wieder beim Wirtschaftsministerium angesiedelt werden, ist ein wichtiges Signal an die Betriebe, dass die Politik auch die wirtschaftlichen Belange der Betriebe wieder ernst nehmen will und wird.

So wichtig es ist, über Natur- und Verbraucherschutz zu diskutieren, so wenig sollten wir auch vergessen, dass un

sere Landwirtinnen und Landwirte bereit sind, ihrer Verantwortung gegenüber der Natur und den Verbraucherinnen und Verbrauchern gerecht zu werden.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, sie müssen hierzu aber auch eine faire Chance bekommen, am gesellschaftlichen Wohlstand teilzuhaben und von den Früchten ihrer Arbeit leben zu können. Landwirte und Winzer sind Natur- und Verbraucherschützer, sie sind aber auch Unternehmer. Ohne Winzerinnen und Winzer, ohne Landwirtinnen und Landwirte wird der strukturelle Wandel in den ländlichen Räumen ohnehin noch gravierender ausfallen.

Aus Sicht der FDP würde ich es deshalb begrüßen, wenn wir dem ländlichen Raum künftig nicht nur mehr Aufmerksamkeit, sondern auch mehr Freiheit schenken würden. Viele politische Entscheidungen gehen oftmals einseitig zulasten des ländlichen Raumes. Während die Bevölkerung in den Ballungsgebieten, abgesehen von den steigenden Energiepreisen, kaum mit den negativen Begleiterscheinungen des Ausbaus der erneuerbaren Energien konfrontiert wird, sind die Beeinträchtigungen in einigen, vor allem in den ländlichen Regionen, gravierend. Umso wichtiger ist es, dass es mit SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und mit uns gelungen ist, in diesem Bereich deutliche Verbesserungen zu erreichen.